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Hilfsangebote für Menschen mit Handicaps

Ein deutschlandweit einzigartiger Aufbaustudiengang startet im Sommersemester an der Fachhochschule Frankfurt. Unter dem Titel "Barrierefreie Systeme" sollen Architekten, Informatiker, Ingenieure und Pflegeverantwortliche fachübergreifend lernen, wie man das Leben für Menschen mit Handicap einfacher macht. Der Masterstudiengang ist auch für Berufstätige geeignet.

Von Antje Sieb | 08.02.2005
    Ein Haus ohne Aufzug, eine unübersichtliche Fernbedienung, ein schwergängiger Fenstergriff: Solche lästigen Kleinigkeiten werden bei Altersschwäche oder einer Behinderung schnell zu unüberwindlichen Hindernissen. Das sind Barrieren, erklärt Dieter Kraushaar, in Frankfurt Professor für Soziale Arbeit und Gesundheit.

    Unsere gesamte räumliche, technische Umwelt, von der Wohnung angefangen bis zum öffentlichen Verkehrssystem, sind eigentlich von Menschen entwickelt worden – man sagt immer: Menschen mittleren Alters, männlichen Geschlechts und gesund. Und diese Leute konstruieren so wie sie selber empfinden, und dann hat jeder, der irgendwo ne Einschränkung hat, Schwierigkeiten, mit dieser in Anführungszeichen normalen Welt zurechtzukommen.

    Deshalb sind Menschen auf fremde Hilfe angewiesen, die zumindest teilweise noch allein klarkommen könnten: wenn man nur ihre Umwelt umbauen und einige Barrieren abbauen würde. Professorin Hannelore Reichardt, zuständig für Informatik und Ingenieurwissenschaften.

    Das ist das Hauptanliegen dieses ganzen Studiengangsprojekts: Selbständiges Leben, mit verschiedenen Einschränkungen, Handicaps, auch bis ins hohe Alter.

    Ingenieure und Informatiker können dazu mit technischen Hilfsmitteln beitragen. Etwa mit einem intelligenten Herd, der sich selbständig abschaltet, wenn eine vergessene Kochplatte zu heiß wird. <vergleichsweise simpel,="" aber="" auch="" nützlich="" ist="" eine="" auf="" Knopfdruck="" verstellbare="" Küchenzeile,="" die="" im="" Pflegelabor="" der="" Fachhochschule="" zum="" Üben="" bereitsteht.<br=""></vergleichsweise>
    Das interessante ist, dass dieser gesamte Bereich mitsamt den Schränken höhenverstellbar ist, so dass auch ein Mensch, der in sitzender Körperhaltung arbeiten muss, sich seine Sachen hier holen kann, und kann am Herd arbeiten.

    Beim Praxistest stellt sich auch heraus, was nicht so gut funktioniert – zum Beispiel eine Spezial-Steckdose. Um den Stecker herauszuziehen, muss man nicht daran zerren, sondern einen Hebel an der Steckdose betätigen.

    Das ist eine, die ist prämiert worden. – Aha - Das war ein Ingenieur der auch wieder im mittleren Alter war. Der hat gedacht, die Leute können schlecht packen, also machen wir einen kleinen Hebel. Aber wenn sie jetzt den Hebel bedienen, brauchen sie sehr viel Kraft – ja?- probieren Sie mal – oh…ja! – Das heißt, das ist nicht zu Ende gedacht. Es ist nicht daran gedacht, dass ja der Kraftaufwand bei einem Menschen der schlecht packen kann, auch wesentlich geringer wird.

    Mit den richtigen Hilfsmitteln und durchdachter Architektur kann man auch die Pflege viel individueller planen und den Betroffenen mehr Selbständigkeit lassen. Systematische Zusammenarbeit ist also nötig: zwischen Pflegeverantwortlichen, Architekten und Ingenieuren. Deshalb gibt es im Studiengang viele gemeinsame Projekte.

    Und das Pfiffige an diesem Studiengang, finde ich, ist dass wir die Experten aus den Fächern schon im Studium zusammensetzen und nicht erst nach dem Studium. Das führt in der Praxis, wie wir wissen, oft zu Reibungsverlusten, zu Fehlplanungen, man merkt erst hinterher, dass vieles falsch ist, und das wollen wir vermeiden, und das geht nur indem man verschiedene Disziplinen zusammenbringt.

    Gedacht ist der Studiengang übrigens nicht nur für Vollzeitstudenten: Hannelore Reichardt und ihre Kollegen haben den Studienplan gezielt so zugeschnitten, dass auch Berufstätige sich einschreiben können.

    Wir haben nur geringe Präsenzzeiten, wir haben ein großes Internetportal, dort sind viele Materialien eingestellt, die Professoren stehen jeden Abend in Chatrooms zur Verfügung und können auch dort konsultiert werden. Das ist auch ein neues Konzept hier an der Fachhochschule, das wir jetzt testen wollen.

    Insgesamt können 54 Studenten in den Masterstudiengang aufgenommen werden: das heißt 18 Architekten, 18 Informatiker oder Ingenieure und 18 Absolventen der Pflegewissenschaft oder verwandter Fächer, die ihr Diplom oder ihren Bachelor bereits in der Tasche haben.

    Weitere Informationen:

    Die Bewerbungsfrist für den Aufbaustudiengang "Barrierefreie Systeme" läuft noch bis zum 15. Februar. Wer sich für den Studiengang interessiert, kann sich die Internetseite zum Aufbaustudiengang "Barrierefreie Systeme" ansehen.