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Hijabista
Sie sind jung, modisch - und tragen Kopftuch

Viele junge muslimische Frauen tragen ihr Kopftuch aus freien Stücken und weil sie religiös sind. Sie kombinieren zum Kopftuch modische Kleidung - und posten ihr Outfit auf Instagram. Ihr Hashtag: #hijabista, die Fashionista mit Hijab.

Von Gesine Kühne | 26.07.2017
    Eine #hijabista im Sommer - Kollektion vom Label Mizaan
    Eine #hijabista im Sommer - Kollektion vom Label Mizaan (Selma Lebdiri (Lebdiri Studios))
    Es ist ein kühler, regnerischer Tag in Berlin. In einem wohlriechenden Laden steht Hatice Ak hinter einem Tresen mit vielen verschiedenen Nussmischungen, die sie verkauft. Sie trägt eine knöchellange graue Jeans, dazu Turnschuhe zum Reinschlüpfen, eine dunkelgrüne Bluse und ein schwarzes Kopftuch, das ihr freundliches Gesicht umrahmt. Hatice Ak:
    "Ich müsste eigentlich bis hier ganz nach unten bedeckt sein, aber mache ich halt nicht, bin immer bis zum Knie bedeckt."
    Hatice Ak ist 22 Jahre alt, Berlinerin. Sie trägt ihr Kopftuch aus religiöser Überzeugung. Ihr Papa hat sie zwar vor zehn Jahren geködert - wenn sie anfinge es zu tragen, bekäme sie eine Playstation und 100 Euro - heute gehört es ganz selbstverständlich und selbst gewählt zu ihr und ihrem Kleidungsstil.
    "Meine Kopftücher sind meistens so dunkelfarbige und ich gucke immer auf Youtube Videos, wie man die Kopftücher bindet."
    Globale Trends mit Kopftuch
    Youtube ist eine Plattform, die junge, modische Muslima weltweit verbindet, eine andere, viel wichtigere: Instagram. Auf der Fotoplattform zeigen junge Frauen aus aller Welt jeden Tag, wie sie globale Trends, wie Jeansjacken, Turnschuhe und übergroße Sonnenbrillen zu ihrem Kopftuch kombinieren. Die Markierung #hijabista dahinter weißt darauf hin, dass diese Frauen Fashionista mit Hijab sind. Ihre Stilrichtung: Modest Fahion. Anständige, sittsame Mode.
    "2007 habe ich mit der Ausbildung angefangen, da gab es den Begriff 'Modest Fashion' noch gar nicht."
    sagt Meriem Lepdiri. Sie ist Modedesignerin. Die 29-Jährige entwirft zum Beispiel lange Kleider, mit langen Ärmeln, mal elegant, mal mit grafischen Mustern, die dem Zeitgeist entsprechen. Die gebürtige Algerierin ist gläubige Muslimin, beim Entwerfen der Kollektionen für ihr Label "Mizaan" stünde ihr Glauben aber nicht im Vordergrund, sondern die Bedürfnisse vieler Frauen in Deutschland, die von der Modeindustrie lange übersehen wurden.
    Diversität mit "sittsamer" Mode
    "Der deutsche Markt ist speziell, da fehlt es immer noch an Diversität. Dass heißt, was man sieht. ist die, ich nenn es mal in Anführungsstrichen, 'normale Mode', die ein normaler, weißer Mensch tragen würde, einfach Mainstreamfashion ist das, was es gibt. Und das, was fehlt ist Diversität, dass man auch an andere Frauen denkt."
    Es ist tatsächlich dem Internet zu verdanken, dass zumindest europa- und weltweit die Auswahl für religiöse - seien es christliche, jüdische oder muslimische - modeaffine Frauen gewachsen ist, sagt Reina Lewis. Die Professorin vom London College of Fashion forscht schon über 20 Jahre in Richtung Mode und Religion.
    "Es hat den Frauen die Möglichkeit eröffnet, ihre eigenen Firmen zu gründen und miteinander zu reden. Das war für viele Frauen eine große Hilfe."
    Das Internet, vor allem die Plattform "Instagram" hat natürlich auch großen Firmen einen Einblick gewährt, dass es tatsächlich noch Bedürfnisse auf dem sonst sehr gesättigten Modemarkt gibt. So brachte Dolce & Gabbana im letzten Jahr eine Hijab-Kollektion raus. "Modest Fashion" für den kleineren Geldbeutel hat dann das japanische Unternehmen "Uniqlo" auf den Markt gebracht. Und auch Globalplayer "Nike" mischt mit und kündigte vor ein paar Monaten an, dass es ab Anfang nächsten Jahren das Sportkopftuch "Nike Pro Hihab" gibt. Meriem Lepdiri sagt:
    "Ich denke, dass es auch sehr empowernd für die Mädchen ist, dass sie sich eben wiederfinden."
    Empowerment - darum ginge es bei "Modest Fashion" erklärt Meriem Lepdiri. Die Ermächtigung von Frauen zur Selbstbestimmung. Ohne Unterdrückung aus den konservativen Lagern ihrer Religion und ohne Vorurteile einer vermeintlich offenen Gesellschaft wie die in Deutschland.