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Hey, hey, Wikiwiki!

"Wikiwiki" ist das hawaiianische Wort für schnell. "Wikipedia" ist ein schnell wachsendes Internet-Wörterbuch mit inzwischen mehr als zwei Millionen Einträgen in mehr als 150 Sprachen. Jeder kann daran mitwirken: Die Wörterbucheinträge stammen von engagierten Freiwilligen. Ob darunter die Qualität der Einträge leidet, ist ein Thema auf dem ersten Treffen der Wikipedia-Macher: dem Kongress "Wikimania" in Frankfurt am Main.

Von Ludger Fittkau | 05.08.2005
    Erik Poscher:
    " Für mich ist das eine große Faszination, dass dieses Werk da ist und frei verfügbar ist. Ich habe dann eigentlich auch so einen Reflex, selber was beizutragen."

    Akzana Kasanzeva:
    " Meiner Meinung nach ist das ganz einfach, wenn du etwas im Kopf hat, kannst du sofort machen. Das ist ein demokratisches Medium."

    Martin Mai:
    " Es scheint bisher zu funktionieren - eine reale Utopie."

    Ob der Soziologe Erik Poscher aus Salzburg, die Lehrerin Akzana Kasanzeva aus Kiew oder der Germanist Martin Mai aus Bamberg - die Wiki-Bessenheit hat sie alle gepackt. In der Frankfurter Jugendherberge zeigt sich beim weltweit ersten Treffen der Wikipedia-Internetgemeinde: Thema ist hier längst nicht mehr nur die schnell wachsende Enzyklopädie im Internet, sondern zum Beispiel auch im die Multimedia-Software von Wikipedia - das so genannte MediaWiki. Martin Mai verwendet sie zum Beispiel in germanistischen Seminaren der Uni Bamberg:

    " Ich verwende das MediaWiki, also die Plattform, die von Wikipedia zur Verfügung gestellt wird, ich arbeite an der Uni und da wird es für Lehrveranstaltungen und so weiter eingesetzt."

    Martin Mai wird die gesamte Wikimania-Veranstaltung in Frankfurt am Main per Mikrofon aufzeichnen - und als Audiodatei ins Internet stellen.

    Wiki ist also mehr als das Online-Wörterbuch - doch die Internet-Enzyklopädie ist das bisher bekannteste Projekt der Wiki-Begeisterten.

    Für Sisai Fusaha aus Äthiopien, der in Saarbrücken Informatik studiert hat und zur Zeit an der Universität Amsterdam arbeitet, ist der kostenlose Zugang zum Wikipedia-Wörterbuch im Netz vor allem eine große Chance für die Dritte Welt:

    " Ja, zum Beispiel sie können das übersetzen und in ihrer eigenen Sprache haben. Ich meine, eines der Probleme ist das Copyright, meistens bei den Informationen. Wikipedia ist frei und sie können das verwenden und übersetzen in ihre eigene Sprache."

    Der junge Informatiker aus Äthiopien ist nach Frankfurt zu kommen, um eine Idee zu diskutieren, wie man den Zugang zum Wörterbuch im Internet verfeinern kann.

    Sisai Fusaha möchte, dass man künftig bei Wikipedia beispielsweise ganz konkret nach dem Geburtsdatum der Ehefrau von Johann Sebastian Bach fragen kann und der Computer dann als Antwort nicht den ganzen Internet-Artikel zum Komponisten ausspuckt, sondern wirklich nur die gefragte Zahl:

    " Aber das hat noch nicht angefangen, aber ich versuche, so was ähnliches zum machen."

    Weil bei Wikipedia zunächst jeder ungefiltert einen Wörterbucheintrag machen kann, gibt es die Kritik, das Projekt öffne Selbstdarstellern, politischen Fanatiker oder Sekten Tür und Tor. Doch wenn es zu arg wird, können registrierte Wikipedia-Macher - so genannte Administratoren - durchaus eingreifen:

    So wurde beispielsweise in Deutschland der Artikel " Sexueller Missbrauch von Kindern" aus dem Netz genommen werden, weil die Folgen des Missbrauchs verharmlos wurden.

    Neben der Kontrolle durch den eingetragenen Verein "Wikipedia" sieht der Bamberger Wissenschaftler Martin Mai jedoch noch eine andere wirksame Methode, fragwürdige Eintragungen bei Wikipedia zu verhindern:

    " Durch Selberdenken der Rezipienten. Das wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Das ist ja auch bei anderen Medien, wo ich drauf vertraue, dass es gut ist: Wenn ich das Mitdenken ausschalte, ist vielleicht die Gefahr auch da. Wenn ich weiß, es könnte manipuliert sein, bin ich vielleicht sogar sensibilisierter."

    Jeder könne doch online die Artikel kommentieren oder selbst verbessern, so Mai: Der öffentliche Streit im Internet über einen Wörterbucheintrag steigere letztendlich die inhaltliche Qualität der Online-Artikel ungemein. Das ist aber auch nötig: Bis heute gilt Wikipedia in den wissenschaftlichen Arbeiten vieler Fächer nicht als zitierfähig. Der Salzburger Erik Poscher glaubt allerdings, dass gerade die Wissenschaften von der Wiki-Bewegung in Zukunft profitieren werden.

    " Es wird ja auch darüber gesprochen, Wikis für wissenschaftliche Projekte einzusetzen, gerade im wissenschaftlichen Bereich wird immer mehr publiziert und zitiert und wieder publiziert und wenn man einen gemeinsamen Text gemeinsam weiterentwickelt, könnte das doch um einiges übersichtlicher werden. "

    Wie es aussieht, steht die Wiki-Bewegung also vor weiteren virtuellen Höhenflügen. Doch gefragt, welche Wörter er denn so im Internet-Wörterbuch nachschlage, gibt der Bamberger Martin Mai eine sehr erdverbundene Antwort:

    " Ich habe zuletzt Küchenkräuter, die bei mir im Garten herum standen, nachgeschlagen, weil ich mir nicht sicher war, was das ist. Oder auch Nadelbäume."