Im Labor des Bonner Instituts für Evolutionsbiologie sieht es aus wie in einer Zierfischhandlung. Rund herum blubbert es aus dutzenden Aquarien. Hinter den Glaswänden schwimmen junge Barsche und winzige Krebse – der eigentliche Hauptdarsteller ist nicht zu sehen: der Parasit.
"Der Parasit nennt sich Pomphorhynchus laevis. Fällt unter die Acantocephalen. Auf Deutsch gibt es da auch einen Namen für: Die nennen sich ‚Kratzer’."
Der Biologe Sebastian Baldauf ist auf ein besonders trickreiches – bei Menschen würde man sagen "listiges" Verhalten dieses Kratzwurms gestoßen. Die Eier dieses Parasiten werden von Bachflohkrebsen mit der Nahrung aufgenommen. Im Krebs schlüpft der Parasit und wächst heran. Doch wenn die Larve eine bestimmte Größe erreicht hat, kommt der entscheidende Moment im Leben des Kratzers: Er muss umsiedeln.
"Weil im Krebs erhält er nicht genügend Nährstoffe, kann nicht wachsen, hat nicht genug Platz."
Denn der Krebs ist kaum so groß wie ein Fingernagel. Der Parasit ist also darauf angewiesen, dass der Bachflohkrebs von einem größeren Tier gefressen wird, damit er sich dann in diesem weiterentwickeln kann. Dazu wendet der Kratzer verschiedene Tricks an. Zum einen schimmert die leuchtend orange Färbung des Parasiten durch den Körper des Krebses hindurch. Dadurch wird der Krebs von hungrigen Fischen leichter entdeckt. Aber das genügt dem Parasit noch nicht. Er beeinflusst außerdem das Verhalten des Krebses. Das zeigte sich im Experiment: Sebastian Baldauf unterteilte dazu ein Aquarium durch ein feinmaschiges Netz in einen oberen und einen unteren Bereich.
"Wir haben hier in diesem Aquarium mit dem Bachflohkrebs Wahlexperimente durchgeführt. Das Aquarium ist unterteilt oberhalb des Netzes in zwei Kompartimente, links, rechts. Und dort wurde zufällig in die linke oder die rechte Kammer dann ein Predator, also ein Fisch, der auch Bachflohkrebse frisst, zugegeben. In unserem Fall ein Flussbarsch."
Unter dem Netz schwammen Bachflohkrebse, gesunde und vom Parasit infizierte. Die gesunden Krebse reagierten auf den Barsch, wie man es von ihnen erwartet: Sie flüchteten in die entlegenste Ecke des Aquariums.
"Umgekehrt war es bei den infizierten Tieren. Sie schwammen signifikant zum Fisch hin."
Die kranken Krebse schwimmen also ihrem Jäger direkt ins Maul. Um herauszufinden, was genau die Krebse in den Selbstmord treibt, dachten sich die Bonner Biologen weitere Versuche aus. Die Lösung zeigte sich, als die Forscher den Fisch aus dem Aquarium nahmen und stattdessen zusätzliches Wasser einleiteten.
"Und zwar Wasser aus einem Becken, wo die Barsche gehalten wurden. Dort ist eine hohe Konzentration von Geruchsstoffen, die die Fische abgeben. Und in dem Experiment konnten wir zeigen, dass der Geruch ausschlaggebend dafür ist, ob sie vor einem Fisch flüchten oder nicht."
Der Parasit verwirrt dem Krebs den Geruchssinn. Für den Krebs riecht sein Jäger nicht mehr abschreckend, sondern attraktiv. Er lässt sich fressen und die Parasitenlarve kann im Darm des Fisches zum erwachsenen Wurm heranreifen. Die Eier des Kratzwurms werden vom Fisch ausgeschieden, von Bachflohkrebsen gefressen – und der Kreislauf beginnt aufs Neue. Wie es dem Parasiten gelingt, seinen Zwischenwirt in den Selbstmord zu treiben, ist noch unklar.
"Es gibt allerdings Arbeiten, die gerade in diesem Wirt-Parasit-Verhältnis festgestellt haben, dass anscheinend Serotonin als Botenstoff eine Rolle spielt. Es ist nicht klar, ob der Parasit selbst Stoffe ausscheidet, die das Nervensystem dann beeinflussen, oder ob Nervenleitungen gehemmt werden. Man hat nur festgestellt, dass im Falle einer Infektion sich das Serotonin innerhalb eines infizierten Tieres verändert."
Die Entdeckung der Bonner Forscher fügt den bisher bekannten Parasitentricks ein weiteres verblüffendes Beispiel hinzu. Andere Parasiten lassen die Fühler von Bernsteinschnecken pulsierend leuchten oder Ameisen auf die Spitzen von Grashalmen klettern. Ziel ist stets, dass der Zwischenwirt gefressen wird und der Parasit sich in einem größeren Tier weiter entwickeln kann. Von Parasiten lernen, heißt überleben lernen. Man muss sich clevere Tricks einfallen lassen, um auf Kosten anderer ein gutes Leben zu führen.
"Der Parasit nennt sich Pomphorhynchus laevis. Fällt unter die Acantocephalen. Auf Deutsch gibt es da auch einen Namen für: Die nennen sich ‚Kratzer’."
Der Biologe Sebastian Baldauf ist auf ein besonders trickreiches – bei Menschen würde man sagen "listiges" Verhalten dieses Kratzwurms gestoßen. Die Eier dieses Parasiten werden von Bachflohkrebsen mit der Nahrung aufgenommen. Im Krebs schlüpft der Parasit und wächst heran. Doch wenn die Larve eine bestimmte Größe erreicht hat, kommt der entscheidende Moment im Leben des Kratzers: Er muss umsiedeln.
"Weil im Krebs erhält er nicht genügend Nährstoffe, kann nicht wachsen, hat nicht genug Platz."
Denn der Krebs ist kaum so groß wie ein Fingernagel. Der Parasit ist also darauf angewiesen, dass der Bachflohkrebs von einem größeren Tier gefressen wird, damit er sich dann in diesem weiterentwickeln kann. Dazu wendet der Kratzer verschiedene Tricks an. Zum einen schimmert die leuchtend orange Färbung des Parasiten durch den Körper des Krebses hindurch. Dadurch wird der Krebs von hungrigen Fischen leichter entdeckt. Aber das genügt dem Parasit noch nicht. Er beeinflusst außerdem das Verhalten des Krebses. Das zeigte sich im Experiment: Sebastian Baldauf unterteilte dazu ein Aquarium durch ein feinmaschiges Netz in einen oberen und einen unteren Bereich.
"Wir haben hier in diesem Aquarium mit dem Bachflohkrebs Wahlexperimente durchgeführt. Das Aquarium ist unterteilt oberhalb des Netzes in zwei Kompartimente, links, rechts. Und dort wurde zufällig in die linke oder die rechte Kammer dann ein Predator, also ein Fisch, der auch Bachflohkrebse frisst, zugegeben. In unserem Fall ein Flussbarsch."
Unter dem Netz schwammen Bachflohkrebse, gesunde und vom Parasit infizierte. Die gesunden Krebse reagierten auf den Barsch, wie man es von ihnen erwartet: Sie flüchteten in die entlegenste Ecke des Aquariums.
"Umgekehrt war es bei den infizierten Tieren. Sie schwammen signifikant zum Fisch hin."
Die kranken Krebse schwimmen also ihrem Jäger direkt ins Maul. Um herauszufinden, was genau die Krebse in den Selbstmord treibt, dachten sich die Bonner Biologen weitere Versuche aus. Die Lösung zeigte sich, als die Forscher den Fisch aus dem Aquarium nahmen und stattdessen zusätzliches Wasser einleiteten.
"Und zwar Wasser aus einem Becken, wo die Barsche gehalten wurden. Dort ist eine hohe Konzentration von Geruchsstoffen, die die Fische abgeben. Und in dem Experiment konnten wir zeigen, dass der Geruch ausschlaggebend dafür ist, ob sie vor einem Fisch flüchten oder nicht."
Der Parasit verwirrt dem Krebs den Geruchssinn. Für den Krebs riecht sein Jäger nicht mehr abschreckend, sondern attraktiv. Er lässt sich fressen und die Parasitenlarve kann im Darm des Fisches zum erwachsenen Wurm heranreifen. Die Eier des Kratzwurms werden vom Fisch ausgeschieden, von Bachflohkrebsen gefressen – und der Kreislauf beginnt aufs Neue. Wie es dem Parasiten gelingt, seinen Zwischenwirt in den Selbstmord zu treiben, ist noch unklar.
"Es gibt allerdings Arbeiten, die gerade in diesem Wirt-Parasit-Verhältnis festgestellt haben, dass anscheinend Serotonin als Botenstoff eine Rolle spielt. Es ist nicht klar, ob der Parasit selbst Stoffe ausscheidet, die das Nervensystem dann beeinflussen, oder ob Nervenleitungen gehemmt werden. Man hat nur festgestellt, dass im Falle einer Infektion sich das Serotonin innerhalb eines infizierten Tieres verändert."
Die Entdeckung der Bonner Forscher fügt den bisher bekannten Parasitentricks ein weiteres verblüffendes Beispiel hinzu. Andere Parasiten lassen die Fühler von Bernsteinschnecken pulsierend leuchten oder Ameisen auf die Spitzen von Grashalmen klettern. Ziel ist stets, dass der Zwischenwirt gefressen wird und der Parasit sich in einem größeren Tier weiter entwickeln kann. Von Parasiten lernen, heißt überleben lernen. Man muss sich clevere Tricks einfallen lassen, um auf Kosten anderer ein gutes Leben zu führen.