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Antisemitismus
Historiker Benz: Deutschland nicht "Hort einer neuen Judenfeindschaft"

Vor dem Hintergrund des Nahostkriegs hat der Historiker Wolfgang Benz an Wissenschaftler, Politiker und Lehrer appelliert. Sie müssten junge Menschen durch rationale Wissensvermittlung zu einem vorurteilsfeien Denken über Minderheiten erziehen, sagte der 82-jährige frühere Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin dem Evangelischen Pressedienst.

    Porträt des Historikers Wolfgang Benz, aufgenommen 2017
    Der Historiker Wolfgang Benz bei einer Lesung in Berlin im Jahr 2017 (imago images / Gerhard Leber)
    Zudem sei es Aufgabe der Kirchen, den Trialog zwischen Christen, Juden und Muslimen zu suchen. Derzeit würden vor allem Muslime in Deutschland ausgegrenzt, führte Benz aus. Zugleich gehe Gewalt gegen Juden momentan vor allem von jungen arabischen Muslimen aus. Deren politischer Hass richte sich zumeist gegen den israelischen Staat, nicht aber gegen Juden als Einzelpersonen oder Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft. Benz forderte, entschlossen gegen den in Deutschland wieder offen auf die Straßen getragenen Judenhass vorzugehen.
    Mit den Novemberpogromen der Nationalsozialisten von 1938 sei die derzeitige Situation in Deutschland nicht zu vergleichen, meinte Benz. Diese seien damals staatlich inszeniert und von der Bevölkerung getragen worden. Einen "spontanen Volkszorn" habe es nicht gegeben. Nirgendwo sei Antisemitismus so kriminalisiert und verpönt wie heue in Deutschland, betonte Benz. Angesichts der aktuellen antisemitischen Vorfälle sei es daher falsch zu glauben, das Land sei "der Hort einer neuen Judenfeindschaft". Die Formel von den gepackten Koffern, auf denen die jüdische Gemeinde in Deutschland sitze, werde zwar gerne geglaubt - stimme aber nicht.
    Diese Nachricht wurde am 11.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.