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Hilfsaktionen für freie Theaterschaffende
Gelebte Solidarität in der Coronakrise

Geld für die Miete oder ein kostenloser Spielort - in der Coronakrise wurden viele Spendenaktionen und Initiativen für freie Theaterschaffende ins Leben gerufen. Sie setzen dort an, wo staatliche Unterstützung nicht greift - und helfen einer nicht unerheblichen Zahl von Künstlerinnen und Künstlern.

Von Eberhard Spreng |
Zu sehen ist eine dunkle, leere Straße. An einer Bushaltestelle ist ein beleuchtetes Plakat mit dem Text "Beifall, Ausfall, Notfall" / 11.03.2021, Stuttgart.
Eine von vielen privaten Initiativen für Kulturschaffende: Die Künstlersoforthilfe Stuttgart macht mit Plakaten auf die schwierige Situation der Künstler aufmerksam (IMAGO / Arnulf Hettrich)
Bereits im März 2020 legten Bund und Länder Coronahilfen für Solo-Selbständige auf. Warum diese aber an den allermeisten freien Bühnenangehörigen vorbei gingen, erklärt Ensemble-Netzwerk-Vorstandsmitglied, die Schauspielerin Laura Kiehne:
"Viele der Künstlerinnen, die am Theater beschäftigt sind, sind nicht solo-selbstständig und nicht auf Honorarbasis oder auf Rechnung beschäftigt, sondern sozialversicherungspflichtig, aber kurzfristig. Das hat bedeutet bis eigentlich zum Ende des letzten Jahres, dass diese Künstlerinnen durch die Nothilfefonds durchgefallen sind, also nicht berücksichtigt wurden. Und das hat sie natürlich relativ schnell in existenzielle Bedrängnis gebracht."

Geld sammeln für die Miete

Klar war einem Verbund aus dem sehr aktiven Ensemble-Netzwerk und weiteren Bühnenverbänden sehr schnell, dass sie für diese Künstlerinnen und Künstler selbst Geld sammeln mussten. Sie gründeten die Initiative "Miete zahlen in Zeiten von Corona", um für Mitglieder der 14 beteiligten Verbände auf einer Crowdfundingplattform Geld zu sammeln.
"Wir haben innerhalb von dreizehn Monaten sage und schreibe 237.262 Euro gesammelt. Darunter waren teilweise auch Großspenden bis zu 10.000 Euro. Das hat uns wirklich unglaublich gefreut, weil darunter nicht nur Theaterliebhaberinnen waren, sondern tatsächlich auch viele Kolleginnen, die sich mit ihren freien Kolleginnen solidarisiert haben."

Danke-Schön-Aktionen und Versteigerungen

191 Theatermenschen hat dies erlaubt, ihre Wohnung zu behalten. Fast ein regelrechtes Ausfallhonorar ermöglichte die Schaubühne in Berlin ihren freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dies auf Initiative des festen Ensembles der Schaubühne und des Freundeskreises des Theaters. Ensemblesprecherin Veronika Bachfischer freut sich über den Erfolg der Solidarinitiative für freie Theaterschaffende.
"Diese Kampagne hat wirklich auch unsere kühnsten Erwartungen übertroffen. Innerhalb von 48 Stunden waren wir bei 30.000 Euro und so ging das dann immer weiter. Und zum anderen gab es einen großen und, wie ich finde, sehr charmanten Katalog an Danke-Schön-Aktionen, die alle Mitglieder des Ensembles und viele Mitarbeiter*innen aus vielen verschiedenen Bereichen des Theaters angeboten haben gegen eine Spende."
Zaubern lernen zum Beispiel, Meditieren, Mathe-Nachhilfe, Gutenachtgeschichten und Einblicke in die Arbeit hinter der Bühne. "Wir haben 105.000 Euro eingenommen, sodass wir letztendlich 30 freiberufliche Kolleg*innen mit Solidarhonoraren in Höhe von 3500 Euro unterstützen können." Die sinnlichste Hilfeleistung war eine Versteigerung aus dem Fundus des Theaters: "Da war ein Kostüm von Jutte Lampe dabei, es gab die Hamletkrone von Lars Eidinger zu ersteigern und, ich glaube, das war ein Highlight und ging für das meiste Geld weg."
Ansicht des Theatergebäudes in der Abenddämmerung
"Die freien Schauspieler sind überhaupt nicht abgesichert"
450.000 Euro hat das Metropoltheater ausgegeben, um seinen Schauspielern durch die Corona-Krise zu helfen. Deren Lage ist ernst: "Wir können das noch eine Weile durchhalten als Institution – unsere Mitarbeiter eigentlich nicht".
Viele Theater in Deutschland haben sich verschiedene Solidaritätsaktionen ausgedacht und so freien Theatermenschen das Überleben erleichtert. Einen anderen Weg geht das Schauspielhaus Zürich. Es öffnet eine seiner Bühnen und deren Infrastruktur für arbeitslose Theatergruppen aus der freien Szene. "Open House Open Call" entstand ursprünglich im Oktober 2020, als Aufführungen nur noch vor maximal 50 Menschen zulässig und fast alle Spielorte für freie Gruppen komplett geschlossen waren. Barbara Higgs erklärt das Projekt:
"Wir hatten aber eine Bühne und die Technik, die erforderliche dazu, und haben dann eine Ausschreibung gemacht einzureichen mit Projekten, die sozusagen fertig sind und nur eine Bühne und technische Betreuung suchen."

Kostbare Erfahrung von Solidarität

Off-Theater im repräsentativen Schauspielhaus in Zürich, Hilfe zur Selbsthilfe.
"Dafür haben wir dann 50 Tickets in den Verkauf gegeben und der volle Erlös ging an die Künstler und diese Tickets wurden per 30 Franken verkauft, das sind immerhin doch 1.500 Franken."
1500 Franken pro Aufführung, immerhin. Als dann der zweite Lockdown im Winter das Spielen in Innenräumen unmöglich machte, streamte das Schauspielhaus die Arbeit der Kollegen und Kolleginnen aus der freien Szene zu den gleichen Konditionen. Für zahllose Bühnenangehörige ist Corona eine Katastrophe, für einige die Zeit für die kostbare Erfahrung von Solidarität.