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Hilfe für die Silver Surfer

Internet.- Eine Studie belegt, dass sich 58 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen kann. Aber nur zehn Prozent der Senioren denken ebenso. Zwar gibt es die sogenannten Silver Surfer in der Gruppe der über 65-Jährigen, doch schalten die ihren Computer eher selten ein.

Von Wolfgang Noelke | 06.11.2010
    "Ich habe festgestellt, dass man als alter Mensch ohne Computer nicht mehr durchs Leben kommt. Man bekommt ja schon an der Sparkasse kein Geld ohne Computerbearbeitung, keine U-Bahnfahrkarte etc. Und dem wollte ich abhelfen, hab mir ein Laptop zugelegt und das muss ich ja irgendwie bedienen können und möchte auch über Internet mit Freunden, Verwandten korrespondieren, vielleicht auch mal von einem auswärtigen Hotel mich bei den Kindern über Internet melden, dass es mir gut geht. Das muss man lernen. Da bin ich jetzt dabei."

    Christine Fessner gehört bald zu dem Drittel der Senioren, für die das Internet so selbstverständlich ist, wie das Handy. Sie lernt in der Berliner Altenbegegnungsstätte Herthastraße, mit dem Computer umzugehen. Dort erklären geduldige Helfer wie Mark Alexander Jordan Grundsatzfragen:

    "Die Anfänger, dann suchen sie den Knopf, um den Computer einzuschalten, dann wird der Knopf gesucht, um den Monitor einzuschalten. Dann kann er anfangen zu arbeiten. Wenn er es beenden möchte, dann steht bei Windows7 auch nirgendwo 'beenden', sondern man muss erst mal suchen: links unten drücken. Und beim Windows 7 steht noch irgendwo 'herunterfahren', beim Windows XP steht 'Start'. Unter 'Start' vermute ich natürlich kein Schließen. Die ersten zwei, drei Wochen sind wir noch am Zeigen, wie man den Computer abschaltet."

    Mark Alexander Jordan beschreibt hier nicht die Unflexibilität der Senioren, sondern die Mängel einer, jeder menschlichen Logik entbehrenden Softwarearchitektur, an die sich die jüngeren Nutzer offensichtlich gewöhnt haben. Niemand, außer Kindern und Senioren fragt nach, warum man auf "öffnen" klicken muss, um an die E-Mail ein Foto anzuhängen. Die Senioren suchen stattdessen vergeblich nach dem Anhängen-Knopf. Senioren erwarten auch, dass sie eine E-Mail nach dem Schreiben absenden können, was prompt schief gehen muss, wenn sie der Provider aus dem E-mail-Account nach einer viertel Stunde Inaktivität ausloggt. Dies sind nur wenige Beispiele, die der seit 30 Jahren in Sao Paulo lebende Arnold Illert ebenfalls lernte:

    "Also diesen Monat werde ich 75 Jahre alt. Ich habe angefangen 2002."

    Mittlerweile ist er Spezialist für die Computerprobleme seiner Altersgenossen und hilft ihnen über die Ferndiagnosesoftware Teamviewer. Auch seine Bankgeschäfte erledigt er online, ohne jemals von Cyberkriminellen angegriffen worden zu sein. In Brasilien hätte niemand Angst, sich im Internet zu bewegen oder per Skype Verbindung zu Familienangehörigen und Freunden zu pflegen, sagt Arnold Illert per Skype-Verbindung:

    "Mein Skype, das ist so gut wie mein Haustelefon. Wenn jemand anruft auf dem Normaltelefon, das ist klar, dann nehme ich das ab. Aber mein Telefon ist das Skype schon seit Jahren. Morgens, wenn ich aufstehe, dann wird der Computer aufgeschaltet, dann wird der Lautsprecher aufgeschaltet. Dann höre ich, wenn es läutet und dann gehe ich an den Computer. Ich bin eigentlich den ganzen Tag online"

    Denn all seine Freunde sind inzwischen ebenfalls online. In Deutschland seien es in dieser Altersgruppe laut einer Studie des Branchenverbandes BITKOM nur 32 Prozent, bedauert Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner:

    "Ich glaube, es ist einfach eine Frage der Teilhabe, dass man für das faszinierende Medium Internet auch die ältere Generation begeistert. Dazu gehört, dass man auch Vertrauen in dieses Medium hat. Deshalb setze ich mich auch sehr stark für Datenschutz im Internet ein und auch für das Wissen, wie man mit dem Internet umgeht."

    Eine von der Ministerin herausgegebene Broschüre soll bei Senioren die Begeisterung fürs Internet wecken. Gepaart mit der Hilfe jener freiwilligen Fachkräfte wie in der Berliner Herthastraße gelingt es vielleicht das Wissen aufzufrischen, um typische Ängste langsam zu überwinden. Zum Beispiel:

    "Ins Internet gehen...na, zum Beispiel, man geht irgendwo rein und dann weiß man nicht, wie man wieder rauskommt."

    "Eine E-Mail schreiben. Am Schreiben ist nichts schwierig, bloß sie kommt nicht da an, wo sie hin soll... dann geb' ich auf, wieder."

    "Wenn ich normal Freunden schreibe, dann kann ja nichts passieren. Vor dem Satz 'Der Computer stürzt ab,' da hätte ich mehr Angst."

    "Auf jeden Fall ist die Beschäftigung mit dem Computer für die grauen Zellen ein Training. Und das ist für 70-Jährige sehr positiv. Man erhält sich die geistige Beweglichkeit."