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Hilfe bei Haarausfall

Trotz innovativer Haarkosmetik und medizinischem Fortschritt: immer mehr Menschen verlieren ihre Haare. Daran Schuld könnten neben Erbfaktoren auch äußere Einflüsse und Stress sein. Besonders Frauen leiden unter den sozialen Folgen. Etwa 20 Prozent der weiblichen Bevölkerung weisen schon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren deutliche Haarlichtungen auf, ab 50 sogar vier von zehn Frauen. Bei Männern ist der Verlust noch augenscheinlicher. Auf dem Kongress "Hair 2004" letzte Woche in Berlin haben Wissenschaftler aus aller Welt neue Behandlungsmöglichkeiten vorgestellt.

Von William Vorsatz | 22.06.2004
    Bei den Haarsprechstunden an der Berliner Charite herrscht immer Hochbetrieb. Und die Zahl der Besucher wächst weiter. Etwa die Hälfte der Patienten kommt wegen anlagebedingten Haarausfällen. Bei den anderen sind Krankheiten oder Behandlungen wie etwa Chemotherapien die Ursache. Professor Ulrike Blume-Peytavi:

    Wir haben eine Zunahme der Haarerkrankungen, gerade auch der immunologischen Haarerkrankungen, des vernarbenden Haarausfalls, wo eben das Immunsystem verrückt spielt, wir sehen auch das assoziierte Auftreten von Allergien, diese nehmen ja auch zu, so dass möglicherweise auch Störfaktoren des Immunsystems häufiger werden, aber auch viele Frauen sind sehr viel mehr im Berufsleben, haben auch sehr viel mehr Stress, so dass die Kortisolproduktion höher geht, Prolaktin geht höher, als Stresshormone, und diese Hormone führen dann auch wieder zu vermehrtem Haarausfall. Wir haben einen Wandel in der Gesellschaft, in den Funktionen von Mann und Frau sicherlich auch, aber vor allem auch durch die Hormonfaktoren und Stressfaktoren Haarausfall.

    Seit drei Monaten ist mit Minoxidil ein Wirkstoff zugelassen, der gegen anlagebedingten Haarausfall hilft. Eigentlich war er als Blutdrucksenker gedacht, und ist durch seine Nebenwirkungen aufgefallen: den Haarwuchs anzuregen. Auf die Kopfhaut aufgetragen, eignet er sich vor allem für Frauen. Sie konnten andere Haarwuchsmittel oft nicht nehmen, wegen spezifischer Nebenwirkungen, von denen Männer verschont bleiben. Minoxidil stimuliert den Gefäßstoffwechsel und wird in anderen Ländern schon sein Jahren erfolgreich angewendet. Bei jeder dritten Frau führt die Behandlung nach drei Monaten zu deutlich dichteren Haaren im Mittelscheitelbereich, der Region, die sich bei Frauen am ehesten lichtet. Die 2-prozentige Lösung verursacht nur sehr selten Nebenwirkungen. Für Prof. Blume-Peytavi noch zu viel. Sie will das Übel direkt an der Wurzel packen, an der Haarwurzel besser gesagt:

    Hier an der Charité haben wir ein klinisches Forschungszentrum für Haare und Hautphysiologie, wo wir uns in der Forschung schwerpunktmäßig mit dem so ganannten "Follicular Targeting" beschäftigen, das heißt also Zielstruktur erreichen im Haarfollikel, die das Haarwachstum beeinflussen, wo man es regulieren kann. Da beschäftigen wir uns damit, dass wir eben kleine Moleküle unterschiedlicher Größe in den Haarfolikel hineinbringen wollen., zur Talkdrüse, zu den Stammzellen, zu den Pigmenten bildenden Zellen, um hier dann Wirkungen ganz gezielt vor Ort zu erreichen, um eben keinen Gesamtnebenwirkungen für den Körper zu haben, und auch lokale Wirkungen auf der Haut nur wenige zu haben.

    Die nanometergroßen Molekülkapseln mit den speziellen Wirkstoffen sollen direkt auf die Kopfhaut aufgetragen werden. Je nach Größe sinken die Transportkapseln dann unterschiedlich tief in den Haarkanal hinab, Bei Haarausfall etwa wird der untere ´Bereich des Haarbalgs angesteuert, bei Erkrankungen der Talkdrüsen, zum Beispiel Akne, der obere Teil. Keine grauen Haare mehr? Auch das soll dann durch gesteuerte Pigmentbildung möglich sein: In drei bis fünf Jahren. Ein paar Jahre länger noch wird wohl die Verpflanzung von jungen undifferenzierten Haarzellen auf sich warten lassen, schätzt Professor Rolf Hoffmann vom "Dermaticum", einer Haut-Praxis in Freiburg:

    Das sind Zellen der Haarwurzel, also tief unten am Ende der Haarwurzelspitze sind Fibroplasten, also so Bindegewebszellen, und wenn man diese isoliert, in Kultur nimmt, also in Zellkultur, und die dem Körper wieder gibt, dann sind diese Zellen in der Lage, dort wieder ein Haar sprießen zu lassen. Wo noch Haare sind, da werden die isoliert, in Kultur teilen die sich ja dann, und dann hat man vielleicht einen Millionen Zellen, und die Vorstellung ist die, dass man einfach nur durch die Gabe in die Kopfhaut die Haare sprießen lässt und das sind natürlich von dem Mann oder der Frau die eigenen Zellen.

    Aus dem Hinterkopf gewonnenen Bindegewebszellen haben andere Eigenschaften als beispielsweise die ursprünglichen Zellen in den Geheimratsecken. Sie trotzen dem Haarausfall besser. Warum, ist heute noch unklar. Bis zu 50.000 Zellen pro Quadratzentimeter könnten so künftig in die kritische Kopfhaut verpflanzt werden und für dauerhaften neuen Haarwuchs sorgen. Hoffnung vor allen für Männer mit erbbedingten Lichtungen.