
Lutz sagte im Deutschlandfunk, das Stigma der Siegerjustiz sei inzwischen vom Tisch. Die Prozesse würden vielmehr als rechtsstaatlich fundiert und fair eingestuft. Es sei damals erklärtes Ziel der Alliierten gewesen, vor Gericht über das verbrecherische System des Nationalsozialismus aufzuklären und die persönliche Verantwortung der Angeklagten aufzudecken. Die Reporter im Saal hätten das Geschehen tagtäglich intensivst verfolgt und darüber berichtet, wie die Stimmung gewesen sei und wie die Angeklagten auf Zeugenaussagen, Filmvorführungen und Beweise reagiert hätten.
"Wir geben dem Recht den Vorzug vor der Rache"
Lutz betonte, die Prozesse hätten bis heute eine unglaublich große Bedeutung. Je mehr heute das Völkerstrafrecht unter Druck gerate, desto eher schaue man wieder auf die Nürnberger Prozesse, bei denen sich die unterschiedlichsten Parteien mit unterschiedlichen politischen Systemen zusammengefunden und gesagt hätten: Wir geben dem Recht den Vorzug vor der Rache.
"Massiver Besucherzuwachs"
Lutz leitet das "Memorium Nürnberger Prozesse", eine Dauerausstellung im Nürnberger Justizpalast. Die Historikerin betonte, man verzeichne einen massiven Besucherzuwachs. Man habe 160.000 Besucher im Jahr und spüre, wie groß das Interesse der Menschen sei, auch Fragen an das Völkerrecht zu stellen.
Die Nürnberger Prozesse begannen am 20. November 1945 und dauerten bis April 1949. Allein beim Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher standen mehr als 20 hochrangige Funktionäre der NS-Diktatur vor Gericht, darunter Hermann Göring und Rudolf Heß. Der Prozess führte zu zwölf Todesurteilen, sieben Haftstrafen und drei Freisprüchen.
Diese Nachricht wurde am 20.11.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
