"Skandal! Skandal!" singen da Zeitungsleser gierig erfreut. Ein richtig provokanter, attackenreicher Abend war zu erwarten. Ernst Krenek zeigt da mit einer Schärfe, die an Karl Kraus erinnert, alle Deformierungen, die ein Krieg in den Überlebenden anrichtet, aber auch alle Gemeinheiten, derer die selbstverantwortlichen Menschen fähig sind. Es ist ein Libretto weit jenseits aller Unterhaltungskultur - da singt die über ein "Gschpusi" und kurze Mittelstandsliaisonen zur Edelprostitution aufsteigende, dabei von "Maria" zu "Ria" und "Miss Vienna" absteigende Weinbauerntochter " ... und jetzt hat's mich, das Geld! Wie eine Dampfwalzen geht's über unser ganzes Leben hin ... ". Übertitel hätten mehr als gelohnt! Denn die von Krenek entlarvte Zeit zwischen den beiden Weltkriegen könnte ohne Verbiegung zum Spiegel unserer Zeit werden. Doch Regisseur Michael Scheidl und seiner Ausstatterin Nora Scheidl gelingt nur eine schlichte, meist banale schwarzhumorige Andeutung von enthumanisierter Geisterbahn, in der der allseits bekannte "Dod ois a Wiener" mehrfach hereinschaukelt und ein wenig mitspielt. Doch wirklich Erschreckendes, Grell-Lustiges, abgründig Gruseliges oder beißend Karikierendes gelingt nicht.
Leider ist daran auch etwas Kreneks Komposition schuld. Er will zwar eine zeitgenössische Operette, eine musikalische Satire, doch bleibt er im Tonfall der ungleich anspruchsvolleren "Zeit-Oper" stecken. Am Premierenabend kam unverzeihlich hinzu: Dirigent John Axelrod dominierte fast durchweg mit Dauerforte und deckte jegliche Textverständlichkeit zu. So blieb nur der große Wunsch, das Werk bald in einer rasiermesserscharfen Inszenierung mit viel mehr musikdramatischer Differenzierung zu hören. Denn wenn die Schlussszene die Welt als Rummelplatz zeigt, auf dem sich fast alle zu Tode amüsieren - dann könnte und sollte das beißend wehtun ... Ernsthaft bis schmerzhaft berührte dafür die aufwändige Produktion von Kreneks "Karl V.":
Vom historischen Kaiser Karl V., dessen Traum eines christlich-katholischen Universalreiches schon zu Lebzeiten zerbrach, ihn deshalb abdanken und ins Kloster gehen ließ, geht Krenek als hellwacher, kritischer Zeitgenosse nur aus. Er spiegelt in einer großen Lebensbeichte des Herrschers, "dass im Bereich des Menschlichen Maßloses nicht dauern mag." Für den wachen heutigen Zuschauer werden unausweichlich die Parallelen zu allen "Weltherrschern", in der Moderne speziell zu Stalin, Hitler oder Mao deutlich. Genau da setzt Regisseur Uwe-Eric Lauffenberg an: die Bühnenhandlung beginnt als Geschichtsstunde, mit albern unaufmerksamen Schülern - und endet ebenso - was allein schon die bittere Einsicht aufzwingt, dass über 200 Jahre Gymnasialunterricht leider allzu wenig bewirkt haben. Mit Filmeinblendungen auf einer zweiten erhöhten Bühne und mit aktualisierenden Parallelsetzungen erreichen Laufenberg, Bühnenbildner Gisbert Jäkel und Kostümbildnerin Antje Sternberg, dass diese Operngeschichtsstunden deutliche Aufforderungen an uns hinterlassen - vermittelt von einem typengenau ausgesuchten Ensemble für Rollen von Luther über Moritz von Sachsen bis zu Päpsten und Königinnen - alle überragt von Bariton Dietrich Henschel, der in der Titelrolle glänzend vom bemüht-scheiternden Lehrer bis zum einsamen Herrscher ein fesselndes Menschenbeispiel gestaltete. Kreneks oft melodische, durchweg bühnendramatische Zwölftonmusik klang durch die Wiener Symphoniker unter Lothar Koenigs wie beste Moderne - eine eindrucksvolle Begegnung mit einer unterschätzten Rarität. Dazu kommt nun in Bregenz noch viel von Kreneks Orchesterwerken in mehreren Konzerten - mit solcher Schwerpunktbildung um Besonderes erfüllt Bregenz seine spezielle Rolle im Festspielquadrat neben München, Bayreuth und Salzburg bestechend.
Leider ist daran auch etwas Kreneks Komposition schuld. Er will zwar eine zeitgenössische Operette, eine musikalische Satire, doch bleibt er im Tonfall der ungleich anspruchsvolleren "Zeit-Oper" stecken. Am Premierenabend kam unverzeihlich hinzu: Dirigent John Axelrod dominierte fast durchweg mit Dauerforte und deckte jegliche Textverständlichkeit zu. So blieb nur der große Wunsch, das Werk bald in einer rasiermesserscharfen Inszenierung mit viel mehr musikdramatischer Differenzierung zu hören. Denn wenn die Schlussszene die Welt als Rummelplatz zeigt, auf dem sich fast alle zu Tode amüsieren - dann könnte und sollte das beißend wehtun ... Ernsthaft bis schmerzhaft berührte dafür die aufwändige Produktion von Kreneks "Karl V.":
Vom historischen Kaiser Karl V., dessen Traum eines christlich-katholischen Universalreiches schon zu Lebzeiten zerbrach, ihn deshalb abdanken und ins Kloster gehen ließ, geht Krenek als hellwacher, kritischer Zeitgenosse nur aus. Er spiegelt in einer großen Lebensbeichte des Herrschers, "dass im Bereich des Menschlichen Maßloses nicht dauern mag." Für den wachen heutigen Zuschauer werden unausweichlich die Parallelen zu allen "Weltherrschern", in der Moderne speziell zu Stalin, Hitler oder Mao deutlich. Genau da setzt Regisseur Uwe-Eric Lauffenberg an: die Bühnenhandlung beginnt als Geschichtsstunde, mit albern unaufmerksamen Schülern - und endet ebenso - was allein schon die bittere Einsicht aufzwingt, dass über 200 Jahre Gymnasialunterricht leider allzu wenig bewirkt haben. Mit Filmeinblendungen auf einer zweiten erhöhten Bühne und mit aktualisierenden Parallelsetzungen erreichen Laufenberg, Bühnenbildner Gisbert Jäkel und Kostümbildnerin Antje Sternberg, dass diese Operngeschichtsstunden deutliche Aufforderungen an uns hinterlassen - vermittelt von einem typengenau ausgesuchten Ensemble für Rollen von Luther über Moritz von Sachsen bis zu Päpsten und Königinnen - alle überragt von Bariton Dietrich Henschel, der in der Titelrolle glänzend vom bemüht-scheiternden Lehrer bis zum einsamen Herrscher ein fesselndes Menschenbeispiel gestaltete. Kreneks oft melodische, durchweg bühnendramatische Zwölftonmusik klang durch die Wiener Symphoniker unter Lothar Koenigs wie beste Moderne - eine eindrucksvolle Begegnung mit einer unterschätzten Rarität. Dazu kommt nun in Bregenz noch viel von Kreneks Orchesterwerken in mehreren Konzerten - mit solcher Schwerpunktbildung um Besonderes erfüllt Bregenz seine spezielle Rolle im Festspielquadrat neben München, Bayreuth und Salzburg bestechend.