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Hinfahren, streiten und wieder wegfahren

Sie wohnt in Berlin, er in Frankfurt, treffen kann sich das Paar nur am Wochenende. Solche Fernbeziehungen sind in Zeiten, in denen Arbeitgeber von ihren Beschäftigten Mobilität und Flexibilität fordern, keine Seltenheit mehr. Doch viele solcher Partnerschaften überstehen die Entfernung nicht.

Von Jens P. Rosbach |
    " Wenn wir uns zum Beispiel am Bahnhof getroffen haben, einer kam mit dem Zug an, dann stand man wirklich so voreinander und, ja, dann hat man sich natürlich umarmt, aber irgendwie hatte ich schon oft das Gefühl: Natürlich kenne ich diese Person, aber es ist irgendwie doch so wie ein Fremder. Es ist halt nicht so dieser alltägliche Umgang."

    Katarina Riemer hat zwei Jahre lang eine Wochenendbeziehung geführt. Die 27jährige Aufnahmeleiterin arbeitet bei einer Fernseh-Produktionsgesellschaft in Berlin, ihr damaliger Freund dagegen in Frankfurt am Main. Somit lagen mehr als 500 Kilometer zwischen ihnen.

    " Viele sagen, ja okay, wenn man sich dann das Wochenende sieht nach vier Wochen, ist ja klar, da geht man gleich ins Bett oder so. Aber das kann ich nicht bestätigen, dass das so war. Natürlich gab's auch solche Situationen, aber das war eher die Ausnahme."

    Auch Lutz Alsleben hat viel geopfert:

    " Das ist denn natürlich schon alles Stress, wenn man da ankommt und hat Hunger und dann hat man auch keine Lust: Ja, lass uns mal kochen, da bin ich denn eh schon verhungert, lass uns mal lieber ins Restaurant gehen. Klar konzentriert sich irgendwie alle Aktivität auf so ein Wochenende, dann soll es eben Theater oder Kino sein und das waren dann eben schon immer teure Wochenenden. Natürlich ist eine Wochenendbeziehung auf Dauer auch ein bisschen teurer."

    Der 37jährige IT-Spezialist hat einen Job in Berlin, seine ehemalige Freundin, eine Germanistin, in Hamburg. Problem: Durch die Trennung hatten sie keinen gemeinsamen Freundeskreis. Lutz Alsleben:

    " Ich habe das nur gesehen, wenn man zu einer großen Geburtstagsfeier eingeladen war, dass sie dann eher abseits ihr Gläschen Wein getrunken hat. Während ich da bis nachts um drei wie wild getanzt hab, lag sie schon lang im Bett seit zwölf."

    Besonders kritisch: Wenn sich beide zwischen Freitag und Sonntag - trotz der kurzen Zeit - in die Haare bekommen haben.

    Lutz Alsleben: " Ich bin dann natürlich auch irgendwann, wenn das Fass voll war, explodiert und habe ihr meine Meinung gesagt, und dann ist man quasi den Rest des nächsten Tages, Sonntag, schweigend nebenher gegangen, bis man irgendwie sagt: Alles wieder in Butter. Man umarmt sich und man fährt dann, ist aber doch irgendwie nicht so ganz im Reinen. "

    Katarina Riemer: " Klar ist es dann natürlich doppelt schwierig, wenn einer dann einfach wegfährt und man steht da und hat gewisse Dinge noch nicht ausgesprochen oder zu Ende diskutiert. Irgendwann redet man über gewisse Sachen einfach nicht mehr, um keine Diskussionen herauf zu beschwören."

    Schließlich das Telefonproblem. Ist jeder wieder in seiner Stadt, werden täglich Stunden am Hörer verbracht. Das Nonverbale - Mimik, Gestik und auch Streicheleinheiten - bleibt dabei auf der Strecke. Missverständnisse kommen auf, die Gefahr eines Seitensprungs ist groß.

    "Natürlich ist es so: Wenn man dann ja jemanden kennen lernt, der einen auch nett umsorgt, der in der selben Stadt ist und diese alltäglichen Sachen - wir treffen uns heute mal spontan zum Kino oder gehen mal essen oder ja kommst du einfach mal mit zu mir - da muss ich sagen, ist die Versuchung schon groß - und war groß. "

    Katarina Riemer versuchte schließlich eine Arbeit in der Stadt ihres Freundes zu bekommen, doch dieser wollte sie gar nicht ständig in seiner Nähe haben. Die Beziehung zerbrach. Heute ist die 27-Jährige froh, dass sie ihren Job in Berlin nicht aufgegeben hat. Die Wochenendbeziehung von Lutz Alsleben ging ebenfalls in die Brüche, nach drei Jahren. Allerdings glaubt er mittlerweile, falsche Prioritäten gesetzt zu haben:

    " Ich bin der festen Überzeugung, wenn ich noch in den glücklicheren Tagen, also gerade in den ersten ein, zwei Jahren, nach Hamburg gegangen wäre und mir dort einen Job gesucht hätte - was für mich kein Problem gewesen wäre, aber ich hätte einen sehr guten Job aufgegeben - und man hätte zusammen gelebt, dann wären wir sicher heute noch zusammen. Weil man viele Dinge hätte anders bereinigen können. Das rede ich mir ein, sage ich mal so, bin schon der Meinung, dass dem so wäre. "