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Hindernis Sprache

Ab der kommenden Woche dürfen belgische Unternehmen ohne Einschränkungen Arbeitskräfte aus den zehn neuen EU-Ländern beschäftigen. Lange Übergangsfristen, wie sie in Deutschland noch bis 2009 gelten, wollte Belgien nicht. Allerdings haben es Arbeitskräfte aus Osteuropa schwer. Sven-Claude Bettinger berichtet.

    Kachtem in Westflandern: Am Rand des Dorfes liegt zwischen Schweinemästereien die hellgraue Halle der Firma Schramme. Sie bearbeitet Maschinenteile. Einer der 25 spezialisierten Dreher und Fräser ist Florian Taschack. Der stämmige junge Mann mit Bürstenschnitt und Bart erzählt, wie er von Teltow nach Kachem gekommen ist:

    "Also ich hatte während meiner Ausbildungszeit mir Gedanken gemacht, wo ich denn Arbeit finde. Und ich habe direkt in Deutschland überall gesucht. Bloß, da war es schwierig, weil die Menschen dann gesagt haben, ich habe keine Wohnung in der Nähe und so, keine Erfahrung. Ja, und dann entschied ich mich dazu, mich auch ins Ausland zu bewerben. Dann hab ich im Internet gesucht und hab eine Bewerbung geschickt. Und ich wurde genommen, hier."

    Vermittler war ein Interimbüro. Zunächst war das Florian Taschacks eigentlicher Arbeitgeber. Bald beschloss Betriebsleiter Philippe Schramme jedoch, den deutschen Fräser fest anzustellen:

    "Die deutsche Ausbildung entspricht zwar nicht ganz der belgischen. Aber Florian, den ich zuerst nur auf dem Papier kannte, hat in der Praxis schnell dazugelernt. Auch deshalb wünsche ich mir, dass er langfristig bei uns bleibt."

    Der Teltower sieht das auch so:

    "Da ich ja auch nicht schlecht verdiene, und: viele Erfahrungen sammeln, mit möglichst vielen Maschinen, viele Werkstoffe bearbeiten. Mal sehen, was noch kommt."

    Einige Kollegen sprechen recht gut Deutsch. Von ihnen hat Florian Flämisch gelernt. Und nicht nur am Arbeitsplatz hat er keine Probleme mit der Kommunikation:

    "Wenn ich ins Café gehe oder so, dann fangen sie an zu reden und sind alle sehr freundlich, wollen alle wissen, warum ich hier bin, was ich hier mache, alles so was."

    Einige tausend Deutsche aus den neuen Bundesländern sind in der flämischen metallverarbeitenden Industrie beschäftigt. Viele hat Robert van Rooij vermittelt. Der Human Resources Manager eines Interimbüros erläutert, warum zahlreiche Betriebe gerne Deutsche und nur im Notfall osteuropäische Facharbeiter einstellen:

    "Mitarbeiter aus Tschechien oder Polen sind oft auf der Suche nach einer Stelle für 8, 10, 12, 15 Wochen. Die wollen dann möglichst viele Stunden machen, gehen dann wieder zurück und kommen oft nicht wieder. Das ist keine Lösung für die Probleme, die wir hier haben."

    Auch mit der Kommunikation klappt es nicht so recht:

    "Wenn man eine Gruppe von zehn Leuten aus Polen hat, davon spricht einer gut Deutsch, ein anderer versteht es, spricht es aber nicht, und die anderen acht sind alle abhängig von diesen zwei. Das ist natürlich schwierig für die Betriebe. Aber das hat auch etwas mit Sicherheit am Arbeitsplatz zu tun. Wenn da jemand ruft 'Feuer!' und keiner reagiert, dann kann man doch ein großes Problem haben."

    Beata Walczak lebt seit geraumer Zeit in Limburg. Die gebürtige Polin hat einen Belgier geheiratet und dafür eine gute Stelle in Warschau aufgegeben:

    "Ich habe in Polen fünf Jahre Krankenpflege studiert. Ich habe viel Erfahrung, denn ich habe 13 Jahre lang als OP-Schwester gearbeitet - bis zu meiner Übersiedlung nach Belgien."

    Obwohl Krankenschwestern oder Altenpflegerinnen in Belgien Mangelware sind, bekam Beata Walczak keine Stelle:

    "Mein größtes Problem ist die Sprache. Niederländisch ist sehr schwer. So habe ich bei einer großen Reinigungsfirma Arbeit bekommen und daneben Sprachkurse belegt. Das ist gewiss kein Traumjob, das ist weit unter meinem Niveau."

    Die Sprache beherrscht Beata Walczek inzwischen einigermaßen. Dennoch kann sie noch immer nicht in ihrem alten Beruf arbeiten. Belgien erkennt ihren polnischen Studienabschluss nicht an. Anders als die Privatwirtschaft, die zuerst die praktischen Kenntnisse und die Motivation ausländischer Stellenbewerber beurteilt, ist das Gesundheitswesen nicht flexibel. Deshalb muss die Polin wieder ein paar Jahre studieren. OP-Schwester wird sie so schnell nicht wieder sein.