''Eine wissenschaftliche Debatte über Hip Hop existiert nicht'' schreibt der Historiker Dietmar Hülser in seinem Aufsatz über Rap in Frankreich. In den vergangenen Jahren wurde Deutschland jedoch einiges über Hip Hop geschrieben. Viel Kluges und viel Falsches. Vor allem aber oft ohne persönliches Engagement und wirkliches Interesse. Dass es auch anders geht, zeigen in dieser Woche Studenten der Universität Leipzig. Sie haben die "Hip Hop Awareness Week 2003" organisiert. Mit Vorträge, Poetry Slams Diskussionsrunden, und Konzerte. Die Studenten wollen zeigen , dass hinter Hip Hop viel mehr steckt als nur Musik.
Ein Beitrag von Marion Nagel
Hip Hop lebt vom Dialog zwischen dem, der auf der Bühne steht und denen, die ihm zuhören. Daran hält sich auch Sascha Verlan. Es ist Autor und der Eröffnungsredner der Hip Hop Awareness Week in Leipzig. Seinen Vortrag zur Hip Hop Kultur in Deutschland beginnt Verlan mit der Aufforderung mitzudiskutieren und ihm wenn nötig, das Mikrofon auch aus der Hand zu nehmen.
Das ist das Prinzip von "Call and Response". Das ist diese alte Geschichte, dass jederzeit jemand auf die Bühne kommen kann, das Mikro nimmt und nicht mehr aus der Hand gibt. Dann steh ich `n bisschen dumm da, der andere steht vielleicht auch dumm da. Das ist sein Risiko wenn er der Mikro in die Hand nimmt. Wer das Mikro in die Hand nimmt muss beweisen, dass er es wert ist das Mikro in der Hand zu halten.
Eine Grenze zwischen Publikum und Sprecher gibt es nicht. Genau das fasziniert Verlan nach über zehn Jahren in der Szene immer noch an Hip Hop. Es ist eine offene Kultur und so vielfältig wie die Menschen, die ihn machen. Doch was sind das für Leute? Aus einem Blickwinkel betrachtet, sind es die Jugendhauskids, die Sozialschmarotzer oder Migrantenkinder, die nicht gut deutsch sprechen und keine Perspektive haben. Aus einem andern Blickwinkel sind es Menschen, die unheimlich kreativ sind: Junge Leute, die dichten, tanzen, malen und komponieren. Die Hip Hop Band "Massive Töne" beschreibt diesen "Typ Mensch" in ihrem Song "Nichtsnutz":
…..da draußen seh ich Bekannte deren Ungesichter hörte ihre Geschichten ähnlich wie meine hätte große Lust abzuhauen danach geh ich heim und reime bis spät in die Nacht hinein um meinen Frust abzubauen als Nichtsnutz hab ich einen Traum Beats von hier bis in die Ewigkeit…
Hier äußert sich jemand, der mit einer ungestillten Sehnsucht nach Heimat, Geborgenheit und Anerkennung. Jemand mit Fernweh, einer der auf Suche ist. Genau diese Charakterzüge haben ihre Tradition in der Literatur. Schon vor 150 Jahren schrieb der Romantiker Joseph von Eichendorff über das Leben eines Taugenichts. Zwischen dem Taugenichts von damals und dem Nichtsnutz von heute gibt es viele Parallelen. Für beide ist die Kunst Lebenszweck und beide schaffen es nicht, damit den Ansprüchen der Gesellschaft zu genügen. Hip Hop ist viel mehr als nur Musik sagt Leo Schmieding, einer Organisatoren der Leipziger Hip Hop Woche. Darum gehöre das Thema an die Universität.
Darunter muss man sich vorstellen, dass es insgesamt an deutschen Unis kaum Forschung und Lehre zur Populärkultur am Thema Hip Hop gibt. Auf das muss man Aufmerksam machen und darauf lommts bei der Awareness an.
Neben Vorträgen von amerikanischen und deutschen Dozenten geht es bei der Hip Hop Awareness Week aber auch ganz praktisch zu. Bei Konzerten messen sich lokale Hip Hop Künstler und DJs mit den aus den USA angereisten Gästen. So auch gestern im Leipziger Club Moritzbastei. Dort bekommt so mancher Gast eine Gänsehaut, als die aus Indiana stammenden Künstler "SON" und "The Bedouin" ihre Texte vortragen.
Die Reime handeln von der Suche nach dem eigenen Selbstverständniss kritisieren aber auch Ungerechtigkeit und Ausgrenzung in den USA. Die Künstler fordern das Publikum zum mitmachen auf. Schon bald stehen zehn junge Leipziger auf der Bühne und reimen um die Wette.
Die Texte sind improvisiert, manchmal lustig aber auch oft tiefgründig und nachdenklich. Die Künstler suchen die Verbindung zum Publikum. Einige Zuschauer erfahren Hip Hop durch diese Nähe ganz neu.
Also du siehst den wie er arbeitet, an den Texten wie es aber auch fließt also dieses Bauchgefühl: Hip Hop ist ne emotionale Geschichte. Das kommt über die Texte rüber und das fetzt. Das habe ich so noch nicht entdeckt gehabt bis jetzt.
Die Hip Hop Awareness Week soll in Leipzig keine einmalige Veranstaltungswoche bleiben. Die Studenten der Universität Leipzig wollen auch im nächsten Jahr mit akademischen und künstlerischen Veranstaltungen zeigen wie vielschichtig dieses kulturelle Phänomen ist. Sie wollen die Leute packen, ganz nach einem Zitat des Afroamerikaners Greg Tate: "Man wird Hip Hop dann erkennen, wenn man ihn sieht, man kann ihn aber nur sehen, wenn man davon gepackt wird "
Links zum Thema:
Die Leipziger Hip Hop Awareness Week läuft noch bis zum 4. Juli; dann mit einer Diskussion zum Thema "Hip Hop- mehr als nur Musik? Es diskutieren Gäste aus Österreich, Deutschland und den USA. Die Diskussion findet ab 18 Uhr im Panorama Restaurant im ehemaligen Unihochhaus am Augustusplatz statt. Am Abend gibt es dann ein großes Abschlusskonzert mit allen Künstlern im Stadtteilpark Reudnitz.
Ein Beitrag von Marion Nagel
Hip Hop lebt vom Dialog zwischen dem, der auf der Bühne steht und denen, die ihm zuhören. Daran hält sich auch Sascha Verlan. Es ist Autor und der Eröffnungsredner der Hip Hop Awareness Week in Leipzig. Seinen Vortrag zur Hip Hop Kultur in Deutschland beginnt Verlan mit der Aufforderung mitzudiskutieren und ihm wenn nötig, das Mikrofon auch aus der Hand zu nehmen.
Das ist das Prinzip von "Call and Response". Das ist diese alte Geschichte, dass jederzeit jemand auf die Bühne kommen kann, das Mikro nimmt und nicht mehr aus der Hand gibt. Dann steh ich `n bisschen dumm da, der andere steht vielleicht auch dumm da. Das ist sein Risiko wenn er der Mikro in die Hand nimmt. Wer das Mikro in die Hand nimmt muss beweisen, dass er es wert ist das Mikro in der Hand zu halten.
Eine Grenze zwischen Publikum und Sprecher gibt es nicht. Genau das fasziniert Verlan nach über zehn Jahren in der Szene immer noch an Hip Hop. Es ist eine offene Kultur und so vielfältig wie die Menschen, die ihn machen. Doch was sind das für Leute? Aus einem Blickwinkel betrachtet, sind es die Jugendhauskids, die Sozialschmarotzer oder Migrantenkinder, die nicht gut deutsch sprechen und keine Perspektive haben. Aus einem andern Blickwinkel sind es Menschen, die unheimlich kreativ sind: Junge Leute, die dichten, tanzen, malen und komponieren. Die Hip Hop Band "Massive Töne" beschreibt diesen "Typ Mensch" in ihrem Song "Nichtsnutz":
…..da draußen seh ich Bekannte deren Ungesichter hörte ihre Geschichten ähnlich wie meine hätte große Lust abzuhauen danach geh ich heim und reime bis spät in die Nacht hinein um meinen Frust abzubauen als Nichtsnutz hab ich einen Traum Beats von hier bis in die Ewigkeit…
Hier äußert sich jemand, der mit einer ungestillten Sehnsucht nach Heimat, Geborgenheit und Anerkennung. Jemand mit Fernweh, einer der auf Suche ist. Genau diese Charakterzüge haben ihre Tradition in der Literatur. Schon vor 150 Jahren schrieb der Romantiker Joseph von Eichendorff über das Leben eines Taugenichts. Zwischen dem Taugenichts von damals und dem Nichtsnutz von heute gibt es viele Parallelen. Für beide ist die Kunst Lebenszweck und beide schaffen es nicht, damit den Ansprüchen der Gesellschaft zu genügen. Hip Hop ist viel mehr als nur Musik sagt Leo Schmieding, einer Organisatoren der Leipziger Hip Hop Woche. Darum gehöre das Thema an die Universität.
Darunter muss man sich vorstellen, dass es insgesamt an deutschen Unis kaum Forschung und Lehre zur Populärkultur am Thema Hip Hop gibt. Auf das muss man Aufmerksam machen und darauf lommts bei der Awareness an.
Neben Vorträgen von amerikanischen und deutschen Dozenten geht es bei der Hip Hop Awareness Week aber auch ganz praktisch zu. Bei Konzerten messen sich lokale Hip Hop Künstler und DJs mit den aus den USA angereisten Gästen. So auch gestern im Leipziger Club Moritzbastei. Dort bekommt so mancher Gast eine Gänsehaut, als die aus Indiana stammenden Künstler "SON" und "The Bedouin" ihre Texte vortragen.
Die Reime handeln von der Suche nach dem eigenen Selbstverständniss kritisieren aber auch Ungerechtigkeit und Ausgrenzung in den USA. Die Künstler fordern das Publikum zum mitmachen auf. Schon bald stehen zehn junge Leipziger auf der Bühne und reimen um die Wette.
Die Texte sind improvisiert, manchmal lustig aber auch oft tiefgründig und nachdenklich. Die Künstler suchen die Verbindung zum Publikum. Einige Zuschauer erfahren Hip Hop durch diese Nähe ganz neu.
Also du siehst den wie er arbeitet, an den Texten wie es aber auch fließt also dieses Bauchgefühl: Hip Hop ist ne emotionale Geschichte. Das kommt über die Texte rüber und das fetzt. Das habe ich so noch nicht entdeckt gehabt bis jetzt.
Die Hip Hop Awareness Week soll in Leipzig keine einmalige Veranstaltungswoche bleiben. Die Studenten der Universität Leipzig wollen auch im nächsten Jahr mit akademischen und künstlerischen Veranstaltungen zeigen wie vielschichtig dieses kulturelle Phänomen ist. Sie wollen die Leute packen, ganz nach einem Zitat des Afroamerikaners Greg Tate: "Man wird Hip Hop dann erkennen, wenn man ihn sieht, man kann ihn aber nur sehen, wenn man davon gepackt wird "
Links zum Thema:
Die Leipziger Hip Hop Awareness Week läuft noch bis zum 4. Juli; dann mit einer Diskussion zum Thema "Hip Hop- mehr als nur Musik? Es diskutieren Gäste aus Österreich, Deutschland und den USA. Die Diskussion findet ab 18 Uhr im Panorama Restaurant im ehemaligen Unihochhaus am Augustusplatz statt. Am Abend gibt es dann ein großes Abschlusskonzert mit allen Künstlern im Stadtteilpark Reudnitz.