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Hightech-Schnüffler gegen Schuhbomber

Technik. - Seit den Terroranschlägen vom 11. September wurden die Sicherheits-Checks insbesondere an Flughäfen nochmals drastisch verschärft und die Fluggäste und deren Gepäck seither penibelst auf Waffen und vor allem Sprengstoff durchsucht. Besonders tückisch ist dabei der Plastiksprengstoff, der von Metalldetektoren und Röntgengeräten – bislang die Hauptsuchhilfen der Sicherheitsbehörden– kaum entdeckt werden kann. Spürhunde können hier besser helfen, doch reicht ihre Zahl für umfassende Kontrollen nicht aus. Ein neuartiger Detektor springt jetzt in die Lücke: das Gerät ermittelt selbst geringste Spuren an explosivem Kunststoff in der Luft.

    Von Frank Grotelüschen

    22. Dezember 2001. In Paris besteigt ein Mann die American Airlines-Maschine nach Miami. Als das Flugzeug in der Luft ist, will er eine aus seinen Schuhen ragende Zündschnur anstecken. Zum Glück sieht das eine Flugbegleiterin, und der Mann kann von Passagieren überwältigt werden. Am nächsten Tag sprechen die Medien vom Schuhbomber, denn der Terrorist hatte seine Schuhe mit Plastiksprengstoff vollgestopft. Die Sicherheitskontrollen am Flughafen hatte er unbehelligt passieren können. Denn:

    Metalldetektoren können keine Plastiksprengstoffe aufspüren,

    sagt Lal Pinnaduwage, Physiker am Oak Ridge National Lab im US-Bundesstaat Tennessee. Zwar gibt es Detektoren für "PETN" oder "RDX", so die Kürzel der beiden wichtigsten Plastiksprengstoffe. Aber diese Detektoren sind für den Einsatz am Flughafen zu teuer und zu groß. Also ließen sich Pinnaduwage und seine Leute etwas Kleineres, Kompaktes einfallen:

    Stellen Sie sich ein winziges Sprungbrett vor, eine Blattfeder, wesentlich kleiner als ein Millimeter. Die eine Seite dieser Blattfeder haben wir mit einer Substanz beschichtet, an der die Sprengstoffmoleküle kleben bleiben können. Die gegenüber liegende Seite blieb unbeschichtet.

    Setzt man dieses Minisprungbrett nun sprengstoffhaltiger Luft aus, so bleiben die explosiven Moleküle auf der beschichteten Seite kleben, auf der anderen nicht. Die Folge:

    Die beschichtete Oberfläche streckt sich viel stärker als die unbeschichtete. Und dadurch verbiegt sich die kleine Blattfeder. Wie stark sie sich verbiegt, das erfassen wir mit einem kleinen Lasersystem. Und zwar lenkt die Feder beim Verbiegen den Laserstrahl ein wenig ab. Genau diese Ablenkung ist es, die wir mit einer kleinen Kamera messen.

    Um ihren Sensor auszuprobieren, ließen die US-Physiker ihn 20 Sekunden lang von Luft umströmen, die geringe Spuren an Plastiksprengstoff enthielt. Das Resultat war durchaus beeindruckend:

    Die Empfindlichkeit ist extrem hoch. Unser Sensor schlägt selbst dann noch an, wenn sich unter einer Billion Luftteilchen gerade mal 14 Sprengstoffmoleküle finden. Das ist mindestens 100 Mal genauer als beim Ionenmobilitätsspektrometer. So heißt der beste Sensor, den man heute verwendet.

    Das Grundprinzip funktioniert, das haben Pinnaduwage und seine Leute also bewiesen. Ein Problem aber haben sie noch nicht restlos gelöst: Es muss natürlich gewährleistet sein, dass sich ausschließlich Sprengstoffmoleküle auf der beschichteten Blattfeder niederlassen und keine anderen Substanzen. Sonst nämlich droht manch peinlicher Fehlalarm.

    Wir haben das zwar erfolgreich mit Geruchsstoffen wie Alkoholen getestet. Alkohole sind ja Bestandteile zum Beispiel von Parfümen. Aber bevor man unseren Sensor wirklich einsetzen kann, müssen wir noch bei vielen anderen Geruchsstoffen prüfen, ob sie den Sensor nicht versehentlich auslösen.

    Binnen eines Jahres wollen die Forscher das erledigt und einen passablen Prototypen präsentiert haben. Pinnaduwage:

    Ein Vorteil ist, dass man einen sehr kleinen, einen tragbaren Sensor bauen kann. Zuerst denken wir an ein Gerät, das nur wenig größer ist als ein Taschenrechner. Außerdem dürfte unser Sensor deutlich kostengünstiger sein als die heutige Detektoren. Die Blattfeder selber ist spottbillig, sie kostet gerade mal einen Dollar. Etwas teurer ist das Drumherum, insbesondere die Elektronik, sodass ich für die erste Version mit einem Preis von einigen 1000 Dollar rechne.

    Und damit wäre der Sprengstoffsensor dann durchaus interessant für den Routineeinsatz an internationalen Flughäfen.