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High-Tech im Hintergrund

Der auf den Dächern gewonnene Solarstrom muss irgendwie ins Netz - und dafür sorgen unscheinbare kleine Kästen, so genannte Wechselrichter, ohne die keine Solaranlage auskommt. Hergestellt werden sie unter anderem von der Firma SMA im nordhessischen Niestetal. Von dort kommt die High-Tech im Hintergrund, ohne die bei Solaranlagen nichts flösse - erst recht kein Strom.

Von Gudula Geuther |
    "Das ist Hessens größte integrierte Solarstromanlage. Mit dem Dach können Sie 40 vier-Personen-Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen. "
    Der Eindruck täuscht: Die Firma SMA im Kasseler Vorort Niestetal verdient ihr Geld zwar vor allem mit Solartechnik, aber nicht mit den weithin sichtbaren Kollektoren. Der Firmen-Sprecher Jörg Sebald deutet auf eine Wand aus grauen Kästen im Hof, neben dem Glasdach.

    "Das ist ein großes Testcenter für Wechselrichter. Rechts sind kleinere Wechselrichter, mit sechs KW die einzelnen. Links ein großer Zentralwechselrichter, 100 KW."

    Mit gut 1000 Mitarbeitern ist SMA einer der Größeren in der alternativen Energie-Branche - und wirkt doch eher im Hintergrund. In Niestetal entsteht die Mikroprozessor-, die Regelungs- und Systemtechnik für die Anlagen, unter anderem die Technik, die dafür sorgt, dass der alternativ erzeugte Gleichstrom als Wechselstrom in die Netze eingespeist werden kann. Ein Boomgeschäft: Die Mitarbeiterzahl hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt, der Umsatz stieg von 100 Millionen Euro 2003 innerhalb eines Jahres auf 180 Millionen. Mit dem Gewinn kann die Firma mehr als zufrieden sein, der Exportanteil liegt bei ausbaufähigen 15 Prozent. Der Umsatzsprung gerade im Jahr 2004 zeigt, wie sehr das Unternehmen von der gesetzlichen Förderung profitiert: In dem Jahr wurde mit der Neufassung des Gesetzes über Erneuerbare Energien der Solarstrom noch einmal attraktiver. Bloßes Glück ist das aber nicht, glaubt einer der drei Firmengründer und Vorstände, Günther Cramer.

    "Also, dass es überhaupt Modethema geworden ist, dazu haben wir glaube ich auch einen eigenen großen Beitrag geleistet. Denn wir haben sehr früh begonnen, Photovoltaik und Systemtechnik für Photovoltaik zu entwickeln. So dass wir dann auch eine Technik parat hatten, als es erste Förderungsansätze für Photovoltaik in Deutschland gab. Da waren wir natürlich auch begleitend in diesen politischen Prozessen."

    Politische Prozesse begleiten – aktives Lobbying für alternative Energien – das wird dem Unternehmen auch durch seine Lage erleichtert. Im strukturarmen Nordhessen sind innovative Betriebe beliebtes Ziel von Politikern in Vorwahlzeiten. Frühzeitig zukunftsfähige Produkte zu erkennen und zu entwickeln, auch bevor der Markt sie fordert – und sie dann auch unter Einsatz politischer Kontakte zu vermarkten, das ist das Erfolgsrezept der Firma.

    Die Systemtechnik - das sind im Fall von SMA heute vor allem Wechselrichter. Die Kästen also, die den Ökostrom vor der Einspeisung umwandeln. Klein und blau für die Heimproduktion.
    Aber selbst die Zentalwechselrichter für Großanlagen unterscheiden sich äußerlich kaum von einem handelsüblichen Sicherungskasten. Innendrin steckt das Herzstück der Anlage. Jörg Sebald demonstriert, wie eine der Maschinen in der fußballfeldgroßen Fertigungshalle die Platinen zusammensetzt.

    "Wie diese zwei Köpfe, der vordere und der hintere, sich aus diesen Rollen die Einzelteile rauspickt, in einer affenartigen Geschwindigkeit, und die in die Platinen, die von links reinwandern, überall reinsetzt. Und diese ganzen Bauteile, die sehen Sie ja hier auf diesen Rollen, das sind alles einzelne kleine Bauteile, die da vorne von dem Setzkopf abgenommen werden."

    Bis zu 45.000 Bauteile in der Stunde schafft die größte Maschine. Technik für die Solaranlagen, aber auch für Bahntechnik oder Windkraft. Ein inzwischen kleinerer Bereich für die Firma, anders als in den Anfängen. Als die drei Vorstände noch wissenschaftliche Mitarbeiter an der – damals noch: - Gesamthochschule Kassel waren. Und sich dann 1981 selbständig machten. Als Technik-Pioniere, in Zusammenarbeit mit der Universität, wie heute noch.

    "Damals gab es Photovoltaik quasi noch gar nicht, damals war die Windenergie in den Anfängen. Das war die Zeit, als Growian, diese große Windenergieanlage mit zwei Megawatt in Norddeutschland gebaut worden ist. Für diese Anlage haben wir schon Regelung gerechnet und simuliert und auch dann mit bei der Inbetriebnahme geholfen und haben dann weitere große Anlagen im Megawatt-Bereich, internationale Anlagen, schwedische, dänische und so weiter mit entwickelt – und das waren erst einmal die Schwerpunktthemen."

    Von da zur Solartechnik war es ein kleiner Schritt, sagt Firmenchef Günther Cramer. Heute arbeiten 80 Prozent der Mitarbeiter in der Solartechnik. Wieder betont Günther Cramer: Das Geheimnis im Energiemarkt besteht darin, schon da zu sein, wenn die Nachfrage kommt. Deshalb arbeitet er mit Kollegen heute verstärkt an den Chancen, die die dezentrale Energie bietet: So genannte Insellösungen, die unabhängig von existierenden Netzen arbeiten können. Derzeit fast ausschließlich ein Zuschussgeschäft, so Cramer, denn der deutsche Bedarf ist gering:

    "Es gibt weltweit etwa zwei Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu elektrischem Strom und Wasser haben. Hier ist ein Riesen-Bedarf – ich betone: Bedarf. Weil es ist noch kein Markt. Weil diese Menschen in der Regel auch nicht über große finanzielle Mittel verfügen. Aber trotzdem ist das eine Aufgabe, die wir zu lösen haben – auch politisch zu lösen haben."

    Eine Aufgabe, die für SMA zweierlei bedeutet: Technisch, die passenden autarken Solaranlagen zu entwickeln – möglichst so, dass sie mit dem steigenden Bedarf mitwachsen können. Ähnlich wichtig, glaubt Günther Cramer, ist aber Lobbying und Politik. Denn der Vertrieb in ärmere Länder läuft in aller Regel über öffentlich geförderte Kredite. Und so ist es aus Sicht von Günter Cramer auch kein Nachteil, dass etwa die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiezcoriek-Zeul oder der frühere hessische Umweltminister Joschka Fischer aus Hessen kommen.

    "Politisch verfolgen wir das dahingehend, dass wir natürlich auch sagen, dass wir von unserer Seite ne große auch Eigenleistung gebracht haben. Dass wir nämlich diese Technologie auch entwickelt haben, obwohl wir ganz klar gesehen haben, dass wir hier kurzfristig keinen Markt haben ohne die Unterstützung der Politik. Wir hatten auch im letzten Jahr fünf Mitglieder des Kabinetts im Haus gehabt. Nichtdesto trotz mahlen dort die Mühlen noch zu langsam. "

    Das Erfolgsrezept – der frühe Riecher für das Produkt und ein Händchen für die Vermarktung auch mit Hilfe der Politik – könnte also auch hier wieder zum Ziel führen. Wenn auch noch offen ist, wann.