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Hessen
Erste Fachhochschule mit Promotionszentrum

Im Frühjahr haben die hessischen Fachhochschulen das Recht erhalten, eigenständig Promotionen durchzuführen. Die Universitäten hatten sich vergeblich dagegen gewehrt. Nun wurde an der FH Fulda das erste Promotionszentrum feierlich eröffnet. Kooperationen von Fachhochschulen und Universitäten bei Promotionen sollen weiterhin möglich sein.

Von Ludger Fittkau | 10.10.2016
    Eine Studentin sucht am 07.11.2012 ein Buch in der Bibliothek der Universität Hildesheim.
    Promovieren kann man nun auch an einer Fachhochschule in Hessen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Als wissenschaftspolitisch historisches Ereignis feierte heute der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein (CDU) die erstmalige Verleihung eines eigenständigen Promotionsrechts an eine Fachhochschule des Landes – die Fachhochschule Fulda:
    "Es ist das Erste mal, dass in Deutschland eine Hochschule für Angewandte Wissenschaften, so nennen wir sie ja nach unserem Hochschulgesetz das Promotionsrecht verliehen bekommt."
    Jubel auch Professor Karim Khakzar, dem Präsidenten der FH Fulda und Sprecher der deutschen Fachhochschulen in der Hochschulrektorenkonferenz:
    "Mit pathetischen Worten sollte man ja eigentlich etwas sparsam umgehen, aber das heute ein historischer Tag ist, darf man aber glaube ich an unserer Stelle, an meiner Stelle heute sagen, weil sich wirklich was Entscheidendes geändert hat. Für die Hochschule Fulda mit dem eigenständigen Promotionsrecht. Ich glaube für alle hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften aber ich weiß, auch in meiner Funktion als Sprecher der Fachhochschulen in der HRK, dass ganz Fachhochschul- oder HAW-Deutschland heute nach Hessen blickt."
    Universitäten nicht einverstanden
    Auch Universitätsleitungen blicken heute nach Wiesbaden – allerdings mit deutlich weniger Freude. Die hessischen Hochschulen sind nämlich mit dem eigenständigen Promotionsrecht für Fachhochschulen nämlich nicht einverstanden. Das bestätigte heute gegenüber dem Deutschlandfunk noch einmal Joybrato Mukherjee, Präsident der Uni Gießen und Sprecher der Konferenz Hessischer Universitätspräsidien:
    "Wir haben ja immer den Weg favorisiert, dass Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit Universitäten kooperieren, um das Universitätsrecht gemeinschaftlich auszuüben. Denn die Universitäten sind allein diejenigen Einrichtungen, die über die gebotene Erfahrung mit Promotionsverfahren verfügen. Über die entsprechende interdisziplinäre Vielfalt und die forschungsintensive Umgebung. Deswegen war unser präferierter Weg immer der der Kooperation."
    Die Kooperation der Fachhochschulen und der Universitäten bei Promotionen sei jedoch weiterhin möglich, argumentiert der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein. Außerdem sei vorgesehen, dass ein Vertreter einer Universität im Promotionsausschuss einer Fachhochschule vertreten sein müsse:
    "Ich glaube, dass der erhebliche Widerstand, der mal formuliert worden ist, so gar nicht mehr stattfindet. Das natürlich noch das eine oder andere an Mahnung eher ausgesprochen wird, als das es eine erhebliche Kritik ist."
    Der Kritik, Fachhochschulen böten keine forschungsstarke Umgebung für eine Dissertation soll dadurch begegnet werden, dass ein FH-Professor, der promovieren will, erhebliche Forschungs-Drittmittel vorweisen muss. Boris Rhein:
    "Was bedeutet, dass jeder Professor, jede Professorin, die eine Promotion hauptverantwortlich betreuen oder begutachten, innerhalb von drei Jahren mindestens 150.000 Euro an Drittmitteln eingeworben haben müssen."
    Neues Promotionszentrum an der FH Fulda
    Das gilt für ein sozialwissenschaftliches Promotionszentrum, wie es heute an der FH Fulda zum ersten Mal eingerichtet wird. Naturwissenschaftliche Doktorväter oder Mütter müssen das Doppelte an eingeworbenen Drittmitteln vorweisen. Das sind hohe Hürden, weiß der Fuldaer Politologe Hans Platzer, der im neuen Promotionszentrum an seiner Fachhochschule mit 14 weiteren Professoren wirkt:
    "Wie wir das erfüllen. Ich könnte ganz einfach sagen: Mit ungeheurer Selbstausbeutung. Sie wissen, wir haben an unseren Hochschultypen eine hohe Lehrbelastung. Und dann über Jahre hinweg diese, ich glaube, keinen Vergleich scheuenden Standards zu erfüllen, das ist nur mit ungeheurem Engagement möglich. Und das eigene Promotionsrecht beflügelt uns, dies fortzuführen."
    In etwa drei Jahren sollen also nun an der FH Fulda die ersten sozialwissenschaftlichen Doktorarbeiten zu den Themenschwerpunkten "Globalisierung, Europäische Integration und Interkulturalität" vorliegen, hoffen die Lehrenden des Fuldaer Promotionszentrums. Der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein strich heraus, dass immerhin acht dieser künftigen FH-Doktorväter und Mütter in Fulda selbst an einer Universität habilitiert worden seien. Doch auch diese Nachricht wird die hessischen Universitäten angesichts des Verlustes ihres bisherigen Alleinstellungsmerkmals Promotionsrecht nicht froh stimmen.