Michael Köhler: Eine unter den vielen kulturellen Bereicherungen und Juwelen der deutschen Wiedervereinigung, das sind ja die historischen Meisterhäuser des Bauhauses in Dessau, die Schlossparkanlage in Dessau-Wörlitz. Beides Weltkulturerbe. Da kann man wieder hin, ohne Hindernisse seit bald 20 Jahren. Die Herzogin Louise von Anhalt-Dessau, die so ungefähr die Lebenszeit mit Heinrich von Kleist teilte 1750 bis 1811, sie hatte ein privates Refugium, das Luisium in der Nachbarschaft zum Wörlitzer Schloss. Aber sie fühlte sich in Hofnähe unwohl und das mit ihrem Mann, dem Fürsten Franz, war auch nicht gerade wohl die ideale Ehe. Im Rahmen der Landesinitiative Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert ist Louises Domizil, ihr sogenanntes Graues Haus, das private Wohnhaus der Fürstin, nun renoviert worden und von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet worden. Wolfgang Savelsberg ist Kurator der Ausstellung. An ihn ging die Frage, was war Louise für eine Frau. War sie kunstsinnig, ein Sonderling?
Wolfgang Savelsberg: Sie ist Zeit ihres Lebens eine hoch interessierte, gebildete Frau gewesen, die sich mit allen Künsten befasst hat, aber vor allen Dingen mit der Literatur, da hat sie das Neueste vom Neuen erworben, ständig hart am Buchmarkt. Und sie hat vor allen Dingen sehr viele Autoren gekannt, auch Autorinnen. Ihr Leben spiegelt die Zeit des späten, des ausgehenden 18. Jahrhunderts und des frühen 19. Jahrhunderts, die Zeit der Empfindsamkeit. Sie ist eine höchst sensible Frau, eine Frau, die auch melancholisch war, sicherlich auch depressiv, viel krank. Und unser Glück war es, dass wir vor zwei Jahren begonnen haben, ihre Tagebücher zu transkribieren in einem Sonderprojekt. Und herausgekommen sind etwa 4500 Manuskriptseiten, transkribierte Seiten, die wir jetzt ja als hoch interessante, spannende Quellen betrachtet haben und auch als Grundlage für die Ausstellung.
Köhler: Sie haben die Epoche der Empfindsamkeit angesprochen, da ist ja genau das Zentrum gewesen, nämlich die Innenschau, die seelische Innenschau, die Selbstbefragung, die pietistische Selbstbefragung, das Tagebuchschreiben. Hat sie eine Art galanten Salon unterhalten?
Savelsberg: Nein, hat sie nicht. Sie hat die Einsamkeit gesucht, sie hat sich vom höfischen Leben abgekehrt und daraus zurückgezogen und hat deswegen das Graue Haus zu ihrem Standort, bis zu ihrem Lebensende erwählt. Das hat aber auch ganz praktische Gründe. Sie hat ein Haus gesucht, in dem sie es warm hatte. Sie hatte Zeit ihres Lebens gefroren. Das sind auch ganz wichtige Abschnitte in ihrem Tagebuch, eben ihre Selbstbetrachtung und auch die Erforschung ihres Leides, ihrer Krankheiten, über die sie sich ausbreitet. Und diese Tagebücher dienten auch dazu, den Freundinnen vor allen Dingen vorgelesen zu werden. Sie hat vor allen Dingen mit Elisa von der Recke oder Friederike Bruhn, selber Frauen, die ähnliche Schicksale erlebt haben wie die Fürstin, ähnliche Eheprobleme, aber auch Krankheiten, Scheinschwangerschaften und Fehlgeburten und so weiter. Und mit den Freundinnen vor allen Dingen konnte sie intimste Gedanken austauschen, und sie schreibt darüber auch. Und sie empfindet es auch immer als schmerzlich, wenn sie diese Gefühle nicht erwidert bekommt.
Köhler: Ist damit das Gartenreich Dessau-Wörlitz "komplettiert", in Anführungszeichen, fertig? Ist ein wichtiger Baustein hinzugefügt worden, oder wie muss man das einstufen?
Savelsberg: Ich denke schon. Man hat sich bis jetzt immer dem Fürsten zugewandt, dem strahlenden Aufklärer, der ja sehr lange regiert hat, der viel geschaffen hat, der den Bildungsgedanken ganz groß geschrieben hat, der das Dessau-Wörlitzer Gartenreich initiiert hat mithilfe von Erdmannsdorf wundervolle Bauten errichtet hat und die Landschaftsgärten. Und Louise stand immer in seinem Schatten. Sie galt immer als die Kränkelnde, Leidende, und als solche ist sie bis heute bekannt, auch wenn man die Leute fragt, die Besucher. Und wir wollten dieses Image mal umkehren. Wir wollten sie von der Seite zeigen, die wir, uns durch die Tagebücher angelesen haben. Und es kommt wirklich Wichtiges, Neues zum Vorschein. Sie eben als sehr kenntnisreiche Begleiterin des Fürsten, die doch vieles initiiert hat. Sie hatte eine Mädchenschule begründet und die Künste gefördert und eben ihre Tagebücher hinterlassen, die eine unendlich reiche Quelle darstellen.
Köhler: Sagt Wolfgang Savelsberg über die einsame Herzogin am See, dunkle Seele im Grauen Haus in Dessau-Wörlitz.
Link:
"Frauen im 18. Jahrhundert"
Wolfgang Savelsberg: Sie ist Zeit ihres Lebens eine hoch interessierte, gebildete Frau gewesen, die sich mit allen Künsten befasst hat, aber vor allen Dingen mit der Literatur, da hat sie das Neueste vom Neuen erworben, ständig hart am Buchmarkt. Und sie hat vor allen Dingen sehr viele Autoren gekannt, auch Autorinnen. Ihr Leben spiegelt die Zeit des späten, des ausgehenden 18. Jahrhunderts und des frühen 19. Jahrhunderts, die Zeit der Empfindsamkeit. Sie ist eine höchst sensible Frau, eine Frau, die auch melancholisch war, sicherlich auch depressiv, viel krank. Und unser Glück war es, dass wir vor zwei Jahren begonnen haben, ihre Tagebücher zu transkribieren in einem Sonderprojekt. Und herausgekommen sind etwa 4500 Manuskriptseiten, transkribierte Seiten, die wir jetzt ja als hoch interessante, spannende Quellen betrachtet haben und auch als Grundlage für die Ausstellung.
Köhler: Sie haben die Epoche der Empfindsamkeit angesprochen, da ist ja genau das Zentrum gewesen, nämlich die Innenschau, die seelische Innenschau, die Selbstbefragung, die pietistische Selbstbefragung, das Tagebuchschreiben. Hat sie eine Art galanten Salon unterhalten?
Savelsberg: Nein, hat sie nicht. Sie hat die Einsamkeit gesucht, sie hat sich vom höfischen Leben abgekehrt und daraus zurückgezogen und hat deswegen das Graue Haus zu ihrem Standort, bis zu ihrem Lebensende erwählt. Das hat aber auch ganz praktische Gründe. Sie hat ein Haus gesucht, in dem sie es warm hatte. Sie hatte Zeit ihres Lebens gefroren. Das sind auch ganz wichtige Abschnitte in ihrem Tagebuch, eben ihre Selbstbetrachtung und auch die Erforschung ihres Leides, ihrer Krankheiten, über die sie sich ausbreitet. Und diese Tagebücher dienten auch dazu, den Freundinnen vor allen Dingen vorgelesen zu werden. Sie hat vor allen Dingen mit Elisa von der Recke oder Friederike Bruhn, selber Frauen, die ähnliche Schicksale erlebt haben wie die Fürstin, ähnliche Eheprobleme, aber auch Krankheiten, Scheinschwangerschaften und Fehlgeburten und so weiter. Und mit den Freundinnen vor allen Dingen konnte sie intimste Gedanken austauschen, und sie schreibt darüber auch. Und sie empfindet es auch immer als schmerzlich, wenn sie diese Gefühle nicht erwidert bekommt.
Köhler: Ist damit das Gartenreich Dessau-Wörlitz "komplettiert", in Anführungszeichen, fertig? Ist ein wichtiger Baustein hinzugefügt worden, oder wie muss man das einstufen?
Savelsberg: Ich denke schon. Man hat sich bis jetzt immer dem Fürsten zugewandt, dem strahlenden Aufklärer, der ja sehr lange regiert hat, der viel geschaffen hat, der den Bildungsgedanken ganz groß geschrieben hat, der das Dessau-Wörlitzer Gartenreich initiiert hat mithilfe von Erdmannsdorf wundervolle Bauten errichtet hat und die Landschaftsgärten. Und Louise stand immer in seinem Schatten. Sie galt immer als die Kränkelnde, Leidende, und als solche ist sie bis heute bekannt, auch wenn man die Leute fragt, die Besucher. Und wir wollten dieses Image mal umkehren. Wir wollten sie von der Seite zeigen, die wir, uns durch die Tagebücher angelesen haben. Und es kommt wirklich Wichtiges, Neues zum Vorschein. Sie eben als sehr kenntnisreiche Begleiterin des Fürsten, die doch vieles initiiert hat. Sie hatte eine Mädchenschule begründet und die Künste gefördert und eben ihre Tagebücher hinterlassen, die eine unendlich reiche Quelle darstellen.
Köhler: Sagt Wolfgang Savelsberg über die einsame Herzogin am See, dunkle Seele im Grauen Haus in Dessau-Wörlitz.
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"Frauen im 18. Jahrhundert"