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Hessische Verhältnisse

Zehn Wochen nach der Landtagswahl konstituiert sich das neue hessische Parlament. Angesichts des Patts unter den fünf Parteien soll CDU-Ministerpräsident Roland Koch geschäftsführend im Amt bleiben. Die Konstellation bietet Raum für Machtgerangel.

Von Anke Petermann | 04.04.2008
    Eklat in Wiesbaden: Rund einen Monat ist es her: Die hessische SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger legt ein Veto ein gegen das Vorhaben der Parteichefin Andrea Ypsilanti, sich mit den Stimmen der Linken zur Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen zu lassen. Für ihren verspäteten Einspruch nach der entscheidenden Fraktionssitzung reist die Darmstädterin aus dem Skiurlaub in der Schweiz an.

    "Die Linken sind für mich im Moment überhaupt nicht einschätzbar, und für mich steht im Vordergrund auch die Aussage, die wir vor der Wahl getroffen haben: mit den Linken unter keinen Umständen irgendetwas zusammen einzugehen."

    Dagmar Metzger nagelt die eigene Partei auf ihr Wahlversprechen fest. Damit bringt die Abgeordnete mit der straff zurückgekämmten Hochfrisur zumindest vorerst den Plan der hessischen Sozialdemokraten zu Fall, im Westen die erste rot-grüne Minderheitsregierung zu schmieden, die auf eine Zusammenarbeit mit der frisch ins Parlament eingezogenen Linken baut. Landeschefin Andrea Ypsilanti muss erkennen, dass sie ihre eigene Fraktion bei diesem Wagnis nicht hinter sich hat und legt das linke Projekt auf Eis:

    "Trotzdem werden wir alle Möglichkeiten in der parlamentarischen Arbeit nutzen - mit Anträgen, mit Gesetzesinitiativen - das, was wir in unserem Wahlprogramm aufgeschrieben haben, in Regierungshandeln einzuspeisen. Da sind die Möglichkeiten nicht sehr breit, aber sie sind auch nicht gering. Roland Koch und die FDP haben im Parlament auch keine Mehrheit, und deshalb werden wir unsere Gesetze, die Rücknahme von Studiengebühren zum Beispiel, einbringen, um so zu versuchen, Regierungshandeln zu beeinflussen."

    Jetzt kommt die Stunde des Parlaments, schiebt die SPD-Landesvorsitzende nach - das soll Balsam sein auf die Seelen enttäuschter Anhänger. Aber es ist auch die Stunde von Roland Koch, den die Sozialdemokraten nach den erdrutschartigen Verlusten für die CDU bei den Ladtagswahlen vor gut zwei Monaten für entmachtet hielten. Als Ministerpräsident tritt Koch morgen auf der konstituierenden Sitzung des hessischen Landtags gemäß der Landesverfassung mit seinem Kabinett zurück. Doch da sich nach dem vorläufigen Aus für das rot-grüne Projekt bislang keine Mehrheit für eine neue Regierungskonstellation gefunden hat, führt er danach die laufenden Geschäfte ohne eine eigene parlamentarische Mehrheit weiter.

    "Die geschäftsführende Landesregierung hat keine Chance, selbst zu bestimmen, wie lange sie regiert, aber sie hat eine Verpflichtung, dafür zur sorgen, dass an jedem Tag, an dem sie da ist, die Arbeit im Land geschafft wird."

    Länger als 365 Tage jedoch will Roland Koch dieses Provisorium nicht führen. Georg Hermes, Verfassungsrechtler in Frankfurt am Main, erläutert das in der Verfassung festgeschriebene Prozedere.

    "Zunächst bleibt amtierende Landesregierung geschäftsführend im Amt, und der Landtag muss versuchen, eine neue Regierung wählen. Dafür kennt die Verfassung keine Frist. Das heißt, es gibt unbegrenzt Möglichkeiten, immer wieder Neues zu versuchen."

    Anders als in manch anderen Ländern, in denen in weiteren Wahlgängen die einfache Mehrheit der Anwesenden reicht, um einen neuen Ministerpräsidenten zu küren, kann in Hessen als Regierungschef nur gewählt werden, wer die gesetzliche Mehrheit der 110 Abgeordneten hinter sich bringt. 56 Stimmen sind das, das rot-grüne Lager verfügt über 51, das schwarz-gelbe über 53, die Linken mit 6 Sitzen können das Zünglein an der Waage spielen. Doch derzeit wagt niemand zu testen, was die labilen Mehrheitsverhältnisse im Fünf-Parteien-Parlament hergeben. Vor 25 Jahren war nur drei Parteien der Sprung ins Parlament gelungen, neben SPD und CDU erstmals auch den Grünen. Die FDP war an der Fünf Prozent-Hürde gescheitert. Walter Wallmann kandidierte für die CDU und verfehlte die absolute Mehrheit. Holger Börner von der SPD blieb geschäftsführend im Amt.

    "Die Landesregierung hat diese Pflicht sehr ernst genommen. Wir haben sie mit aller Kraft und zum Wohle dieses Landes erfüllt."

    Mit Rauschebärten und Turnschuhen, mit Widerstand gegen die Startbahn West und dem Plädoyer, die Polizei zu entwaffnen, gebärdeten sich die grünen Parlamentsneulinge als Bürgerschreck. Weder Sozialdemokraten noch Christdemokraten wollten sie ins Regierungsboot holen, erinnert sich der damalige Justiz- und Innenminister Herbert Günther. Anderthalb Jahre lang währte Börners Übergangsregierung, deren Vorhaben die Grünen nur gelegentlich stützten:

    "Entscheidend ist, dass man als geschäftsführende Regierung eben nur die Geschäfte abwickeln soll und dass die entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft zugänglich sind für die normalen Regierungen und auch erfordern, dass eine verlässliche Mehrheit im Landtag vorhanden ist. Es ist richtig, dass die geschäftsführende Regierung eine Reihe von Dingen nicht machen kann. Wir haben zum Beispiel in der Zeit, so weit ich mich erinnere, nicht ein einziges Gesetz zum Landtag leiten können und auch nicht leiten wollen, weil keine Mehrheit da war. Auch der Haushalt ist zunächst nicht verabschiedet worden. Es gibt eine vorläufige Haushaltsführung. Also eine Fülle von Beschränkungen, die völlig zu Recht gegeben sind, weil sich ja die Landtagsabgeordneten bemühen sollen, eine ordnungsgemäße Regierung zu wählen."

    Provisorisch regieren ohne Mehrheit und Reformkraft - unter dem Namen hessische Verhältnisse ging das in die Geschichte ein. einen guten Klang hat es bis heute nicht. Mit entsprechend ungewohnter Bescheidenheit geht Roland Koch seinem neuen Amt entgegen. So verzichtete er darauf, mit Hilfe der alten CDU-Mehrheit Nachfolger für die ausscheidenden Minister Karin Wolff und Udo Corts zu inthronisieren. Stattdessen übergab er das Bildungsressort in die Obhut von Justizminister Jürgen Banzer und das Wissenschaftsressort vertretungsweise an Sozialministerin Silke Lautenschläger, nicht ohne einen kleinen Seitenhieb auf die SPD.

    "Die Stimmung in unserem Bundesland ist im Augenblick aufgeheizt. Hessen ist nun immer ein Land, in dem ein bisschen mehr gerauft wird als woanders, aber natürlich ist gerade auch eine Opposition, die nun gerade in dem festen Bewusstsein des Schon-an-der-Regierung-Seins an sich selbst gescheitert, in einer schwierigen Verfassung. Wir sind nun in einer Situation, in der wir nun wahrlich nicht unser Wahlziel erreicht haben und deshalb auch nicht den Eindruck erwecken wollten, wir glaubten, wir hätten den Auftrag zu einer Regierungsbildung im klassischen Sinn. Und ich glaube, diese Zurückhaltung, die Verantwortung wahrzunehmen für das Land und auf der anderen Seite nicht so zu tun, als hätte es den Wahltag nicht gegeben, gebietet es so zu entscheiden, wie ich entschieden habe."

    Eine weitere Chance zu Kabinettsumbildung wird sich Koch in nächster Zeit nicht bieten, prophezeit Herbert Günther, der im geschäftsführenden Kabinett Börner neben dem Justiz- vertretungsweise auch das Innenressort übernehmen musste.

    "Es gibt keine Möglichkeit, Minister auszuwechseln, es ist eine versteinerte Regierung. Das heißt: Alle die im Amt sind, müssen in dem Amt bleiben, und keiner kann wechseln, und keiner kann neu eintreten."

    Doch mit der Regierung sollen die Verhältnisse im Land nicht versteinern, die SPD jedenfalls will mit Anträgen und Gesetzesinitiativen einen Politikwechsel aus dem Parlament heraus einleiten, kündigte Landeschefin Andrea Ypsilanti jüngst auf dem Hanauer Parteitag an:

    "Die Abschaffung der Studiengebühren, Verbesserungen im Bildungsbereich, Rückkehr in den Tarifvertrag der Länder. Wir werden einen landesgesetzlichen Rahmen einbringen für die Wende hin zu erneuerbaren Energien, und da darf mitstimmen, wer will, da darf die Linkspartei genau somit stimmen wie die CDU, wenn sie geläutert ist, da habe ich nichts dagegen.

    Aber ein Königsweg ist das nicht, denn natürlich hat eine Regierung, die geschäftsführend im Amt ist, auch noch Regierungsmacht, und ich will nur hoffen und ich fordere auch die CDU dazu auf, dass die geschäftsführende Regierung Koch keine Blockadehaltung einnimmt im Parlament, sondern dass sie das, was die Landespolitik dann beschließt auch umsetzt in der Regierung, das erwarten wir dann schon von der CDU ohne Mehrheit."

    Die Ankündigung, dass die linke Mehrheit seine geschäftsführende Landesregierung vor sich her treiben will, kontert Roland Koch ebenfalls mit einer Warnung:

    "Ich bin ja nicht Ministerpräsident, weil ich das mit aller Gewalt herbeigezwungen habe in einer geschäftsführenden Regierung, sondern ich bleibe Ministerpräsident, weil Frau Ypsilanti nicht in der Lage ist, eine Mehrheit zu organisieren. Daraus gibt es auch eine Verpflichtung zur Loyalität dem Staat gegenüber. Das bedeutet nicht, dass es nicht Anträge geben wird, die nicht der Meinung der Landesregierung entsprechen. Aber das bedeutet, dass sich jeder hüten möge zu glauben, man könne, wenn man unfähig ist, eine Regierungsmehrheit zu schaffen, das Land nur noch dazu benutzen, gegen die Regierung zu spielen."

    Die Studiengebühren abzuschaffen aber ist für die linke Opposition kein Spiel, sondern ein ernsthaftes Anliegen, seit der Landtag die 500 Euro pro Semester mit absoluter CDU-Mehrheit beschlossen hat. Schon morgen bringen SPD und Grüne einen gemeinsamen Gesetzentwurf ein, der vom kommenden Wintersemester an neben den Gebühren für das Erststudium auch die Gelder für Langzeitstudierende und für das Zweitstudium kippen soll. Die erste Lesung ist für den 9. April angesetzt. Die Linke hat Zustimmung signalisiert. Der geschäftsführende Ministerpräsident müsste also zulassen, dass Studiengebühren abgeschafft werden, für die er selbst mit seinem ganzen politischen Gewicht eingetreten ist. Roland Koch, ganz Staatsdiener, gibt sich fassungslos ob der Frage, was geschieht, wenn die linke Mehrheit das als Gesetz verabschiedet:

    "Ei, dann wird es - ich verstehe die Frage nicht - dann wird es zum Gesetz erhoben. Ja, aber und? Glauben Sie, eine Regierung setzt ein Gesetz nicht um? Wir sind doch nicht irgendwo."

    Nicht irgendwo, aber eben in Hessen. Diesem Land in Deutschlands Mitte, das keine politische Mitte kennt. In dem die Dregger- Kanther- und Koch-CDU immer rechtslastiger war als andere christdemokratische Landesverbände und die Hessen-SPD, aufgemischt von den Südhessen mit ihrer roten Heidi, immer ein bisschen linker als andernorts in der Republik. In Hessen tobte der Schulkampf der 70er und 80er heftiger als anderswo, der Zwist über Atomkraft und Flughafenausbau katapultierte die Grünen eher ins Landesparlament und in Ministerämter. CDU-Wahlkämpfe fielen hier besonders schrill aus, zuweilen auch fremdenfeindlich. Rhetorische Ausfälle im Landtag, Ordnungsrufe, Entgleisungen in der Lautstärke - auch das typisch hessische Verhältnisse.

    Morgen tagen die Abgeordneten erstmals im neuen kreisrunden Plenarsaal, der sich an die Stelle der früheren Reithalle in die Fassade des alten Wiesbadener Stadtschlosses geschoben hat. Der Architekt Felix Waechter beschreibt seinen Bau so, dass es fast wie eine Mahnung zu einer friedlicheren Diskussionskultur klingt:

    "Die Idee des Kreises war einfach, dass wir versucht haben, einen dialogischen Raum zu schaffen, und wir haben gesagt, es wäre wichtig, dass man im Gespräch sitzt - Regierung und Abgeordnete, im Parlament sind sie ja gleichberechtigt, und dass sie gemeinsam Verantwortung tragen. Und das soll das symbolisieren, dass die Regierung auch nicht rausgehoben ist, sondern eingebunden ist in das Parlament, wo sie ja ihre Politik vorstellen muss und darüber abgestimmt werden muss. Das ist natürlich das, was wir uns natürlich, da wir selbst in Hessen wohnen , wünschen würden, dass man zueinander findet und miteinander Politik für Hessen macht. Ob wird das schaffen, wird sich in den nächsten Wochen zeigen."

    Doch trotz der polierten Oberflächen in hellem Ahorn dürfte der Ton im Landtag angesichts der wie gewohnt knappen Mehrheiten nicht weniger rau ausfallen als sonst. Vor diesem Hintergrund können kurze, nüchterne Sätze des Ministerpräsidenten von der CDU auf die linke Opposition sehr aufreizend wirken. Wie diese beiden zur Finanzlage:

    "Die Summe von Bestellungen ergibt noch keinen Haushalt. Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben."

    Die Finanzierbarkeit will Ministerpräsident Koch zum Prüfstein für rot-grüne Projekte machen. Bei der Rücknahme der Studiengebühren beispielsweise wollen Rote und Grüne den Hochschulen die Einnahmeausfälle aus dem Landeshaushalt ersetzen, Ideen zur Gegenfinanzierung legten sie schon vor. Nach kurzer Prüfung der Deckungsvorschläge meldete Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) bereits Bedenken an: zu pauschal, zu wenig nachhaltig, erhebliche zusätzliche Belastungen würden ins Haushaltsjahr 2009 verschoben, so die Kritik. Doch der SPD-Wissenschaftsexperte Gernot Grumbach und der grüne Rechtsexperte Andreas Jürgens glauben nicht, dass sich der schwarze Finanzminister dem rot-grünen Anliegen verweigern wird.

    "Ansonsten hatten wir mit ihm ein hoch kooperatives Gespräch, und ich denke, im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens wird es eine Lösung geben, die die Landesregierung umsetzen kann. Es gibt eine Regelung in der hessischen Verfassung, wonach alle Beschlüsse des Landtages auch entsprechende Hinweise darauf enthalten müssen, wie sie entsprechend finanzierbar sind. Und darum wollen wir uns auch immer bemühen, das ist klar, dass wir bei allem, was wir einbringen, natürlich auch überlegen, wie ist es mit dem Landeshaushalt vereinbar? Allerdings muss der Landeshaushalt den politischen Entscheidungen des Landtages folgen und nicht umgekehrt. Nicht der Landtag ist daran gebunden, dass der Haushalt eingehalten wird, sondern umgekehrt, diejenigen, die den Haushalt aufstellen und dann auch umsetzen, nämlich die Landesregierung, muss den politischen Willen des Landtages berücksichtigen. Bei Vorlage eines Nachtragshaushalts aber auch natürlich bei der Aufstellung eines neuen Haushalts und dann nicht gegen den Landtag mit den Mitteln der Haushaltsaufstellung agieren. Das wird nicht funktionieren."

    Endgültig bewerten will Finanzminister Weimar die rot-grünen Deckungsvorschläge in Sachen Studiengebühren allerdings erst, nachdem SPD und Grüne auf seine Nachfragen und Bedenken geantwortet haben. Vier Lesungen für jedes umstrittene Vorhaben, dann ein möglicher Einspruch des geschäftsführenden Ministerpräsidenten, der überstimmt werden kann - auf diese Weise könnte die Übergangsregierung Koch unliebsame Projekte immerhin eine Weile aufhalten, wenn auch nicht verhindern. Der angestrebte Politikwechsel aus dem Parlament heraus wird ein zähes Geschäft, wissen Rote und Grüne. Willi van Ooyen, dessen Linke gern das dritte Rad am rot-grünen Koalitionswagen abgegeben hätte, bedauert das:

    "Das wird vieles auch verzögern von dem, was die Menschen draußen erwarten."

    Was sie erwarten, machten Vertreter von Gewerkschaften und Bürgerinitiativen deutlich, die sich am vergangenen Wochenende vor dem Hanauer SPD-Parteitag postiert hatten:

    "Dass wir eine soziale Politik kriegen und keine Steuergeschenke an die Unternehmen."

    "Es hätte einen Regierungswechsel geben müssen, eine neue Politik mit Andrea Ypsilanti, hin zu einer Energiewende und erneuerbaren Energien statt Kohle und Atom."

    "Also, ich bin SPD-Mitglied und war sehr froh über den Wahlerfolg der Andrea Ypsilanti und finde es sehr schade, wenn jetzt die Inhalte nicht umgesetzt werden könnten, wie wir uns das vorstellen, und ich möchte gern, dass das auch umgesetzt wird, möglichst in der Regierung."

    Die Handlungsspielräume sind dann schon ein bisschen größer, als wenn ich jetzt nur im Rahmen der Parlamentsarbeit das mache, akzeptiere ich derzeit, sehe ich auch als die einzige Möglichkeit momentan , aber ich denke, irgendwann sollte Andrea Ypsilanti den Versuch durchaus noch mal starten."

    Einen erneuten Anlauf Richtung rot-grüner Minderheitsregierung könne sie sich durchaus vorstellen, bekräftigte Andrea Ypsilanti - zu gegebener Zeit. Wann das ist, lässt die SPD-Landeschefin offen. Unterdessen will auch Roland Koch versuchen, die hessischen Verhältnisse zu stabilisieren, am liebsten mit Hilfe von FDP und Grünen. Vorbei die Zeiten, in denen die Hessen-CDU die Grünen wahlweise als Sicherheitsrisiko oder Linksradikale geißelte. Plötzlich erkennen die Schwarzen programmatische Schnittmengen in der Bildungs- und Umweltpolitik, plötzlich lobt Roland Koch den "Pragmatismus" der Grünen und ihren "Respekt vorm Individuum". Die FDP möchte gern mit auf die Reise nach Jamaika. Landeschef Jörg-Uwe Hahn.

    "Wir wissen, dass nunmehr die Tür für gemeinsame Aktivitäten der Grünen, der Liberalen und Konservativen in Hessen geöffnet ist."

    Doch der hessische Grünen-Chef Tarek Al Wazir weigert sich, Kochs Parteispenden-Lüge und den CDU-Wahlkampf samt fremdenfeindlicher Untertöne ad acta zu legen.

    "Die hessische CDU ist immer noch die hessische CDU, und Roland Koch ist immer noch Roland Koch."

    Das christdemokratische Werben um die Grünen? Al Wazir vernimmt "Schalmeienklänge", produziert zum Zweck des Machterhalts. Unbeeindruckt lässt die Grünen auch das neue Auftreten des geschäftsführenden Ministerpräsidenten in spe: staatsmännisch statt polarisierend, zurückhaltend-bescheiden, statt feudalherrliches Machtbewusstsein demonstrierend. Dazu passt allerdings schlecht, dass die CDU zeitweise erwogen hat, einen Oppositionszuschlag zu fordern, weil ihre Fraktion in dem geschäftsführenden Modell formell keine regierungstragende Funktion habe. Dazu passt ebenso wenig, dass die Christdemokraten zumindest überlegten, neben dem Amt des Landtagspräsidenten, auch einen Vizepräsidenten samt Diäten-Aufschlag und Dienstwagen zu beanspruchen - nicht aus sachlichen, sondern aus Gründen der Besitzstandswahrung. Fest steht: Die geschäftsführenden Regierung Koch und der neue hessische Landtag stehen aufgrund der außergewöhnlichen politischen Konstellation im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Eine Extraportion Bescheidenheit wäre da durchaus angebracht neben Zusatzrationen an Fairness, Geduld und Transparenz.
    Andrea Ypsilanti, Landesvorsitzende der SPD in Hessen, nimmt an der SPD-Präsidiumssitzung in Berlin teil.
    Andrea Ypsilanti hat keine Regeirung bilden können. (AP)
    Hessens Ministerpräsident Roland Koch am Wahlabend im Landtag in Wiesbaden.
    Roland Koch am Wahlabend. (AP)