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Hilfe bei Studienproblemen

Fast ein Drittel aller Studienanfänger in Deutschland bricht das Studium mehr oder weniger schnell wieder ab. Gründe dafür gibt es viele: Manche bekommen einen Job auch ohne Examen, manche bekommen Kinder, aber keine Kinderbetreuung und manche fallen in Löcher, weil sie am Sinn des Studiums zweifeln oder weil sie finanzielle Probleme haben. Diesen Studierenden könnten Mitarbeiter der psychosozialen Beratungsstellen helfen.

    Becker: Fast ein Drittel aller Studienanfänger in Deutschland bricht das Studium mehr oder weniger schnell wieder ab. Gründe dafür gibt es viele: Manche bekommen einen Job auch ohne Examen, manche bekommen Kinder, aber keine Kinderbetreuung und manche fallen in Löcher, weil sie am Sinn des Studiums zweifeln oder weil sie finanzielle Probleme haben. Diesen Studierenden könnten Mitarbeiter der psychosozialen Beratungsstellen helfen. Am Telefon ist der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Dieter Schäferbarthold. Herr Schäferbarthold, das würde ja nicht nur dem einzelnen Studierenden helfen, sondern auch die Kassen der Universitäten und Krankenkassen entlasten, oder?

    Schäferbarthold: Das ist genau der Punkt, der aus unserer Sicht viel zu kurz kommt. Jetzt wird in einigen Ländern immer wieder die Frage diskutiert: Die sind zu lange an der Hochschule, die müssen jetzt Gebühren bezahlen. Man schaut sich überhaupt nicht die Persönlichkeitsstrukturen und die Lebenswege dieser jungen Menschen an. Aus welchen Gründen sind sie in diese Situation gekommen? Es sind oft finanzielle Gründe, dann eben die stark zunehmende Erwerbstätigkeit, wo sie in diesem Schnittstellenbereich - zunehmende Erwerbstätigkeit und Anforderungen an die Endphase des Studienabschlusses - arbeiten. Das in Einklang zu bringen - ja, wer kann das? Und jetzt kommt diese Diskussion noch dazu: Ihr seid zu lange an der Hochschule. Nun sollt ihr die Studiengebühren bezahlen. Also, im Grunde stehen sie dann nur vor der Entscheidung, das ganze abzubrechen und sich für einen anderen Weg zu entscheiden. Ob das der richtige ist, das möchte ich sehr bezweifeln, und darüber wird überhaupt nicht nachgedacht. Kann es nicht andere Hilfen geben, um diese jungen Menschen zum Studienabschluss zu bringen und nicht darüber nur zu lamentieren, dass die Hochschulen Abbrecherquoten haben.

    Becker: Das Stichwort Langzeigstudierende haben Sie gerade schon einmal angesprochen. In Baden-Württemberg gibt es jetzt oder soll es demnächst Zwangsberatungen für alle Studierende geben, die die Regelstudienzeit überschreiten. Halten Sie das für ein sinnvolles Instrument, um die Langzeitstudierenden an der Hand zu nehmen?

    Schäferbarthold: Also, ich oder wir appellieren an die Verantwortlichen, und das ist in erster Linie doch der Politikbereich, weil sie sehr oft die Finanzierung solcher Bereiche jedenfalls mit zulassen müssen, dass ich eine studienbegleitende Beratung habe und nicht plötzlich mit einem Zwangsberatungssystem anfange, weil er jetzt im 15. Semester ist. Also, ich meine, hier sollte man sich tatsächlich mal im Ausland umschauen, wie solche Beratungssysteme zwischen der Studienplanung, zwischen den Problemen der Studienfinanzierung und zwischen den Problemen, die auch im privaten Bereich auftreten ineinander greifen. Hier lässt man - jedenfalls an unseren Hochschulen - die jungen Menschen oft allein, und erst dann wenn so ein Fall mit 15. Semester oder irgendwas kommt zu sagen, so, jetzt kriegt ihr eine Zwangsberatung, damit löse ich die Probleme nicht mehr.

    Becker: An deutschen Universitäten werden immer mehr Studierende von immer weniger Professoren betreut - das geht aus aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Mittlerweile muss ein Professor oder eine Professorin im Schnitt knapp 60 Studierende betreuen. Was halten Sie von diesen Zahlen? Werden sich die psychosozialen Probleme von Studierenden verschärfen, wenn es immer weniger Betreuung von Professoren gibt?

    Schäferbarthold: Na gut, das ist ein Problem, was die Hochschulseite ja seit Jahren einfordert, dass hier ein Missverhältnis seit Jahrzehnten fast besteht. Klar, das ist ein Problem, was immer mehr verschleppt wird, und wenn ich jetzt wieder sehe, dass der Bundeshaushalt keine Zuwächse, auch im Forschungs- und Lehrbereich, haben wird, und viele Landeshaushalte folgen ja diesem Beispiel, dann verschärft das die Situation und wird sie nicht verbessern. Aber gerade das ist es ja, was die Studierenden so kritisieren, dass die Voraussetzungen für ein zügiges und erfolgreiches Studium nicht in erster Linie bei den Studierenden zu suchen ist, sondern die Politik den Hochschulen nicht diesen finanziellen Raum schafft, um die Voraussetzungen für ein zügiges und erfolgreiches Studium zu schaffen. Das ist die Grundproblematik, und nachdem die Politik diese Versäumnisse nicht beseitigt hat, fordert man nun von den Studierenden zum Schluss: Nun müsst ihr auch für diese Versäumnisse bezahlen. Das ist das Problem und das werden die Studierenden nicht mit sich machen lassen.

    Becker: Wege aus der Krise mit psychosozialer Beratung - Informationen dazu von Dieter Schäferbarthold, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Vielen Dank.