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Hexenverfolgung in Bamberg

In drei Prozesswellen wurden in Bamberg zwischen 1612 und 1631 etwa 1000 Frauen, Männer und Kinder Opfer des Hexenwahns. In den Themenwochen "Hexenverfolgung", die Vorträge, Führungen, Ausstellungen und Lesungen umfasst, stellt sich die Stadt diesem Aspekt ihrer Geschichte.

Von Cajo Kutzbach | 18.10.2012
    "Das ist der berühmte Brief, den der Bamberger Bürgermeister Johannes Junius an seine Tochter Veronika geschrieben hat im Jahre 1628. Und das ist eigentlich das einzige erhalten gebliebene Zeugnis eines Opfers der Hexenjustiz, das aus der Perspektive des Opfers die Qualen, die Nöte, die Drangsal schildert, denen ein solches Opfer ausgesetzt war, und die Widersprüche in denen er sich zwischen dem erzwungenen Zeugnis, das von ihm verlangt wurde, und dem, was für ihn wahr war, auftaten."

    Der Hexenverfolgung fielen auch viele angesehene Bürger zum Opfer, wie der Leiter der Bamberger Staatsbibliothek Professor Werner Taegert in der Ausstellung zeigt.

    Hexenverfolgung hat viele Gründe und das macht es heute schwer, sie zu verstehen. Prof. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger von Oberfranken, der sich intensiv mit der Hexenverfolgung beschäftigt hat, hält die treibenden Kräfte für Überzeugungstäter:

    "Grundsätzlich wird man sagen dürfen, dass die Täter, die politisch Verantwortlichen, die das umgesetzt haben, wohl Überzeugungstäter waren, also der Meinung waren, es gäbe tatsächlich Menschen, die mit dem Teufel im Bunde stünden und die, angespornt und ermächtigt vom Teufel, dann ihren Mitmenschen Schaden zufügen würden. Und diese 'Teufelssekte' sozusagen, die wollte man radikal ausrotten."

    Diese "Teufelssekte" beschrieb der Dominikaner Heinrich Kramer im sogenannten "Hexenhammer", den er 1486 in Speyer veröffentlichte. Im Hexenhammer ist genau beschrieben, wer eine Hexe ist, welche magischen Praktiken Hexen anwandten und wie sie zum Hexensabat an geheimen Orten flogen. Den theologischen Hintergrund skizziert der Kirchenhistoriker und Bamberger Domkapitular Dr.

    Norbert Jung: "Es ist ja eine Jahrhunderte alte Entwicklung. Schon in der Bibel steht ja: 'eine Zauberin sollst du nicht am Leben lassen', die sich dann über die frühen Kirchenväter, unter anderem Augustinus, entwickelt hat, und von da dann aufgegriffen wurde, um in der frühen Neuzeit dann bei diesen großen Hexen Verfolgungs-Wellen eine Rolle zu spielen, zur Rechtfertigung des Umstands, dass man ja Menschen umgebracht hat, absurderweise mit der Begründung, ihnen etwas Gutes zu tun."

    Durch ihr Schuldeingeständnis und die Beichte - so hieß es - würden die Angeklagten vor der ewigen Verdammnis gerettet und durch ihren Tod die Gesellschaft von einem Schwerverbrecher befreit. Bamberg schuf 1507 ein entsprechendes Gesetz. Demnach genügte eine Denunziation, um einen Prozess in Gang zu bringen.

    Die Hexenprozesse im Hochstift Bamberg begannen, wie die Gerichtsakten belegen, 1595 und richteten sich zunächst gegen schwächere Gemeindemitglieder. Diese wurden aus der Stadt zum 30 Kilometer entfernten Hexenturm bei Zeil gebracht, um keine Unruhe in der Bürgerschaft zu erzeugen.

    Bis 1631 starben fast 900 Menschen auf dem Scheiterhaufen. Treibende Kraft dabei war der fanatische Weihbischof Dr. Friedrich Förner, der 1626 wohl auch den Bau eines Hexengefängnisses, des Malefizhauses, in Bamberg anregte. Auch Wetteranomalien, die den Bürgern Angst machten, führten zu Hexenprozessen. Norbert Jung:

    "Den Hexen wurde ja vorgeworfen, dass sie Wetterzauber verursachen würden. Und tatsächlich fanden im Jahr 1626, 27 und 28 nicht nur ungewöhnliche, sondern seit Menschengedenken unerhörte Wetterphänomene statt, die auch ganze Landstriche in die Armut getrieben haben. Das lässt sich flächendeckend nachweisen in unterschiedlichen Städten, in Scheßlitz, in Zeil, in Bamberg haben wir da Chroniken, wo das berichtet wird. Und das konnte sich wirklich niemand erklären. Die Menschen waren wirklich der Überzeugung, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen konnte."

    Bibelverständnis, Hexenglaube, fragwürdige juristische Regelung, Gegenreformation und die sogenannte Kleine Eiszeit brachten gemeinsam vielen Bürgern den Tod auf dem Scheiterhaufen. Wer sich dagegen aussprach, wie etwa der Hochstiftskanzler Dr. Georg Haan, der auch wegen der immensen Kosten die Hexenprozesse einstellen wollte, wurde selbst als Hexer angeklagt und mit seiner ganzen Familie hingerichtet.

    Eine Vitrine in der Ausstellung zeigt Dokumente des Falles einer hochschwangeren Frau, die angeklagt und gefoltert wurde. Ihre Verwandten riefen das höchste Reichsgericht an, das die inzwischen Mutter gewordene frei sprach. Das hatte man in Bamberg wohl befürchtet, den Prozess beschleunigt und sie kurz vor Eintreffen des Gerichtsbescheides hingerichtet. Diese Missachtung des höchsten Gerichtes führte dazu, dass ein kaiserlicher Gesandter die Freilassung der letzten zehn Angeklagten durchsetzte. Ein weiterer Grund für das Ende der Hexenprozesse war der Einfall der Schweden im dreißigjährigen Krieg.

    "Nach dem dreißigjährigen Krieg ist es dann nicht mehr zu Prozesswellen gekommen. Offenbar aufgrund eines Denkwechsels in den Köpfen vor allen Dingen der damaligen Fürstbischöfe, die gemerkt hatten, dass solche Prozesse ein Schaden für's Land werden würden, die vielleicht auch einfach in ihrer ehrlichen eigenen Überzeugung solche Prozesse ablehnten. Es gab ja auch seit dem 16. Jahrhundert schon Schriften gegen Hexenprozesse. Gerade auf dem Höhepunkt der großen Prozesswellen um 1630 oder wenig später haben ja Friedrich Spee von Langenfeld und auf evangelischer Seite der Coburger Gymnasialrektor Johann Matthäus Meyfart gegen die massenhaften Prozesse angeschrieben."

    Wirtschaftlich waren die Prozesse ein Desaster. Die hohen Kosten für Gericht, Gefängnis, Brennholz und Henker, wurden durch die konfiszierten Güter nicht ausgeglichen. Zudem schadete der Verlust von rund 900 Menschen einer Stadt mit 4000 bis 6000 Einwohnern erheblich.

    Letztendlich führte dann auch die Aufklärung zum Ende der Hexenprozesse.

    Das Interesse der heutigen Bamberger an ihrer Vergangenheit ist groß. Werner Taegert erklärt sich das unter anderem mit dem gestiegenen Interesse an der jüngsten Geschichte:

    "Ich denke schon, dass eben die in begrenztem Ausmaße gegebene Übertragbarkeit auf andere Erlebnisse, auch der jüngeren Vergangenheit - ich denke an die dreißiger, vierziger Jahre, wo ja auch Verfolgungen in missbräuchlicher, willkürlicher Weise erfolgt sind - die Menschen einfach dieses Thema beispielhaft aufgreifen lassen, um zu sehen, der Mensch wird einfach nicht besser, lernt aus den Fehler nicht, sondern führt immer in solche Abgründe hinein, die einen erschaudern lassen."