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Hilfe gegen Knochenschwund

Medizin. - Lange glaubten Mediziner und Biologen, dass Knochen starr und unveränderlich sind. Seit einigen Jahren wissen die Forscher, dass der Knochen ständig runderneuert wird. Und das geschieht sogar bei alten Menschen, die an Knochenschwund, also Osteoporose leiden. Was im Knochen jedoch genau passiert, verstehen die Experten nur mühsam und erst allmählich. Ihre neuesten Ergebnisse diskutieren sie seit dem Wochenende auf dem Workshop "Frontiers of Skeletal Biology" in Davos.

    Im Knochen steckt mehr als man früher glaubte. Neben den Mineralien Calcium und Phosphat sowie zahlreichen Kollagenfasern enthält er sehr aktive Zellen. Herbert Fleisch, Chairman der Davoser Konferenz, interessieren diese Zellen besonders: "Es gibt Zellen, die den Knochen aufbauen und Zellen, die den Knochen abbauen. Man versucht, die ersten, die Osteoblasten heißen, zu stimulieren. Und genau das Gegenteil macht man mit den knochenabbauenden Zellen, den Osteoklasten, und versucht die zu blockieren oder zu induzieren, dass sie früher sterben."

    Wenn das Gleichgewicht zwischen knochenauf- und abbauenden Zellen durcheinander gerät, entsteht Osteoporose. Der Knochen wird brüchig. Unter dem Mikroskop sieht das aus, als ob die Knochenbälkchen angeknabbert sind. Schuld daran sind die Osteoklasten. Wie man deren Hunger bremsen kann, versuchen australische Forscher herauszufinden. Jack Martin vom St.Vincent´s Institute of Medical Research in Fitzroy bei Melbourne erklärt: "Die knochenfressenden Osteoklasten entstehen aus Blutzellen. Man hat nun entdeckt, dass auf der Oberfläche von Blutzellen ein Protein namens RANK existiert, das eine Schlüsselrolle bei der Bildung der Osteoklasten spielt. Nur wenn ein bestimmter Botenstoff dieses RANK stimuliert, kann sich die Blutzelle in einen Osteoklasten umwandeln, der schließlich den Knochen abbaut." Dieses Protein, das sich mit dem RANK verbinden muss, wird interessanterweise von den Gegenspielern der Osteoklasten, den knochenbildenden Osteoblasten, freigesetzt: Die knochenbildenden Zellen fördern also ihre eigenen Kontrahenten. Warum sie dies tun, bleibt bislang ein Rätsel. Sicher weiß man lediglich, dass sich diese zwei völlig verschiedenen Zellarten untereinander verständigen.

    Besonders die Pharmaindustrie interessiert sich für diese Zusammenhänge. Denn hier könnte sich die Möglichkeit ergeben, Medikamente gegen Osteoporose zu entwickeln, indem man in die RANK-Stimulation eingreift. Ein Protein, das auf den RANK-Mechanismus wirkt, haben die Forscher bereits gefunden: das Osteoprotegerin. Es kommt ebenfalls im Knochen vor und bindet sich an RANK. Derzeit testen Mediziner in klinischen Versuchen, ob dieses Protein wirklich den gewünschten Effekt hat.

    [Quelle: Sabine Goldhahn]