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Historiker veröffentlichen CD-ROM

Christel Meier-Staubach sitzt vor dem Bildschirm. Gerade läuft die Anfangssequenz der CD-Rom über den Beginn der Schriftlichkeit im Mittelalter. Vor blauem Hintergrund sind aufgeschlagene Bücher mit altdeutscher Schrift zu sehen. Im 11. und 12. Jahrhundert fand in Europa eine wahre Medienrevolution statt, so die Professorin für Mittellateinische Philologie an der Uni Münster:

Jens Wellhöner | 15.01.2004
    Es ist natürlich so: Die Gesellschaft entwickelt sich von einer Agrargesellschaft hin zu einer mobileren, betont auch städtischen Gesellschaft. Und damit sind einfach auch neue Kommunikationsformen nötig, die hier, auch über die Verschriftlichung, entwickelt werden.

    Politiker, Ärzte, Kaufleute: Sie alle begannen vor rund 900 Jahren Verträge und geschäftliche Vorgänge schriftlich zu dokumentieren. Animiert durch die Umwälzungen vor 900 Jahren starteten angehende Absolventen des Instituts für Frühmittelalterforschung ihre ganz eigene Medienrevolution: Die Ergebnisse des Sonderforschungsbereichs über den Beginn der Schriftlichkeit veröffentlichten die Nachwuchs-Wissenschaftler nicht, wie sonst üblich, in Buchform. Sondern nur auf CD-Rom. In allgemeinverständlichen Texten, in Animationen und bunten Bildern. Etwas Dauerhaftes wollten die sie schaffen. Und etwas, was auch Nicht-Fachleute interessieren soll. Für die meisten der 11 Autoren eine große Herausforderung. Vier Jahre dauerte die Arbeit. Die Umstellung vom Mittelalter-Buch zum Computer-Bild bereitete dabei immer wieder Probleme. Philologe Oliver Plessow:

    Ein Hochformat passt nicht so gut auf einen Bildschirm wie ein Querformat. Daran dachte ein mittelalterlicher Schreiber natürlich nicht. Welches Bildmaterial eignet sich von den Farben her, all das sind Fragen, die dann mehr Zeit gekostet haben, als wir im Endeffekt dachten. Aber die dann im Endeffekt auch Spaß machen; wenn man wie hier einem nicht eingeweihten Publikum zeigen kann, wie so eine Urkunde des 14. Jahrhunderts aussieht.

    Oliver Plessow hat das Kapitel über die Schrift im kirchlichen Bereich ausgearbeitet. In der Anfangssequenz sind Fotos von Domkirchen zu sehen:

    Hier zum Beispiel ging es darum, 7 Bistümer darzustellen. Und da schien es mir angebracht, die 7 Kathedralen, die Domkirchen zu zeigen, ohne jetzt zu schreiben, es handelt sich hier um 7 Bistümer. Sondern konkret ein optisches Zeichen zu haben, das sofort zeigt, worum es geht.

    Eine Medienagentur hat die Ideen der jungen Forscher technisch umgesetzt. Die Wissenschaftler haben den Profis dabei über die Schulter geschaut. Und so gelernt, mit Video-Beamern umzugehen, Bilder zu animieren und Texte optisch ansprechend zu präsentieren. Historikerin Gudrun Tscherpel hatte zu Beginn des Projekts schon ganz konkrete Berufsvorstellungen:

    Das wäre im Medienbereich. Also als Journalist oder tatsächlich im Fernsehen, dass man da an Dokumentationen arbeitet. Oder auch Sachbücher oder populärwissenschaftliche Bücher produziert. Also, ich hatte schon gehofft, dass es mir vielleicht Möglichkeiten aufzeigen könnte, in diesen Bereich einzusteigen.

    Heute möchte Gudrun Tscherpel doch lieber in den Schuldienst gehen. Aber ihre Erfahrungen nimmt sie mit: Mit ihren Schülern will sie eine eigene Website produzieren. Auch für Oliver Plessow hat sich die Arbeit an der CD-Rom bezahlt gemacht:

    Es ist schon bei Bewerbungsgesprächen vorgekommen, dass tatsächlich auch im geisteswissenschaftlichen Bereich gefragt wird, haben sie Erfahrung mit Datenbanken, haben sie Erfahrung im multimedialen Bereich, in welcher Weise gedenken sie neue Medien in der Lehre einzusetzen. So dass das auch im geisteswissenschaftlichen Bereich verstärkt eingefordert wird.

    Und so hat die Erforschung der Medienrevolution des Mittelalters letzten Endes auch für die jungen Münsteraner neue Berufsmöglichkeiten erschlossen. Einer der Autoren ist jetzt Online-Journalist. Wenn es mit dem Lehrer-Beruf nicht klappt, ist die Multimedia-Branche auch für seine ehemaligen Kommilitonen eine Alternative.