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Hilfe aus dem Schweinestall

Medizin. - Herzklappen vom Schwein – das ist heute in vielen Kliniken Routine. Dabei haben die transplantierten Herzklappen allerdings nichts schweinisches mehr an sich – denn sie sind vorher chemisch behandelt worden. Als Wiener Ärzte nun auch Kindern Herzklappen von Schweinen verpflanzen wollten, machte sich erst mal niemand Sorgen. Im Gegenteil: Die Schweineherzklappen sollten von den eigenen Zellen der jungen Patienten besiedelt werden und so sogar die Fähigkeit besitzen mitzuwachsen. Aber das Experiment schlug fehl: Vier Kinder starben, weil die verpflanzten Herzklappen tatsächlich noch Schweinezellen enthielten und deswegen eine schwere Immunreaktion hervorriefen. Trotz dieser Erfahrungen kann Material aus Schweinen jedoch eine große Chance für die Transplanationsmedizin bedeuten, wie auf dem Regenerationsbiologie in Stuttgart deutlich wurde.

Von Kristin Raabe |
    Hinter dem Patienten lag ein monatelanger Leidensweg. Erst die Diagnose Krebs, dann monatelanges Liegen auf der Intensivstation im Hals einen Tubus für die Beatmung. Als das alles überstanden war, hinterließ der lebensrettende Beatmungsschlauch in der Luftröhre eine Verletzung, die immer wieder eine Rückkehr ins Krankenhaus erforderte. An den Verletzungsstellen sorgten, die mit der Atemluft einströmenden Bakterien immer wieder für gefährliche Infektionen.

    Dann müssen diese Patienten "gefenstert" werden, das heißt die haben große Löcher im Brustkorb, aus denen dann Eiter und Bakterien entfernt werden und diese Patienten liegen dann auf Intensivstationen und man kann eigentlich nichts machen.

    Heike Mertsching vom Fraunhofer Institut in Stuttgart suchte nach einem Weg, um die Luftröhre solcher Patienten zu flicken. Und das war eine ziemliche Herausforderung. Denn die Luftröhre ist von vielen hauchzarten Blutgefäßen durchflossen. Solche Blutgefäße musste die Wissenschaftlerin im Labor herstellen.

    Wir isolieren die entsprechenden Blutgefäße...aus dem Schwein, bauen die Schweinezellen ab und diese feinen Strukturen...sind Teile des Darms, die wir aus dem Schwein isolieren und dann ein Verfahren entwickelt haben, um diese Schweinezellen zu entfernen aber diese Röhrenstrukturen, also diese Wandstrukturen zellfrei als Röhrenstrukturen zu erhalten. Und das war eigentlich schon eine große Arbeit und ein schwieriger Schritt.

    Aber feine Kapillaren, die eigentlich nur aus Kollagenfasern bestehen, können noch keine Luftröhre flicken. Die Kollagenwand dieser Blutgefäße brauchte genau wie in menschlichen Kapillaren eine Tapete. Diese Tapete bilden normalerweise sogenannte Endothelzellen. Die konnte Heike Mertsching im Labor wachsen lassen. Dazu mussten Ärzte den Patienten mit einem ungefährlichen Eingriff Stammzellen aus dem Knochenmark entnehmen. Diese Stammzellen bildeten schließlich Endothelzellen, mit denen sich die Wand der Blutgefäße aus den Schweinen auskleiden ließ.

    Wenn wir diese Zellen anfangen im Labor auf diese Schweinematrix zu besiedeln und die idealen Kulturbedingungen wählen. ...Dann können wir diese menschlichen Zellen dazu stimulieren, die Schweinematrix also die eigentliche Wand abzubauen und ihre eigene menschliche Wand, also ihre menschlichen Kollagene zu synthetisieren, also sie fangen an diese Wandstrukturen umzubauen, was man im Fachbegriff als Remoddelling bezeichnet, dass ist aber ganz wesentlich abhängig von den Kulturbedingungen.

    Am Ende hatte Heike Mertsching in ihrem Labor hauzarte menschliche Blutgefäße, die genau zu dem Patienten passten, von dem die Stammzellen aus dem Knochenmark stammten. Die Schweine hatten lediglich ein Gerüst zur Verfügung gestellt, an dem die menschlichen Zellen wachsen konnten. Insgesamt vier Patienten tragen inzwischen einen Flicken auf ihrer Luftröhre, der aus Blutgefäßen besteht, die in Heike Mertschings Labor entstanden sind.

    Der erste Patient, den wir therapiert haben, das war ein Landwirt, der vorher viel draußen war, sich bewegt hat und der 14 Tage nach der Operation das Krankenhaus verlassen kann und eben seither mit seinem Hund spazieren geht. Und einfach das Leben genießen kann. Was für mich auch sehr eindrucksvoll war, einfach zu sehen, dass man helfen kann.