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Hinterm Horizont wird’s heißer

Technik. - Der jüngste Winter mit seiner kurzen, aber heftigen Kälteperiode hat die Straßen erneut geschädigt. Doch nicht nur der Frost macht den Verkehrswegen zu schaffen, sondern auch Regen und in seinem Gefolge Überschwemmungen, sowie die Hitze des Hochsommers. Dabei ist das nur der Anfang. Die Klimaerwärmung stellt den Straßenbau vor neue Herausforderungen.

Von Michael Engel | 23.01.2011
    Straßenmeisterei Berenbostel: Für Teamleiter Ingo Schünemann beginnt ein arbeitsreicher Tag. Seine Aufgabe: die vielen Schlaglöcher in den Bundes- und Landesstraßen rund um Hannover mit Asphalt zu füllen.

    "Es geht jetzt nach Mariensee, Wülfelage. Das ist im Neustädter Raum. Da haben wir Löcher in der Fahrbahn, die ausgebessert werden müssen. Das sind sogenannte Schlaglöcher, die durch den harten Winter diesen Jahres beziehungsweise letzten Jahres entstanden sind und immer wieder aufbrechen."

    Wenig später die erste Herausforderung. Eine ganze Serie von Schlaglöchern in einer Kurve. Ingo Schünemann holt Besen und Schaufel, einen schweren Handstampfer aus Eisen, sowie mehrere Eimer mit "Reparaturasphalt":

    "Jetzt fege ich das Loch sauber, weil hier Wasser drin steht. Und das Wasser muss raus. Wir werden es nicht ganz trocken bekommen. Dann müssten wir einen Brenner dazu haben, werden das Material hier einfüllen, mit der Schaufel verteilen und dann mit einem Handstampfer verdichten. Und vielleicht in zwei Tagen wiederkommen und das Loch neu verfüllen. Vielleicht haben wir auch Glück, dass es eine ganze Woche hält, je nachdem, wie die Witterungsverhältnisse sind. Wenn es jetzt viel Regen gibt, wird es nicht ganz so lange halten. Wenn es weniger Regen gibt, hält es ein bisschen länger. Wenn der Frost wieder kommt, wird es auch bisschen länger halten, weil dann weniger Niederschlag da ist."

    Das verfüllte Material sei einfach zu billig, kritisiert Ingo Schünemann, und zeigt auf eine Stelle direkt daneben, die schon vor Jahren verfüllt wurde und bis heute immer noch hält: Damals durfte der Reparaturasphalt noch ein paar Cent mehr kosten. Der flächendeckende Lochfrass ist das Ergebnis einer schlechten Wartung, urteilt Professor Peter Renken, stellvertretender Direktor des Instituts für Straßenwesen an der TU Braunschweig. Asphalt an sich sei ein gutes Baumaterial, nur leider werde bei der Straßenpflege der Rotstift angelegt.

    "Also es ist grundsätzlich nicht so, dass eine Asphaltbauweise im Winter in die Knie gehen muss. Es ist natürlich so, dass wir unsere Straßen genauso erhalten und unterhalten müssen wie alle anderen Maschinen auch. Für den PKW werden die Fahrzeuge jedes Jahr für so und soviel Geld in die Inspektion gebracht, und so ist es mit einer Straße natürlich genauso. Die muss regelmäßig gewartet werden. Und wenn die Decken abgängig sind – zwischen zehn und 20 Jahren halten die – und wenn man Decken dann nur flickt, dann hat man im nächsten Winter natürlich das Problem, dass diese Flickstellen aufreißen, und dann kommt es zu diesen Frostausbrüchen."

    In anderen Ländern sind die Probleme nicht so groß: Italienische Straßenbauer zum Beispiel müssen sich vor allem gegen die Hitze wappnen. In Schweden wiederum müssen die Straßen vor allem fit gegen Kälteeinwirkungen sein. Deutschland hingegen gilt unter Experten als schwieriges Terrain, weil hier sowohl Kälte als auch Hitze herrschen kann. Außerdem ist Deutschland – anders als Schweden - eine Drehscheibe für den internationalen Schwerlastverkehr. Und jeder LKW, so Jan Hiske, Straßenbauingenieur aus Ehlersfeld, belastet die Straße soviel wie 10.000 PKW:

    "Man schimpft immer wieder und sagt die PKW-Fahrer haben Schuld daran, dass die Straßen so kaputt sind. Das ist nicht ganz richtig. Ich habe meine sogenannten 10-Tonnen-Achsen, mit Sonderzulassung dürfen sogar 12-Tonnen-Achsen gefahren werden, fast alle Autokräne fahren mit 12-Tonnen-Achsen. Das heißt, ich bringe auf diesen einen Punkt bei einer Überrollung das 10.000-fache an Last."

    Damals, vor 40 Jahren, als viele Straßen gebaut wurden, konnten die Bauingenieure nicht ahnen, dass die Industrie - "Just-in-Time" – ihre gesamte Lagerhaltung auf die Straße verlegen würde. Auch die Maut-Gebühren zeigen Wirkung. Straßenmeister Ingo Schünemann ärgert sich vor einem riesigen Schlagloch auf einer abgelegenen Landstraße:

    "Das sind einfach die LKW, die bei der Einführung der Mautgebühr ausweichen auf die Bundes- und Landesstraßen. Dann sicherlich auch der landwirtschaftliche Verkehr, die großen Mähdreschmaschinen, die über die Landstraßen fahren. Aber ganz groß sind es die Lastwagenfahrer, die versuchen, die Mautgebühr zu umgehen, und so weichen sie auf die Bundesstraßen und Landesstraßen aus."

    Straßenbauingenieure wie Jan Hiske sind erstaunt darüber, dass fast immer nur das billigste Bauunternehmen den Zuschlag erhält. "So bleibt der Fortschritt auf der Strecke." Dabei gibt es neue und tragfähige Konzepte schon längst. Bestes Beispiel ist der offenporige Asphalt, bekannt auch unter dem Namen "Flüsterasphalt". Das Material dämmt Fahrgeräusche, die Drainagefähigkeit bei starkem Regen ist hervorragend, beispielhaft auch das Temperaturverhalten. Einziger Haken: Schon nach zehn Jahren besteht Sanierungsbedarf. Asphaltunternehmen und Ingenieurbüros bedauern: Gute, dann aber leider auch teure Lösungen haben in Deutschland kaum eine Chance.