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Hilfe für Haiti?

Die ganze Welt will Haiti helfen - doch die Wege sind unterschiedlich: Mal mit Hilfskräften, mal mit Geldspenden. Frankreich wählt nun eine weitere Variante und möchte die bereits angelaufenen Adoptionsverfahren beschleunigen.

Von Burkhard Birke |
    Freude und Frust: Das verspürte Familie Pecriaux, als sie erfuhr, dass ihr designiertes Adoptivkind Josué wohlauf im Waisenheim in Port au Prince sei:

    "Josué geht's gut, er sitzt neben mir, sagte mir die Leiterin des Waisenhauses, aber einige Kinder sind gestorben, einige befinden sich immer noch unter den Trümmern. Helfen Sie uns!"

    Das würden Claire Pécriaux und ihr Mann Jerome gern. Auch für sie besitzt natürlich die Arbeit der Katastrophenhelfer vor Ort absolute Priorität:

    "Die überlebenden Kinder müssen ernährt und von der Straße geholt werden."

    Für Familie Pécriaux und andere Adoptiveltern in spe wäre die beste Hilfe jedoch, die zur Adoption ausgesuchten überlebenden Waisenkinder umgehend auszufliegen. Nathalie Precausta:

    "Wenn man sieht, wie die Hilfsorganisationen vor Ort überfordert sind, dann ist es nötig, die Kinder ihren Adoptiveltern zu übergeben. Man kann doch nicht von den Hilfsorganisationen verlangen, Kinder zu versorgen, die von ihren Familien in Frankreich versorgt werden können."

    Spontan hat sich Ende letzter Woche ein Kollektiv gebildet. Die Forderung an die Regierung: Den bürokratischen Weg abzukürzen, Waisenkinder aus Haiti, deren Adoptionsprozess liefe, so rasch wie möglich nach Frankreich zu holen. 12.000 Zuschriften soll das Kollektiv im Internet gesammelt haben. Symbolisch wurden Sonntagabend vor dem Außenministerium mehrere Dutzend Flaschen deponiert: Viele mit den Fotos und dem Namen von Kindern, die aus Haiti adoptiert werden sollen. Es sei nicht vorgesehen, alle Kinder mit Adoptionsverfahren aus Haiti so schnell wie möglich nach Frankreich zu bringen, hatte Bernard Kouchner erklärt. Der Außenminister sieht zur Stunde andere Prioritäten. Immerhin versprach er, die Verfahren zu beschleunigen - was sein zuständiger Staatssekretär Alain Joyandet nochmals bekräftigte:

    "Aber es kann nicht darum gehen, massiv Kinder nach Frankreich zu bringen, für die es kein Adoptionsverfahren gibt, wo wir uns in Unsicherheit wägen."

    Das widerspräche nämlich auch internationalen Regelungen wie dem Haager Abkommen. Das sieht unter anderem vor, dass gerade nach solchen Katastrophen zwei Jahre nach den Eltern und engen Angehörigen von Kindern gesucht werden muss, bevor diese zur Adoption frei gegeben werden dürfen.

    So ist nach dem Tsunami in Asien seinerzeit kein einziges Kind direkt adoptiert worden! In Frankreich ist überdies noch die Erinnerung an die Aktion der Arche de Zoé wach. Die Hilfsorganisation hatte Ende 2007 103 vermeintliche Waisenkinder aus Darfour nach Frankreich bringen wollen. Die meisten Kinder waren keine Waisen, die Aktion widersprach zudem islamischem Recht, führte zu juristischen Verwicklungen mit dem Tschad und brachte Adoption teilweise in Misskredit!

    Im Grunde geht es jetzt nur darum, die Verfahren für circa 2000 haitianische Kinder zu beschleunigen, deren Adoption schon angelaufen ist, wie die konservative Senatorin Joelle Garriaud-Maylam in einem Appell an ihre Parteifreunde an der Regierung betonte. Frankreich ist traditionell das Land mit der größten Zahl an haitianischen Adoptivkindern: Von insgesamt 1300 im Jahre 2006 wurden fast 600 von französischen Familien aufgenommen. Auch jetzt warten 1200 bis 1500 französische Familien wie die Horcelles auf kleine Haitianer:
    Wie werden die Kinder denn überleben können?, fragen sie sich angesichts der katastrophalen Zustände und wünschen sich, die Kleinen eher heute als morgen bei sich aufnehmen zu können.