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Historie auf Rädern

Seit einigen Tagen ist ein VW-Bus der Uni Mainz in rheinland-pfälzischen Orten unterwegs, um dort Geschichten zu sammeln. Bürger und kleine Regionalmuseen werden aufgefordert, Dokumente und Fotos aus vergangenen Zeiten an den Bus zu bringen, damit sie dort digital erfasst und archiviert werden können.

Von Ludger Fittkau | 06.10.2009
    "Wir haben also mit den Gemeinden rund um Alzey wirklich geschichtsträchtige Gemeinden und wir haben viele ältere Leute, die aus der jüngeren Geschichte noch vieles interessantes erzählen können und da wäre es schön, mit einem Geschichtsmobil die eine oder andere interessante Story abzuholen."

    Steffen Unger, Verbandsbürgermeister von Alzey-Land ist schon ein wenig stolz darauf, dass das Mainzer Geschichtsmobil zuerst in seiner Region Station gemacht hat - mitten im rheinhessischen Weinanbaugebiet.

    Direkt neben einen großen Brunnen auf dem Alzeyer Rossmarkt haben die Mainzer Wissenschaftler ihren Kleinbus gestellt. Auf mehreren Stellwänden wird über die Ziele des Projektes informiert. Gleich neben der offenen Tür des Busses ist auf einem Klapptisch ein Laptop aufgebaut. Die Mainzer Geschichtsstudentin Katharina Haberkorn hat im Internet die Homepage des Uni-Instituts angeklickt, die einiges zur Stadtgeschichte Alzeys zu bieten hat. Schnell hat sich eine Menschentraube um den Tisch gebildet. Ein älterer Herr fragt ein wenig skeptisch, was die Mainzer Forscher mit dem Bus hier eigentlich vorhaben:
    Studentin: "Es geht halt einfach darum, das Problem ist, dass wir auf die Einheimischen angewiesen sind. Wie viele Leute leben in der Region, seit Hunderten von Jahren und haben Familienerbstücke, Dokumente, die nie ans Tageslicht kommen und darum gehen wir jetzt mit diesem Bus auf Tour, das wir die Leute animieren, zu überlegen, hat man was zuhause, was wertvolles. Tagebücher, alte Fotos, weil zum Beispiel auch das Bildmaterial wird immer wertvoller, die Fotos werden älter, man muss mehr digitalisieren, um sie zu erhalten, und darum gehen wir jetzt hier in die verschiedenen Orte, um sie zu sammeln von den Leuten."

    Älterer Herr: "Bloß, Fotos haben einen Nachteil, die meisten Leute, die Fotos haben, die schreiben keinen Namen drunter. Und wenn die Fotos entdeckt werden, schon nach dreißig Jahren, da weiß keiner mehr, wer auf den Fotos drauf ist. Das sind die großen Nachteile."

    Nicht jeder ist auf Anhieb vom Sinn des rollenden Geschichtslabors der Uni Mainz überzeugt - das Interesse ist dennoch groß. Aus dem benachbarten Dorf Weinheim ist Erika Vaubel gekommen. Sie macht in ihrem Dorf Tonbandaufzeichnungen mit alten Menschen. Am Geschichtsmobil will sie auch herausbekommen, ob man künftig diese Interviews auch als Tondatei ins Internet stellen kann. Beispielsweise ein Zeitzeugenbericht aus dem Zweiten Weltkrieg:

    "Ja, wir haben vor sechs Wochen ein Interview geführt mit einem älteren Herrn, der anwesend war als Kind, als die Weinheimer Trift, die Triftkeller gegraben wurden im Krieg."

    "Was ist das, eine Trift?"

    "Das ist normalerweise ein geologisches Denkmal, 35 Millionen Jahre alt und wurde aber von den Weinheimern genutzt, um dort im Zweiten Weltkrieg Unterschlupf zu finden."

    Auch Mitarbeiter des örtlichen Museums sind an den Bus gekommen. Das Geschichtsmobil der Uni Mainz soll helfen, wichtige Dokumente aus dem Stadtarchiv zu digitalisieren. Eine Arbeit, die in Alzey schon aus Kostengründen nicht gut bewerkstelligt werden kann. Der Alzeyer Museumsleiter Rainer Heller-Karneth hat einige Dokumente aus dem 19. Jahrhundert mitgebracht, die er im Geschichtsmobil einscannen lassen will:

    "Zum einen eine Stadtrechnung hier aus dem Jahre 1817, die man sehr gut scannen könnte, es ist das einzige Exemplar und insofern wäre es gut, wenn diese Stadtrechnung noch irgendwo auf einem Speichermedium niedergelegt wäre."

    Das Dokument wandert sofort in das Innere des Busses, wo es der Student Stefan Dumont einscannt. Kleine Museen im Land sind durchaus eine wichtige Zielgruppe des Geschichtsmobils. Auch der Alzeyer Ludwig Blumendrath interessiert sich für die Möglichkeiten des Busses. Der schlanke Mittsechziger fotografiert und betreut eine Homepage zur Alzeyer Stadtgeschichte:
    "Ich mache es ehrenamtlich, bin seit kurzem Rentner und habe dafür ein bisschen Zeit."

    Rettinger: "Herr Blumendrath ist einer derjenigen, an die wir uns wenden. Das sind historisch interessierte Leute, die sich engagieren, die Informationen beitragen wollen und zu diesen suchen wir Kontakt. Und dazu ist dieses Projekt Geschichtsmobil da, das wir zu den Leuten hinfahren könne, denn sie zu rufen: Kommt nach Mainz, das ist immer schwieriger, als hinzufahren und mit den Leuten zu reden."