Montag, 06. Mai 2024

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Hilke Wagner über Kunst in Ost- und Westdeutschland
"Der Westen hat Klischees im Kopf"

Die Rezeption ostdeutscher Kunst steht an einem Wendepunkt. Zum ersten Mal zeige sich ein Interesse an ostdeutscher Kunst jenseits der DDR-Staatskunst, sagte die Direktorin des Dresdner Albertinums, Hilke Wagner, im Dlf. Eine Hauptaufgabe der Museen sieht sie darin, diese Kunst jetzt anzukaufen.

Hilke Wagner im Gespräch mit Antje Allroggen | 24.07.2019
Ein Porträt von Hilke Wagner, Direktorin des Albertinums, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2017
Hilke Wagner, Direktorin des Albertinums, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (imago images / Matthias Rietschel)
Der Westen versteht heute noch viel zu wenig von ostdeutscher Kunst. Davon ist Hilke Wagner, die Direktorin des Dresdner Albertinums, überzeugt. Zwar habe es mit "Deutschlandbilder. Kunst aus einem geteilten Land" 1997 oder der großen Retrospektive "Kunst der DDR" in der Berliner Nationalgalerie 2003 Meilensteine gegeben. Das Interesse an ostdeutscher Kunst habe aber gerade erst begonnen.
Ausstellungen präsentieren derzeit ostdeutsche Kunst. Besonders erwähnenswert scheint Wagner, dass mit dem Düsseldorf Kunstpalast auch ein westdeutsches Museum demnächst ostdeutsche Kunst jenseits der DDR-Kunst zeigen wird. Eine Ausstellung, die - so Wagner - "in die Tiefe gehen wird". Düsseldorf stelle die Werke nicht nur als Teil einer ostdeutschen Kunstszene dar.
Freie Westkunst, unfreie Ostkunst
Immer noch hätten viele Menschen im Westen Klischees im Kopf, betont Wagner. So werde ostdeutsche Kunst mit unfreier Kunstproduktion gleichgesetzt und DDR-Staatskunst einer freien Kunstproduktion im Westen gegenübergestellt.
In diesem Denken sieht Hilke Wagner auch eine Ursache für heftige Debatten und Grabenkämpfe der Vergangenheit. So wurde der Chef der Berliner Nationalgalerie, Dieter Honisch, angefeindet, als er nach der Wiedervereinigung Ost- und Westkunst in der ständigen Ausstellung nebeneinander hängen wollte.
Ein besonderes Augenmerk gilt laut Hilke Wagner den Künstlerinnen der DDR-Zeit. "Sie sind vor 1989 marginalisiert worden und danach wieder." Werke dieser Frauen, aber auch Performances, Installationen und Experimentalfilme von bisher wenig bekannten Künstlerinnen und Künstlern der DDR sollten von den Museen jetzt angekauft werden. Außerdem fordert Museumsdirektorin Hilke Wagner, den Kanon der Kunst aus der DDR endlich zu revidieren.
Hilke Wagner ist Direktorin des Albertinums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Die Kasseler Kunsthistorikerin leitet damit seit November 2014 das Albertinum in Dresden, die Galerie für Neue Meister, die die Gemälde des 19. bis 21. Jahrhunderts der Staatlichen Kunstsammlungen hütet, und Teile der Skulpturensammlung. Davor stand Wagner an der Spitze des Kunstvereins Braunschweig.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.