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Hilfreiche Medizin oder einfaches Nahrungsergänzungsmittel?

Über das Internet werden sogenannte Vitalpilze als Nahrungsergänzungsmittel angeboten - zweifelsfrei ein boomender Markt. Aber was ist von der Wirkung dieser Pilze zu halten? Die schulmedizinische Anerkennung lässt jedenfalls auf sich warten.

Von Michael Engel | 25.10.2011
    "Also ich nehme in erster Linie den Maitake. Ich habe einen aktiven Morbus Crohn. Und dadurch waren zum Beispiel meine Leberwerte sehr schlecht. Mein Gastroenterologe sagte mir, dass es eigentlich kein Leberschutzmittel gibt. Und mittlerweile habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht. Ich habe den Maitake genommen über mehrere Monate. Ich hatte sehr, sehr schlechte Leberwerte. Und die haben sich erstaunlicherweise direkt diesbezüglich völlig normalisiert."

    So wie Brigitte Schmidt schwören viele Patienten auf Vitalpilze. Sie heißen Maitake, Pom-Pom, Shitake oder Reishi und sind sehr effektiv, sagt Dr. Jie Huang, die in Hannover eine allgemeinmedizinische Praxis führt.

    "Zum Beispiel Beruhigung, Körperaufbau, Anti-Aging, schützen der Leber, oder auch bei Husten, gegen Schleimbildung oder antientzündlich. Sie werden auch bei Asthma eingesetzt oder gegen Herz-Rhythmus-Störungen, gegen Thrombose, Blutzucker und viel mehr."

    Seit 4000 Jahren werden Pilze in der traditionellen chinesischen Medizin eingesetzt. Ganoderma, auch Reishi genannt, soll das Immunsystem stärken. Cordyceps – der Raupenpilz – wird als Antidepressivum und Leistungssteigerer gepriesen, andere wiederum sollen die Krebsprävention unterstützen. Es gibt aber auch Neulinge: Dazu gehört der erst vor 40 Jahren entdeckte Sonnenpilz aus Brasilien, auf den Susanna Wilhelm schwört:

    "Also ich nehme seit einem halbem Jahr einen Vitalpilz, der sogenannte Sonnen- oder Mandelpilz. Ich habe ihn ursprünglich genommen, weil ich einen Tumor im Gehirn habe und weil dieser Pilz das Wachstum hemmen soll, was für mich natürlich sehr förderlich wäre. Aber als angenehmen Nebeneffekt habe ich, dass ich keine Allergien mehr habe. Ich hatte vorher eine Allergie gegen Gräser und Tierhaare. Das ist komplett verschwunden. Und ich fühle mich insgesamt viel, viel fitter und vitaler und kann viel, viel mehr machen."

    Jeder zweite Patient, den der Mykotherapeut Sven-Uwe Kotte aus Hannover behandelt, bekommt auch ein Pilzprodukt. Meist handelt es sich um Kapseln, die das Pilzgranulat enthalten, so der Heilpraktiker.

    "Der Pilz wird oral eingenommen, das heißt die Kapsel, und mit viel Flüssigkeit. Es wird empfohlen, ein Glas Wasser zu trinken, weil der Pilz dann am besten aufquillt. Also ein bis zwei Glas Wasser trinkt, was im Magen besser aufquillt. Wenn das nicht stattfindet, kommt es eben zu diesen Reaktionen, dass es zu Magenübelkeit, Bauchkrämpfen kommen kann. Es kann aber auch zu Durchfällen kommen. Ich habe immer wieder Klienten, die selbst unter einer Kapsel massive Durchfälle bekommen. Das kann man aber sehr schnell vermeiden, indem man das reduziert auf eine halbe Kapsel."

    Der Mykotherapeut warnt vor einer Eigentherapie. Den geeigneten Pilz zu finden und die richtige Dosierung sei nicht einfach. Dabei gelten Vitalpilze in Deutschland nicht als Medikamente, sondern als "Nahrungsergänzungsmittel". Die Angabe medizinischer Indikationen und therapeutischer Versprechen ist demnach unzulässig. Jie Huang, die ihren Doktor der Medizin in China hat, mit dem Versuch einer Erklärung:

    "Ich denke, das ist die Erfahrung. Es gibt also nicht so viele Ärzte in Deutschland, die das machen und auch weniger Forschung gemacht wurde. In China ist das seit 3000 Jahren und länger und immer im Alltag eingesetzt."

    Wissenschaftlich gesehen ist die Datenlage eher mager. Und wenn es Studien gibt, dann kommen sie häufig aus Asien - mit durchaus positiven Ergebnissen: So gibt es blutdrucksenkende Effekte, Anti-Tumor-Effekte und immunsteigernde Effekte. Die schulmedizinische Anerkennung lässt gleichwohl auf sich warten: Unwirksam, aber ungefährlich, so beurteilen Pharmakologen die Vitalpilze in Deutschland. Mittlerweile werden sie auf Plantagen nachgezüchtet, weil die Nachfrage so groß ist, doch ob sie nun wirken oder nicht, diese Frage lassen Wissenschaftler hier zu Lande gerne links liegen.