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Hilfe für junge Krebspatientinnen

Medizin. – Die Reproduktionsmedizin bietet immer neue Wege zum Wunschkind. Auf der Europäischen Tagung der Disziplin in Lyon werden zwei neue Methoden eingehend diskutiert. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange erläutert sie im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Lange, was genau ist denn neu daran, weibliche Eizellen für die spätere Befruchtung einzufrieren?

    Lange: Es ist neu, denn das Verfahren, das die Wissenschaftler von der McGill-Universität in Montreal entwickelt haben, dass sie nun nicht nur reife Eizellen verwenden können und einfrieren können und dann wieder auftauen können und dann für die künstliche Befruchtung verwenden können, sondern dass sie das gleiche auch mit unreifen Eizellen machen können. Und zwar schaffen sie das, indem sie die unreifen Eizellen im Labor nachreifen lassen.

    Krauter: Für wen könnte denn das interessant sein?

    Lange: Es ist für Krebspatientinnen. Bisher wird es schon eingesetzt, auch in Deutschland, bei Krebspatientinnen, die werden vorher einer Hormonstimulation unterzogen, spenden dann sozusagen ihre eigenen Eizellen, die werden tiefgefroren und können dann später für eine künstliche Befruchtung verwendet werden. Aber es gibt Patientinnen, die entweder diese Hormonbehandlung nicht vertragen, oder wo es ganz schnell gehen muss, wenn es zum Beispiel bei Krebsbehandlungen um Leben und Tod geht, dann gibt es wichtigere Dinge als eine solche Hormonbehandlung zu machen, und es gibt auch Krebspatienten die noch vor der Pubertät sind. Auch die können doch keine reifen Eizellen spenden, natürlicherweise, und auch da ist es so, dass unreife Eizellen sozusagen tiefgefroren werden können.

    Krauter: Wie gut funktioniert das Ganze denn?

    Lange: Das funktioniert erstaunlich gut, aber das Verfahren steht erst am Anfang. Die Erfolgsrate liegt deutlich unter denen, die mit reifen Eizellen erreicht werden, das ist ganz klar. Da sind zusätzliche Arbeitsschritte notwendig.

    Krauter: Könnte denn diese Methode einmal generell diese unangenehme Hormonstimulation, die sonst nötig ist, ersetzen, vielleicht auch breiter angewandt werden?

    Lange: Das ist wünschenswert. Denn es ist tatsächlich so, dass diese Hormonbehandlung eigentlich, ja, nicht so gut ist. Die hat mögliche Nebenwirkungen, die hat auch richtige Risiken. Aber es ist so, dass die Erfolgsraten im Moment noch deutlich zu niedrig sind. Also es ist im Moment wirklich nur für diese Spezialfälle, aber das Verfahren könnte sich verbessern, wenn die Effizienz steigt, ist das möglich.

    Krauter: Also mögliche Zielgruppe wären sehr junge Menschen?

    Lange: Auch, ja.

    Krauter: Für unfruchtbare Männer scheint es in Lyon Lichtblicke zu geben, wie man den Agenturen entnehmen kann. Stichwort: geklonte Spermien. Was muss man sich denn darunter vorstellen?

    Lange: Ja, das ist ein Verfahren, da arbeiten Wissenschaftler der Cornell-Universität in New York schon ganz lange dran. Also Spermien klonen, das bedeutet mit der Dolly-Methode. Also es geht um das Verpflanzen von Erbgut. Und zwar haben die Wissenschaftler das jetzt bei Mäusen erstmals erfolgreich ausprobiert. Das heißt, sie haben das Erbgut aus Spermien entnommen, haben es dann in eine erbgutfreie Eizelle verpflanzt, also sozusagen eine Eizellhülle mit einem Spermienkern, dann haben Sie diese, ich will einmal sagen männliche Eizelle mit einer weiblichen Eizelle verschmolzen, und da ist tatsächlich ein Embryo herangewachsen. Aber man muss ganz klar sagen: es sind vier gesunde Mäuse dabei herausgekommen, und es wurden Tausende Versuche gemacht. Das Verfahren ist hoch ineffizient.

    Krauter: Das heißt, das Verfahren wird sich in der Praxis sowieso nie durchsetzen, oder was ist Ihre Einschätzung?

    Lange: Ich sehe zumindest sehr große Probleme. Denn es ist ja beim Klonverfahren so, dass Zellen reprogrammiert werden. Das heißt, alte Zellen werden wieder jung. Und bei diesem Prozess entstehen Erbgutfehler, und es entstehen vor allen Dingen Fehler bei der Erbgutregulation, und das ist ja der Grund, warum heute noch bei geklonten Tieren ganz viele Probleme auftauchen. Wir haben Fehlbildungen, und genau das wurde bei diesen wenigen Mäusen beobachtet, es wurden ja bisher nur vier lebende Mäuse auch wieder beobachtet. Also das Verfahren ist hoch ineffizient und es ist im Moment nicht abzusehen - obwohl die Wissenschaftler da wirklich fieberhaft anarbeiten und da eine große Zukunft sehen, vor allen Dingen für Männer, die wenige Spermien bilden - trotzdem sehe ich nicht, dass da ein Durchbruch in den nächsten Jahren zu erwarten ist.