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Hilfe für Demente

Die Lebenserwartung steigt und damit leider auch die Gefahr im Alter an Alzheimer zu erkranken. Eine Pflege, die dann nur "satt und sauber" bietet will eigentlich niemand. Aber wie erhält man möglichst viel Lebensqualität für Demente? Am Sonntag wurde in Heidelberg das "Heidelberger Instrument zur Erfassung der Lebensqualität Demenzkranker" abgekürzt "H.I.L.D.E" vorgestellt.

Von Carl-Josef Kutzbach |
    Wenn das Gedächtnis nachlässt, man Verwandte nicht mehr erkennt und vergisst, ob man die Medikamente genommen hat, dann kann man auch Fragen nach dem Befinden kaum oder nur eingeschränkt beantworten. Heidelberger Wissenschaftler entwickelten deshalb ein neues Verfahren, um dennoch die Lebensqualität Dementer zu erfassen. Projektleiterin Dr. Stefanie Becker vom Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg erklärt, wie das mit Hilfe der Pflegenden geht:

    "Diejenigen, die sehr nahe an den Betroffenen dran sind, das sind im Wesentlichen in der stationären Pflege natürlich die Hauptpflegepersonen, oder auch die Angehörigen, die dann im privaten Umfeld pflegen, die kennen den Menschen mit Demenz am Allerbesten und können in sofern auch Stimmungsschwankungen, feine Nuancen im Ausdruck und zwar im emotionalen Ausdruck, im mimischen Ausdrucksverhalten der Betroffenen am ehesten erkennen. Und in dem Moment wo eben verbale Sprache nicht mehr funktioniert, muss man sich auf die Sprache konzentrieren, die den Betroffenen auch im fortgeschrittenen Stadium der Demenz noch möglich ist."

    Zum Beispiel notiert der Pflegende, wie der Demente auf religiöse Angebote, etwa Gebete oder Kirchenlieder reagiert. Es geht also um sehr feinfühlige Beobachtungen. Um verlässliche Aussagen zu bekommen, entwickelte man einen Katalog von solchen Punkten, die sich bei bisherigen Untersuchungen als besonders aussagekräftig erwiesen haben. Es geht aber nicht darum alle Dementen auf gleiche Weise zu "beglücken". Wenn etwa im Heim nachmittags jemand zum "Kaffee" einlädt, dann könnte man annehmen, dass alle gerne zum Kaffeekränzchen kommen. Aber das muss nicht so sein, erklärt Stefanie Beckers Kollege der Dipl. Psych. Roman Kaspar:

    "Der große Vorteil von "H.I.L.D.E" ist darin zu sehen, dass wir eigentlich nicht davon ausgehen, dass wenn jemand Kaffee ruft, tatsächlich alle Personen kommen. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass wir verschiedene Demenz-Schweregrade und auch sozusagen noch kombinierte Erscheinungsmuster als Demenz-Syndrom begreifen. Und da haben wir eben es zum Teil auch mit Bewohnern zu tun, die eben beispielsweise Mobilitäts-beschränkt sind."

    Einem Rollstuhlfahrer wird man vielleicht helfen müssen, oder einem Tauben die Botschaft auf andere Weise übermitteln, damit sie am Kaffee teilnehmen können, wenn sie es denn an diesem Tag wollen. Menschen und ihre Behinderung durch Demenz und Alter sind eben sehr verschieden. Dementsprechend umfangreich sind die Fragebögen, mit denen man das Befinden des Einzelnen erfasst.

    Dieser Aufwand ist nicht immer nötig, denn man kann mit diesem Verfahren auch Aussagen darüber machen, welche Bedingungen Lebensqualität am ehesten fördern.

    "Wir haben insgesamt knapp 1600 personenbezogene Daten auf deren Basis wir schon zu so was, wie einen Maßstab kommen können dahingehend, dass wir sagen können, was denn für Lebensverhältnisse von Personen mit einem bestimmten Ausmaß der Demenz in Verbindung mit noch anderen Kompetenzmustern, also zum Beispiel den alltagspraktischen Fähigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten, welche Möglichkeiten der Realisierung von Lebensverhältnissen im Einzelnen haben."

    Bei mehrmaliger Auswertung zeigte sich, dass die Lebensqualität eines Dementen sich steigern lässt, wenn man heraus bekommt, was ihm Freude macht, etwa, wenn es ihm gelingt etwas selbständig zu tun, wenn er einen Bereich aufsucht, in dem sie sich wohl fühlt.

    Das neue Auswertungsverfahren "H.I.L.D.E" ermöglicht also einerseits das persönliche Befinden von Menschen zu erfassen, die sich schlecht mitteilen können und andererseits zu erkennen, welche Angebote und Maßnahmen den Heimbewohnern viel Lebensqualität bieten. Den Pflegenden hilft "H.I.L.D.E" ihr Gespür für das Befinden der Dementen zu schulen, was auch ihre Zufriedenheit mit der Arbeit fördert.

    Info:
    Heidelberger Instrument zur Erfassung der Lebensqualität Demenzkranker