"Buh", schrien die Zuschauer 1976 am Ende der Othello-Inszenierung in Hamburg. Düpiert fühlte sich das Bildungsbürgertum, weil da nicht der edle Mensch und talentierte Feldherr zu sehen war, sondern eine Art King Kong mit dick aufgetragener schwarzer Farbe, ein Tier gefangen in einem bösen Spielchen. Das war Comicstrip, anarchisches Volkstheater, Parodie der Bildungsanstalt - das Publikum grölte und schimpfte.
Zadek, der Provokateur, hatte mit zwei seiner Lieblingsschauspieler, mit Eva Mattes und Ulrich Wildgruber, für den größten Hamburger Theaterskandal der Nachkriegsjahrzehnte gesorgt - und für einen der vielen Höhepunkte seiner Künstlerbiografie, die schon im Exil, in England begonnen hatte. 1933 hatte die jüdische Familie Zadek Berlin verlassen und war nach London emigriert. Der junge Peter Zadek hatte in England zwar keinen durchschlagenden Erfolg, wohl aber eine solide Ausbildung erfahren, bevor er 1958 nach Köln zu einer Gastinszenierung eingeladen wurde, mit der seine deutsche Theaterbiografie begann.
"Ich glaube und habe immer glaubt, deswegen bin ich nach Deutschland gekommen, an ein enges Ensembletheater. Die einzige Möglichkeit, Theater zu machen, das sind 20 Schauspieler, die sich so gut kennen, wie sie ihre Kinder, Eltern und niemand anderes kennen. Die Engheit und Verbundenheit, die macht eine völlig andere Arbeit. Die kennen sich so gut, dass, wenn einer so macht, oder einer berührt jemand anders, dann wissen sie durch die Berührung schon, was der andere will."
Seine Begegnung mit Kurt Hübner wurde für Zadeks künstlerische Entwicklung in Deutschland entscheidend. Zunächst verschaffte der große Endecker-Intendant dem jungen Zadek in Ulm, dann während seiner Intendanz in Bremen Arbeitsmöglichkeiten. Die Hansestadt wurde dabei in den 1960er-Jahren zur Wiege einer furiosen Theatergeschichte.
Beflügelt von seinen Bremer Erfolgen wird der Regisseur Intendant in Bochum. Noch heute ist älteren Zuschauern im Ruhrpott Zadeks legendärer Fallada-Abend "Kleiner Mann, was nun" in lebendiger Erinnerung. Aber die administrative Leitung des Theaters war Zadeks Stärke nicht. Nach seinem Ausscheiden in Bochum arbeitete er viele Jahre als freier Regisseur, bevor er 1985 für vier Jahre eine von Skandalen und Krisen gezeichnete Intendanz am Deutschen Schauspielhaus Hamburg annahm.
Weitere kulturpolitische Skandale entzündeten sich nach dem Fall der Berliner Mauer, als Zadek, zusammen mit Heiner Müller und drei weiteren Theateraltmeistern aus Ost und West in die Direktion des Berliner Ensembles eintrat. Wieder wird der jüdische Individualist mit deutscher Geschichte konfrontiert und brandmarkt die faschistoide Ästhetik, die die theatralische Wiedervereinigung seiner Kollegen am Berliner Ensemble begleitet. Immer wieder reist er nun nach Wien, um dort an großen altersweisen Inszenierungen insbesondere von Tschechow-, Ibsen- und Shakespeare-Stücken zu arbeiten, an Dramatikern, die seine Theaterarbeit immer als großes Dreigestirn prägten.
Immer textverliebter wurden seine Arbeiten in den letzen Jahren, immer mehr Erkundungen in der Welt der Dramatiker. Auch das machte den Regisseur zum Außenseiter in einer wiederum vor einer neuen Generation eroberten Bühnenlandschaft. Ihnen, den neuen Regisseuren, rief er zu:
"Die müssen lernen zuzuhören und das tun sie alle nicht. Hören und genau hören und gucken und genau gucken, das finde ich das Wichtigste. Ich sage sehr wenig in Proben. Ich sage manchmal tagelang überhaupt nichts und guck einfach genau zu und sehe, was die Schauspielern machen. Dann weiß ich ja auch nach einer Weile, warum sie es machen. Ich probiere intern, das Leben von den Schauspielern weiterzuentwickeln."
Das also meinte die Zadeksche Herausforderung an die deutsche Gesellschaft und den deutschen Kulturbetrieb von Anfang an: die Stiftung eines Lebens, das sich auf der Bühne als ein vitaler Gegenbegriff zu einer in Konventionen totlaufenden Routine behauptet. Peter Zadek war der liebende Provokateur, einer, der mit einer kleinen Schar ungewöhnlicher Akteure das durch das Falsche kaschierte wahre Leben zeigen wollte, und der das Theater zum Ort einer Fantasie machte, deren Strahlkraft auf die Umwelt ausgreifen und sie aus ihrer Erstarrung lösen sollte.
Zadek, der Provokateur, hatte mit zwei seiner Lieblingsschauspieler, mit Eva Mattes und Ulrich Wildgruber, für den größten Hamburger Theaterskandal der Nachkriegsjahrzehnte gesorgt - und für einen der vielen Höhepunkte seiner Künstlerbiografie, die schon im Exil, in England begonnen hatte. 1933 hatte die jüdische Familie Zadek Berlin verlassen und war nach London emigriert. Der junge Peter Zadek hatte in England zwar keinen durchschlagenden Erfolg, wohl aber eine solide Ausbildung erfahren, bevor er 1958 nach Köln zu einer Gastinszenierung eingeladen wurde, mit der seine deutsche Theaterbiografie begann.
"Ich glaube und habe immer glaubt, deswegen bin ich nach Deutschland gekommen, an ein enges Ensembletheater. Die einzige Möglichkeit, Theater zu machen, das sind 20 Schauspieler, die sich so gut kennen, wie sie ihre Kinder, Eltern und niemand anderes kennen. Die Engheit und Verbundenheit, die macht eine völlig andere Arbeit. Die kennen sich so gut, dass, wenn einer so macht, oder einer berührt jemand anders, dann wissen sie durch die Berührung schon, was der andere will."
Seine Begegnung mit Kurt Hübner wurde für Zadeks künstlerische Entwicklung in Deutschland entscheidend. Zunächst verschaffte der große Endecker-Intendant dem jungen Zadek in Ulm, dann während seiner Intendanz in Bremen Arbeitsmöglichkeiten. Die Hansestadt wurde dabei in den 1960er-Jahren zur Wiege einer furiosen Theatergeschichte.
Beflügelt von seinen Bremer Erfolgen wird der Regisseur Intendant in Bochum. Noch heute ist älteren Zuschauern im Ruhrpott Zadeks legendärer Fallada-Abend "Kleiner Mann, was nun" in lebendiger Erinnerung. Aber die administrative Leitung des Theaters war Zadeks Stärke nicht. Nach seinem Ausscheiden in Bochum arbeitete er viele Jahre als freier Regisseur, bevor er 1985 für vier Jahre eine von Skandalen und Krisen gezeichnete Intendanz am Deutschen Schauspielhaus Hamburg annahm.
Weitere kulturpolitische Skandale entzündeten sich nach dem Fall der Berliner Mauer, als Zadek, zusammen mit Heiner Müller und drei weiteren Theateraltmeistern aus Ost und West in die Direktion des Berliner Ensembles eintrat. Wieder wird der jüdische Individualist mit deutscher Geschichte konfrontiert und brandmarkt die faschistoide Ästhetik, die die theatralische Wiedervereinigung seiner Kollegen am Berliner Ensemble begleitet. Immer wieder reist er nun nach Wien, um dort an großen altersweisen Inszenierungen insbesondere von Tschechow-, Ibsen- und Shakespeare-Stücken zu arbeiten, an Dramatikern, die seine Theaterarbeit immer als großes Dreigestirn prägten.
Immer textverliebter wurden seine Arbeiten in den letzen Jahren, immer mehr Erkundungen in der Welt der Dramatiker. Auch das machte den Regisseur zum Außenseiter in einer wiederum vor einer neuen Generation eroberten Bühnenlandschaft. Ihnen, den neuen Regisseuren, rief er zu:
"Die müssen lernen zuzuhören und das tun sie alle nicht. Hören und genau hören und gucken und genau gucken, das finde ich das Wichtigste. Ich sage sehr wenig in Proben. Ich sage manchmal tagelang überhaupt nichts und guck einfach genau zu und sehe, was die Schauspielern machen. Dann weiß ich ja auch nach einer Weile, warum sie es machen. Ich probiere intern, das Leben von den Schauspielern weiterzuentwickeln."
Das also meinte die Zadeksche Herausforderung an die deutsche Gesellschaft und den deutschen Kulturbetrieb von Anfang an: die Stiftung eines Lebens, das sich auf der Bühne als ein vitaler Gegenbegriff zu einer in Konventionen totlaufenden Routine behauptet. Peter Zadek war der liebende Provokateur, einer, der mit einer kleinen Schar ungewöhnlicher Akteure das durch das Falsche kaschierte wahre Leben zeigen wollte, und der das Theater zum Ort einer Fantasie machte, deren Strahlkraft auf die Umwelt ausgreifen und sie aus ihrer Erstarrung lösen sollte.