Ein Mann hockt am Boden, eingewickelt in einen dunkelbraunen Zottelfellumhang. Ein zweiter Mann springt immer aufgeregter um ihn herum, gestikuliert heftiger, steigert sich in wildes Fuchteln hinein – vorwärts soll sich der Zottelfellmann bewegen, nicht nur ruckhaft in Millimeterschritten über den Boden rutschen.
Ist dieses todkomisch misslungene Konversationsstück zwischen zwei Tänzern von William Forsythes Company womöglich die Schlüsselszene seines neuen Stücks? Den Rest des Abends nämlich sprechen alle in Rätseln. Im ersten, "Angoloscuro" – dunkler Winkel – genannten Teil taucht Forsythe die kleine schwarz ausgeschlagene Bühne alle paar Minuten in Stockfinsternis, eine Stunde und fünfzehn Minuten lang. Zwanzig Blackouts macht das. Geht das Licht wieder an, wechselt die Besetzung. Das nächste Paar oder Trio erscheint, einer gibt hässliche, animalische oder dysfunktionale Geräusche von sich, andere illustrieren diese akustische Quälkulisse mit abrupten, unwillentlichen, torkelnden, augenverdrehenden, grimassierenden Bewegungen.
Auf zwei Seiten ist der dunkle Winkel von deckenhohen Aushängen begrenzt, auf zwei Seiten sitzt das Publikum auf schwarzer Holztribüne. Es geht aber nichts weiter von Szene zu Szene, es entwickelt sich nichts. Und die Tänzer können noch so schreckliche Visagen schneiden, man interessiert sich einfach nicht für ihre Figuren. Nicht mal für den, der eine schwarze Strumpfmaske trägt und bäuchlings gebunden umhertorkelt. Nicht mal ernsthaft für die Spukerscheinung in dem schwarzen, wippenden Issey-Miyake-Kostüm mit Kapuze und Klappe vor dem Gesicht. Seltsame Art, ein Stück misslingen zu lassen.
Vielleicht also beschreibt die zum Lachen absurde Sequenz mit dem Fellmann, wie sich der Choreograph als Artist und Narr so fühlt. Er will Bewegung, viel Bewegung, große, weite, hohe, schnelle Bewegungen, und was passiert? Man versteht ihn nicht, die große Geste gibt ihm kein Tänzer mehr, Schluss, aus, die ach so perfekt ausgebildete, menschliche
Kunstabsichtsumsetzungsmaschine des Choreographen funktioniert nicht mehr.
Erstaunt uns das, belustigt es uns über den Moment hinaus? Nein. Denn noch etwas anderes funktioniert an diesem Abend nicht mehr: Das selbstreflexive Moment des Tanztheaters hat sich total erschöpft. Die Nummer zieht nicht mehr. Das Publikum zuckt angesichts der nun schon zum wiederholten Male auf offener Bühne vorgetragenen Probleme des spätavantgardistischen Künstlers – Was mach ich bloß, wie mach ichs bloß, das kann man doch alles nicht mehr machen! – das Publikum zuckt mit den Achseln. Irgendwie will an diesem Abend keine rechte Lust am Rätselraten aufkommen.
Zuschauer von Choreographien William Forsythes haben das Theater schon in allen möglichen Zuständen verlassen: Viele von ihnen waren bestürzt nachdem sie "Decreation" gesehen hatten mit seinen deutlichen Bezügen zu den Geschehnissen des 11. September. Nicht wenige reagierten mit Verstörung auf "Three Atmospheric Studies" und seine Darstellung von Verhör, Misstrauen, Chaos, Verderben, Krieg, und Tod. Bezwingend rätselhaft war "Heterotopia", Forsythes letzte groß angelegte bespielte Installation in der Zürcher Schiffbauhalle. Trotz aller Beklemmung aber verfehlten Forsythes Tänzer doch nie, die absurde, irrwitzige, Ironie herausfordernde Seite des Dramas zu zeigen. Im neuen Stück aber lacht man selten und leider unter Forsythes Niveau.
Der Rest des Abends löst unfassbare Langeweile aus, Langeweile, Komma, gähnende, und Langeweile, Komma, entsetzliche und, Langeweile, tödliche, alle diese vier Langeweilen. Wer hätte für möglich gehalten nach fast einem Vierteljahrhundert, währenddem Forsythe ohne Unterbrechung unsere Vorstellung von Tanz und Theater veränderte, dass man eines Tages in einem Stück von William Forsythe alle drei Minuten auf die Uhr schauen würde?
Der halbstündige, "Camerascura" genannte Epilog, bei dem Dana Caspersen fortfährt, die Probleme der Avantgarde aufzuzählen, macht die Sache nicht besser. Die Camerascura, der dunkle Raum, die Black Box des Theaters, in die der Regisseur Licht wirft und mit dem Licht seine Reflexion der Wirklichkeit, enthüllte dieses Mal kein Geheimnis, keine Erkenntnis, sondern verweigerte uns jeden Grund gekommen zu sein. Das war bitter.
Ist dieses todkomisch misslungene Konversationsstück zwischen zwei Tänzern von William Forsythes Company womöglich die Schlüsselszene seines neuen Stücks? Den Rest des Abends nämlich sprechen alle in Rätseln. Im ersten, "Angoloscuro" – dunkler Winkel – genannten Teil taucht Forsythe die kleine schwarz ausgeschlagene Bühne alle paar Minuten in Stockfinsternis, eine Stunde und fünfzehn Minuten lang. Zwanzig Blackouts macht das. Geht das Licht wieder an, wechselt die Besetzung. Das nächste Paar oder Trio erscheint, einer gibt hässliche, animalische oder dysfunktionale Geräusche von sich, andere illustrieren diese akustische Quälkulisse mit abrupten, unwillentlichen, torkelnden, augenverdrehenden, grimassierenden Bewegungen.
Auf zwei Seiten ist der dunkle Winkel von deckenhohen Aushängen begrenzt, auf zwei Seiten sitzt das Publikum auf schwarzer Holztribüne. Es geht aber nichts weiter von Szene zu Szene, es entwickelt sich nichts. Und die Tänzer können noch so schreckliche Visagen schneiden, man interessiert sich einfach nicht für ihre Figuren. Nicht mal für den, der eine schwarze Strumpfmaske trägt und bäuchlings gebunden umhertorkelt. Nicht mal ernsthaft für die Spukerscheinung in dem schwarzen, wippenden Issey-Miyake-Kostüm mit Kapuze und Klappe vor dem Gesicht. Seltsame Art, ein Stück misslingen zu lassen.
Vielleicht also beschreibt die zum Lachen absurde Sequenz mit dem Fellmann, wie sich der Choreograph als Artist und Narr so fühlt. Er will Bewegung, viel Bewegung, große, weite, hohe, schnelle Bewegungen, und was passiert? Man versteht ihn nicht, die große Geste gibt ihm kein Tänzer mehr, Schluss, aus, die ach so perfekt ausgebildete, menschliche
Kunstabsichtsumsetzungsmaschine des Choreographen funktioniert nicht mehr.
Erstaunt uns das, belustigt es uns über den Moment hinaus? Nein. Denn noch etwas anderes funktioniert an diesem Abend nicht mehr: Das selbstreflexive Moment des Tanztheaters hat sich total erschöpft. Die Nummer zieht nicht mehr. Das Publikum zuckt angesichts der nun schon zum wiederholten Male auf offener Bühne vorgetragenen Probleme des spätavantgardistischen Künstlers – Was mach ich bloß, wie mach ichs bloß, das kann man doch alles nicht mehr machen! – das Publikum zuckt mit den Achseln. Irgendwie will an diesem Abend keine rechte Lust am Rätselraten aufkommen.
Zuschauer von Choreographien William Forsythes haben das Theater schon in allen möglichen Zuständen verlassen: Viele von ihnen waren bestürzt nachdem sie "Decreation" gesehen hatten mit seinen deutlichen Bezügen zu den Geschehnissen des 11. September. Nicht wenige reagierten mit Verstörung auf "Three Atmospheric Studies" und seine Darstellung von Verhör, Misstrauen, Chaos, Verderben, Krieg, und Tod. Bezwingend rätselhaft war "Heterotopia", Forsythes letzte groß angelegte bespielte Installation in der Zürcher Schiffbauhalle. Trotz aller Beklemmung aber verfehlten Forsythes Tänzer doch nie, die absurde, irrwitzige, Ironie herausfordernde Seite des Dramas zu zeigen. Im neuen Stück aber lacht man selten und leider unter Forsythes Niveau.
Der Rest des Abends löst unfassbare Langeweile aus, Langeweile, Komma, gähnende, und Langeweile, Komma, entsetzliche und, Langeweile, tödliche, alle diese vier Langeweilen. Wer hätte für möglich gehalten nach fast einem Vierteljahrhundert, währenddem Forsythe ohne Unterbrechung unsere Vorstellung von Tanz und Theater veränderte, dass man eines Tages in einem Stück von William Forsythe alle drei Minuten auf die Uhr schauen würde?
Der halbstündige, "Camerascura" genannte Epilog, bei dem Dana Caspersen fortfährt, die Probleme der Avantgarde aufzuzählen, macht die Sache nicht besser. Die Camerascura, der dunkle Raum, die Black Box des Theaters, in die der Regisseur Licht wirft und mit dem Licht seine Reflexion der Wirklichkeit, enthüllte dieses Mal kein Geheimnis, keine Erkenntnis, sondern verweigerte uns jeden Grund gekommen zu sein. Das war bitter.