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Herzog August Bibliothek
Die "Schatzkammer" wird geöffnet

Kostbare Handschriften und Bücher, die seit dem achten und neunten Jahrhundert entstanden, sind jetzt in einer Ausstellung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel zu sehen. Die Werke begründeten mit die Grundlagen der europäischen Kultur, sagte Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, im DLF.

Von Dina Netz | 28.02.2014
    Dina Netz: Wenn man das Wort "Schatzkammer" hört, dann denkt man automatisch an Gold, Edelsteine, Geschmeide. Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel bewirbt ihre neue Ausstellung jetzt damit, dass sie ihre Schatzkammern öffnet. Dabei wird es wohl nun nicht so sehr blitzen und blinken, aber Kostbarkeiten kommen definitiv auch zum Vorschein: Zwei Kuratoren, die Leiter der Abteilungen Alte Drucke und Handschriften und Sonderdrucke, haben die Bestände gesichtet und besonders prächtige Stücke ausgewählt und zusammengestellt für eine Ausstellung mit dem Titel "1000 Jahre Schrift und Bild. Schätze der Herzog August Bibliothek". Ich habe Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, gefragt, bevor wir uns der Schau selbst zuwenden: Wo sind diese Stücke aus der "Schatzkammer", die Sie jetzt zeigen, denn sonst?
    Helwig Schmidt-Glintzer: Die sind tatsächlich in sehr hoch gesicherten Tresoren und werden nur selten gezeigt. Und wir haben uns entschlossen, dieses Jahr, 2014, einmal wirklich die Schätze der europäischen Buchkunst in den Mittelpunkt zu stellen und nicht sonst ein Forschungsthema zu illustrieren. Und dabei kommen eben ganz wertvolle, einzigartige Kostbarkeiten in die Vitrinen zur Ansicht.
    Netz: Ja, dann sagen Sie doch ein paar Worte dazu, was man jetzt sehen kann. Also diese Exponate stammen ja überwiegend aus der Sammlung von Herzog August dem Jüngeren, was hat er denn gesammelt?
    Schmidt-Glintzer: Herzog August der Jüngere, aber auch spätere, haben eben kostbare Handschriftendrucke gesammelt, zum Beispiel Werke aus der Zeit der Karolinger, als man in unserer Region in Deutschland überhaupt erst die Schrift normierte, die Überlieferung wieder wachrief und Schulbildung organisierte, das heißt im Grunde, die Grundlagen der europäischen Kultur wurden im achten, neunten Jahrhundert gelegt. Daraus zeigen wir eben karolingische Handschriften. Und gerade natürlich zum Jubiläum des 1200. Todestags Karl des Großen in diesem Jahr war uns das ein Anliegen. Das ist das eine große Segment "karolingische Handschriften". Und dann geht es weiter mit Buchmalerei aus dem 14. Jahrhundert und französischer Buchmalerei aus dem 15. Jahrhundert. Diese Schritte zeigen auch die vielschichtige Entwicklung bis hin zum Beginn der Moderne, der Reformation, die wir dann auch ins Bild setzen.
    Netz: Gibt es besonders kostbare, besondere schöne Exponate, die Sie uns jetzt hier mal vor das Radioauge rufen können?
    Schmidt-Glintzer: Ja, es gibt ganz wunderbare illustrierte Bibeln. Wir zeigen nicht - um das auch mal zu sagen - das Evangeliar Heinrichs des Löwen, aber viele andere kostbare Bibeln, von der Reichenau und dann auch Bibeln im Druck aus der Zeit der Reformation, etwa die berühmte Erstausgabe der Übersetzung des Neuen Testaments durch Martin Luther, das sogenannte Septembertestament mit diesen kolorierten Holzschnitten, die ganz eindrucksvoll Kulturgeschichte geschrieben haben. Wir zeigen aber nicht nur Theologisches und Religiöses, sondern wir zeigen auch etwas, was die Wissenschaftsentwicklung begleitet hat, zum Beispiel ein Rechenbuch von Adam Riese oder Kochbücher, und aus der früheren Zeit wie gesagt eben auch Verwaltungsorganisationshandschriften aus der Zeit Karls des Großen, sodass wir also nicht nur Religion und Gläubigkeit und Frömmigkeit illustrieren, sondern eben die ganze Breite der europäischen Kultur wird hier zum Vorschein gebracht.
    Netz: Es geht ja um die Verbindung von Schrift und Bild - die Ausstellung heißt "1000 Jahre Schrift und Bild" - wie hat sich denn diese Beziehung in diesen 1000 Jahren entwickelt?
    Schmidt-Glintzer: In der karolingischen Zeit fängt es erst allmählich an, aber dann gibt es auch, beeinflusst aus dem byzantinischen Raum, Buchillustrationen, wie es ja auch Kirchenausmalungen gibt. Es treten Engel auf, die Heiligen werden dargestellt, die Evangelisten werden illustriert und mit Merkmal dargestellt, und das spiegelt sich dann eben auch in den kolorierten, den illustrierten Handschriften, sodass also Schrift und Bild da sehr früh ganz enge Verbindungen miteinander eingehen. Und diese Verbindung von Schrift und Bild, die wollen wir eben durch 1000 Jahre zeigen, und da sind einzigartige Stücke, die nur ganz selten zu sehen sind, weil sie eben auch sehr fragil sind, sehr leicht zerstört werden könnten, weswegen wir sie nur ganz, ganz selten dem Licht der Öffentlichkeit und auch dem Licht aussetzen. Denn schon Licht ist eine gewisse Gefährdung für diese kostbaren alten Bestände.
    Netz: Also, auf nach Wolfenbüttel. Das war Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor der Herzog August Bibliothek. Die Ausstellung "1000 Jahre Schrift und Bild" wird am Sonntag eröffnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.