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Hisbollah am Al-Quds-Tag
Die "Partei Gottes" wirkt im Verborgenen

Wenn Teheran und die Hisbollah zum Al-Quds-Tag rufen, ertönen auf den Straßen Vernichtungswünsche gegenüber Israel. In Berlin fand am Samstag der 20. Marsch dieser Art statt. Todesdrohungen waren diesmal ausdrücklich verboten, ansonsten verlief alles wie gewohnt. Doch Experten warnen: Der Einfluss der Hisbollah in Deutschland werde unterschätzt.

Von Thomas Klatt | 05.07.2016
    Menschen nehmen am 02.07.2016 auf dem Kurfürstendamm in Berlin an einer Kundgebung gegen den israelfeindlichen Al-Quds-Tag teil
    Gegendemonstranten bekunden am Al-Quds-Tag ihre Solidarität mit Israel. (dpa)
    Rund 600 Demonstranten ziehen durch die Berliner City West auf dem Kurfürstendamm bis zum Wittenbergplatz. Die Unterstützer kommen auch von auswärts, aus dem schiitischen Gemeindezentren Hamburg etwa. Palästina-Fahnen werden geschwenkt, Spenden gesammelt. Seit 20 Jahren wird der so genannte Al Quds-Tag in der deutschen Hauptstadt begangen. Nur in diesem Jahr ist einiges anders. Die Polizei hat erstmals das Zeigen von Hisbollah-Symbolen untersagt, genau so wie Propaganda-Sprüche auf Arabisch. Und auf deutsch darf auch nicht mehr alles gesagt werden.
    Durchs Megafon tönt: "'Tod Israels' ist absolut untersagt. 'Tod den Juden' ist absolut untersagt. 'Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein' ist absolut verboten." Aber es werden Plakate hochgehalten, die etwa zu einem Boykott Israels und zur Befreiung Palästinas aufrufen. Immer wieder wird Israel als Aggressor kritisiert. Redner berufen sich hingegen auf Nelson Mandela, Martin Luther King, Ghandi, wie auch auf die afghanischen Mudschaheddin oder Ajatollah Khomeini. Man selbst sei ja friedlich.
    Auf der Demo heißt es: "Die Meinungsfreiheit und das Recht auf eine friedliche Versammlung lassen wir uns von keinem Zentralrat der Juden, den prozionistischen Medien und den Lobbyisten in Politik und Wirtschaft wegnehmen." Die Gegendemonstranten rufen: "Lang lebe Irael!", "Free Gaza from Hamas".
    Die "Partei Gottes" arbeitet im Verborgenen
    Die Gegendemonstranten mit Israelfahnen gut erkennbar sind etwa genau so zahlreich vertreten wie die Israelfeinde. Die Polizei hat alle Hände voll zu tun, die schreienden Lager räumlich voneinander getrennt zu halten. Nicht wenige fordern wie die frühere Zentralrats-Vorsitzende Charlotte Knobloch in München ein Verbot der Al Quds-Demo. Und das American Jewish Committee AJC warnt nicht erst seit diesem Jahr vor den Umtrieben der Hisbollah. Deidre Berger, Leiterin des Berliner AJC-Büros sagt: "Der Al Kuds-Tag ist ein Anti-Israel-Tag, der in die Welt gesetzt ist von dem Ajatolla Khomeini schon vor über 20 Jahren. Gesteuert von Teheran mit Hilfe von Anhängern des iranischen Regimes und der Hisbollah. Hisbollah ist für die Vernichtung Israels, Hisbollah ist tief antisemitisch und zutiefst antiwestlich."
    Denn die Hisbollah organisiere in Europa nicht nur den Al-Quds-Tag, sondern sei auch terroristisch aktiv. Im Juli 2012 etwa wurden von der Hisbollah bei einem Anschlag vor dem Flughafen Burgas in Bulgarien 7 Menschen getötet, darunter fünf Israelis. Die Europäische Union reagiere aber nicht, meint Jörg Rensmann vom Mideast Freedom Forum Berlin bei einer Diskussionsveranstaltung im Vorfeld des Quds-Tages. "Die EU klassifiziert bisher nur diesen so genannten militärischen Flügel als Terrororganisation, nicht aber die Hisbollah in ihrer Gesamtheit, in ihrer Gesamtstruktur, wie es unter anderem die Vereinigten Staaten, Kanada und Israel tun."
    Nur am durch Teheran verordneten Al-Quds-Tag zeigten sich die schiitische Hisbollah und deren Anhänger öffentlich. Sonst aber arbeite die "Partei Gottes" auch in Deutschland eher im Verborgenen. "Vielleicht erinnern Sie sich an den Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus 1994 in Buenos Aires in Argentinien. Der Anschlag hat 85 Menschen das Leben gekostet bei etwa schätzungsweise 150 Verletzten. Die Hisbollah selber hat sich zu diesem Anschlag selbst bekannt. Wie wissen, dass dieser Anschlag aus Europa, aus Spanien vorbereitet worden ist. Zur Finanzierung diente unter anderen ein extra bei der deutschen Bank eingerichtetes Konto. Europa diente und dient auch weiterhin als Operationsbasis. Auch die Bundesrepublik Deutschland dient als Raum für Anwerbungen für Hisbollah-Kader."
    Deutschland als Drehpunkt von Hisbollah-Aktivitäten?
    Noch aber kann die Hisbollah in Berlin agieren, wenn auch wie in diesem Jahr unter Auflagen. Ziel müsse es sein, die Hisbollah als Terrororganisation vollkommen zu verbieten, sagt Florian Weißbarth vom American Jewish Committee, der die israelfeindlichen Demonstrationen seit Jahren akribisch beobachtet und fotografiert. "Die Hisbollah hält sich relativ bedeckt in Deutschland, weil sie es als Drehpunkt ihrer Aktivitäten begreifen. Hier findet sicherlich auch viel statt in Hinsicht auf Spendensammlungen, im Hinblick auf Geldtransfer und da will man sich nicht unbedingt stören lassen. Der Al Quds-Tag gehört sicherlich zum Pflichtprogramm für die Hisbollah-Unterstützer, weil es eben der oberste Führer Ajatollah Khomeini so will. Aber man darf sie nicht unterschätzen, nur weil sie hier demonstrieren und Spenden sammeln."
    "Man muss konstatieren, dass beim Al-Quds-Tag es die Iraner nicht geschafft haben, ein großes Spektrum der Islamisten hinter sich zu vereinen. Zwar ist der Antisemitismus die gemeinsame Klammer für alle Islamisten, aber so weit wir es beobachten können haben sich Vertreter anderer islamistischer Organisationen in diesem und im letzten Jahr zurückgehalten. Das hat wohl mit dem Spaltpilz im Mittleren Osten zu tun zwischen Sunniten und Schiiten, dass sich das auch auf die Demo auswirkt. Aber wir wissen nicht, wenn im Nahen Osten wieder was passiert im israelisch-palästinensischen Konflikt, kann die gemeinsame Klammer Antisemitismus und Hass gegen Israel wieder greifen und ein vereinendes Moment sein. Nur weil in diesem Jahr weniger Aktivisten auf der Straße sind, kann es sein, dass es in ein oder zwei Jahren wieder ganz anders ist."
    Die staatlichen Organe würden aber vor allem auf Salafisten schauen. Die zu Al Kaida und IS in Konkurrenz stehende Hisbollah werde von den deutschen Verfassungsschützern zu wenig beachtet. Immerhin scheint es aber unter den Radikalen keine Einigkeit zu geben, meint Fabian Weißbarth vom American Jewish Committee. Bis jetzt.