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Hinter den Kulissen der amerikanischen Präsidentschaftswahl

Der Politthriller "The Ides of March – Tage des Verrats" handelt von einer amerikanischen Präsidentschaftswahl mit einem Netz aus Intrigen hinter den Kulissen. George Clooney führte bei dem Film zum dritten Mal Regie und übernahm außerdem die Rolle des Präsidentschaftskandidaten.

Von Rüdiger Suchsland | 19.12.2011
    "Sie können einen Krieg anfangen. Sie können den Staat bankrott gehen lassen. Sie können alles tun. Das Einzige, was Sie auf keinen Fall tun dürfen, ist mit Ihrer Praktikantin ins Bett gehen."

    Dieser eine Satz ist es wohl, der die ganze Absurdität des amerikanischen Politikbetriebs - und nicht nur des amerikanischen - auf den Punkt bringt.

    Im brisanten Politthriller "The Ides of March - Tage des Verrats" führt der Schauspieler George Clooney zum dritten Mal Regie und spielt selbst eine der Hauptrollen: Mike Morris, einen Gouverneur der demokratischen Party, der sich um die US-Präsidentschaft bemüht. Ein Hoffnungsträger, einer der wie Obama verspricht, dass alles ganz anders werden könnte. In Ohio stehen jetzt die alles entscheidenden Vorwahlen an.

    Die eigentlichen Hauptfiguren des Films sind aber Morris' Berater im Hintergrund: ein Hochleistungsteam, das den Wahlkampf so effizient und skrupellos führt, wie eine Truppe einen Feldzug, eine verschworene, aber immer durch Interessen bestimmte Gemeinschaft. Da ist Stephen die rechte Hand des Wahlkampfmanagers. Er hat sich im Stahlbad des Politik-Geschäfts einen Hauch Idealismus bewahrt. Doch er macht Fehler. Nicht nur, dass er mit der Praktikantin Molly ins Bett geht. Viel schwerer wiegt, dass er in das heimliche Treffen mit dem Wahlkampfmanager der Konkurrenz einwilligt. Nun hat er das Vertrauen seines Chefs verloren und ist erpressbar geworden. Und damit nicht genug: Irgendwann erfährt Stephen, dass Molly auch mit dem Kandidaten Morris etwas hatte - und ein Kind erwartet.

    Eines Tages bekommt Stephen einen Anruf: Er kommt von seinem schärfsten Konkurrenten, dem Wahlkampfmanager der Gegenseite. Eigentlich dürfte Stephen gar nicht mit ihm sprechen. Erst recht dürfte er nicht auf das Angebot eingehen, sich unter vier Augen zu treffen. In dem Moment, in dem er es doch tut, verharrt die Kamera etwas zu lange auf seinem Gesicht, folgt seinen Blicken durch die Glasscheibe - Musik setzt ein, zum ersten Mal in dem Film. Und jeder im Zuschauersaal spürt, dass dies ein ganz entscheidender Moment, ja: Der entscheidende Moment ist in diesem Film.

    Es gibt noch zwei, drei andere Momente in "The Ides of March", die ähnlich intensiv, ähnlich aus der Zeit gefallen sind. Und wie er diese Intensität herstellt, den Mut zum Pathos hat, ohne dass der Film nun deshalb pathetisch oder gar kitschig würde, das ist die große Kunst des Regisseurs George Clooney.

    Immer dichter und komplizierter wird das Netz aus wechselseitigen Intrigen, dass Clooney spinnt. Er zeigt den demokratischen Politikbetrieb durch und durch desillusionierend als Welt, in der verlogene Rhetorik und moralische Korruption den Ton angeben, in der jeder jederzeit stürzen kann, jede Handlung und Äußerung hochgefährlich ist, und in der man manchmal zynisch sein muss, wenn man seine Ideale verwirklichen will.

    Er schildert Verführung, Manipulation und Verschwörung, die keine der Figuren unberührt lassen - wie in einem Shakespeare-Drama. "Die Iden des März", das ist natürlich eine Anspielung auf die Geschichte von Julius Caesar, die auch William Shakespeare erzählte - des charismatischen Herrschers, der als Retter der Republik begann und als Begründer der Diktatur endete. Mit dem Unterschied, dass man bis zum Schluss nicht sicher ist, wer hier Caesar, wer Brutus und wer Marc Anton ist. Vor allem aber ist dies einer der ersten Filme, die unsere Gesellschaft in ihrem Wesen als PR-Gesellschaft beschreiben, als Welt, in der die PR-Berater und das Verkaufen von Inhalten und Werten wichtiger geworden sind, als diese Inhalte selbst.

    Im Unterschied zu einem Film wie "Primary Colors", der vom Clinton-Wahlkampf erzählte, ist hier der Kandidat keine Witzfigur und keine Marionette seiner Ehefrau. Aber er ist auch nicht frei. Er trifft seine Entscheidungen nach den Vorgaben der PR-Consultants.

    Nebenbei werden viele zumindest bedenkenswerte Aussagen getroffen: "Wenn man sagt: 'Umverteilung des Wohlstands', dann schreien die Reichen 'Sozialismus'. Darum sage ich: Ich bin gegen die Umverteilung des Wohlstands - zu den Reichen!" Oder über die Republikaner: "They are meaner, rougher, and more disciplined than we are."

    Dies ist also kein politischer, sondern ein moralischer Film. Es geht um die Frage, ob man bereit ist, seine Seele zu verkaufen, damit das richtige Ergebnis herauskommt.