Gestern wieder Olympische Kältespiele geguckt und mir sagen lassen, dass die Moral von dieser oder jeder Mannschaft ungebrochen sei. Dann kam einer der ewig stammelnden Verlierer zu Wort und musste erklären, warum er sich auf den letzten Metern von einem Konkurrenten überholen ließ. Der habe die größere Moral gehabt, keuchte er ins Mikrofon. Er meinte damit nicht, der Gegner habe in den Bergen weniger gesoffen und gehurt oder sich sonstwie durch Sittenstrenge ausgezeichnet, sondern... Ja, was meinte er eigentlich? Was bedeutet es, wenn jemand jemandem bei sportlicher Betätigung "die Moral stärkt"? Und vor allem: wo kommt dieser sonderbare Sprachgebrauch bloß her?
Nach Auskunft aller Lexika bezeichnet der Begriff Moral zum einen das übergesetzliche Normengefüge, das die von der Gesellschaft für verbindlich gehaltenen Werte umfaßt, zum anderen den jeweils vom Einzelnen verinnerlichten Wertekanon sowie zum dritten – und zwar in der Literatur – die quintessenzielle Nutzanwendung einer Erzählung. Niemals aber hat Moral jene Bedeutung, die der journalistische Jargon unterstellt: nämlich so etwas wie psychische Kraft, Seelenstärke oder einfach gute Laune.
Doch jetzt können wir live erleben, wie durch die Schlamp-Sprache der Sportreporter eine radikal falsche Ausdrucksweise medial triumphiert. Ständig ist von Moral im Sinne von Durchhaltevermögen die Rede, und natürlich plappert schon das ganze Volk den Unsinn nach. Dabei haben wir doch einst im Französischunterricht gelernt, dass man "avoir le moral" eben nicht mit "Moral haben" übersetzen kann. Es handelt sich um eine jener Mißverständnisfallen, wie es sie häufig zwischen Sprachen gibt: der deutsche Chicorée zum Beispiel heißt auf französisch "endives", und unser Endiviensalat heißt auf französisch "chicorée".
Was beim Gemüse indes allenfalls den Gaumen verwirrt, das geht einem so richtig auf den Geist, wenn Leibesübungen und Ethik im Redeeintopf zusammengerührt werden. Zugegeben, "remonter le moral" klingt irgendwie schicker als "jemanden seelisch stärken", es klingt entschiedener und auch entschieden fremder, sodaß selbst der eingedeutschte Abklatsch "die Moral stärken" noch einen gewissen Kick hat. Das Schräge daran ist gerade die Bezugnahme auf eine philosophische Begrifflichkeit, die einen, der damit hantiert, so souverän erscheinen lässt.
Und auf Souveränität kommt es bei dem fürchterlichen Sportgequassel ja besonders an. Niemand begnügt sich mehr mit muskulären Vorgängen, nein – egal, ob gewonnen oder verloren, stets werden geistige Prozesse thematisiert. Müssen ja, auch, sonst wären die Interviews recht kurz. Über seelische Befindlichkeiten lässt sich viel länger schwadronieren. Der Zuschauer geht derweil an den Kühlschrank und holt sich noch ein Bier. Das hebt auch die Moral.
Nach Auskunft aller Lexika bezeichnet der Begriff Moral zum einen das übergesetzliche Normengefüge, das die von der Gesellschaft für verbindlich gehaltenen Werte umfaßt, zum anderen den jeweils vom Einzelnen verinnerlichten Wertekanon sowie zum dritten – und zwar in der Literatur – die quintessenzielle Nutzanwendung einer Erzählung. Niemals aber hat Moral jene Bedeutung, die der journalistische Jargon unterstellt: nämlich so etwas wie psychische Kraft, Seelenstärke oder einfach gute Laune.
Doch jetzt können wir live erleben, wie durch die Schlamp-Sprache der Sportreporter eine radikal falsche Ausdrucksweise medial triumphiert. Ständig ist von Moral im Sinne von Durchhaltevermögen die Rede, und natürlich plappert schon das ganze Volk den Unsinn nach. Dabei haben wir doch einst im Französischunterricht gelernt, dass man "avoir le moral" eben nicht mit "Moral haben" übersetzen kann. Es handelt sich um eine jener Mißverständnisfallen, wie es sie häufig zwischen Sprachen gibt: der deutsche Chicorée zum Beispiel heißt auf französisch "endives", und unser Endiviensalat heißt auf französisch "chicorée".
Was beim Gemüse indes allenfalls den Gaumen verwirrt, das geht einem so richtig auf den Geist, wenn Leibesübungen und Ethik im Redeeintopf zusammengerührt werden. Zugegeben, "remonter le moral" klingt irgendwie schicker als "jemanden seelisch stärken", es klingt entschiedener und auch entschieden fremder, sodaß selbst der eingedeutschte Abklatsch "die Moral stärken" noch einen gewissen Kick hat. Das Schräge daran ist gerade die Bezugnahme auf eine philosophische Begrifflichkeit, die einen, der damit hantiert, so souverän erscheinen lässt.
Und auf Souveränität kommt es bei dem fürchterlichen Sportgequassel ja besonders an. Niemand begnügt sich mehr mit muskulären Vorgängen, nein – egal, ob gewonnen oder verloren, stets werden geistige Prozesse thematisiert. Müssen ja, auch, sonst wären die Interviews recht kurz. Über seelische Befindlichkeiten lässt sich viel länger schwadronieren. Der Zuschauer geht derweil an den Kühlschrank und holt sich noch ein Bier. Das hebt auch die Moral.