Das alles ist lange her. Die griechische Gemeinde Istanbuls ist auf knapp 3000 Menschen geschrumpft, obwohl "Konstantinopoli", wie die Griechen Istanbul noch immer nennen, bis heute Sitz des geistlichen Oberhauptes der griechisch-orthodoxen Kirche ist. Seine Heiligkeit - derzeit Patriarch Bartholomäus - ist in der Türkei geboren. Er hat hier seinen Militärdienst geleistet. So wie Giorgos Okumusch, einer der letzten Griechen von Pera, der in der Cicek-Passage das Lokal "Imvros" betreibt. Über das Verhältnis zur türkischen Mehrheit will er nichts Negatives sagen:
Giorgos Okumusch: "Wenn Sie mich fragen, mich persönlich, so habe ich keinen Grund mich zu beschweren. Unsere Beziehungen waren immer gut. Ich kann sagen, dass wichtige Leute, Außenminister, Generäle in dieses Restaurant gekommen sind. Es ist wahr! Wenn Sie sich im Restaurant umschauen, all diese Zeitungsausschnitte und Fotos. Man schreibt sehr gute Sachen über uns.Ich kann sagen, dass uns das sehr geholfen hat. Gott sei Dank!"
Es ist verständlich, dass sich Mitglieder der griechischen Minderheit auch heute noch entweder gar nicht oder nur sehr vorsichtig über ihr Verhältnis zur türkischen Mehrheit äußern. Zu oft waren die Griechen in der Türkei, genauso wie die türkische Minderheit in Griechenland, Opfer des feindlichen Verhältnisses der beiden Nachbarländer geworden.
400 Jahre lang war das Gebiet des heutigen Griechenland Teil des Osmanischen Reiches - für die offizielle hellinistische Geschichtsschreibung bis heute eine finstere Zeit der Unterdrückung, obgleich die Sultane für die Freiheit der Sprache und Religion bürgten. 1829 wurde Griechenland am Ende eines verlustreichen Befreiungskampfes unabhängig - viele Türken fanden sich plötzlich als Minderheit in einem anderen Staat wieder.
Im Osmanischen Reich bekam das weitgehend friedliche Zusammenleben der Religionen und Völker schon vor der schweren Geburt der türkischen Republik erste Risse. Ermutigt von den Alliierten Siegern des Ersten Weltkrieges waren griechische Streitkräfte 1919 an der türkischen Küste gelandet und später bis weit ins anatolische Hinterland des am Boden liegenden Osmanischen Reiches vorgerückt. Eigentlich war den Griechen nur Izmir und die Ägäis-Küste versprochen worden. Doch der griechische Premierminister Elefterios Venizelos wollte ganz Kleinasien für Griechenland erobern - jene Gebiete, die griechisch-sprechende Völker drei Jahrtausende lang besiedelt hatten. Allen voran die Engländer hatten die Griechen ermutigt, sich so viel von Anatolien zu nehmen, wie sie wollten - sogar Istanbul war ihnen in Aussicht gestellt worden.
Aber eine Gruppe junger türkischer Offiziere, geführt von Mustafa Kemal, machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Von der Schwarzmeerküste aus organisierten sie den Widerstand gegen das Sultanat und die Aufteilung ihres Landes. Nach der siegreichen Gegenoffensive der türkischen Truppen fürchteten die im Land lebenden Griechen ein ähnliches Schicksal wie die Armenier, die 1919 zu Hunderttausenden von den Türken umgebracht oder in den Hungertod getrieben worden waren.
Während Atatürks Truppen am 9. September 1922 unter dem Jubel der türkischen Einwohner in Izmir einzogen, versuchten sich Griechen und Armenier verzweifelt zu den vor der Küste ankernden Schiffen der westlichen Alliierten hinüber zu retten. Unzählige Menschen ertranken in den Fluten. Izmir ging in einem Flammenmeer unter.
Sieger und Besiegte sahen sich Ende des Jahres 1922 am Genfer See wieder. Unter der Aufsicht der Alliierten verhandelten Türken und Griechen in Lausanne über einen Friedensvertrag. Zunächst ging es um eine endgültige Ziehung der Seegrenzen und über den Austausch von Kriegsgefangenen. Doch bald kam die Sprache auf die Minderheiten und das Flüchtlingsproblem. Endlose Flüchtlingstrecks zogen Ende des Jahres 1922 über den Bosporus Richtung Nord-Griechenland.
Beide Seiten wollten das Problem ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Und so setzten sie unter der Schirmherrschaft der westlichen Großmächte im Januar 1923 ihre Unterschriften unter das "Abkommen und Protokoll über den türkisch-griechischen Bevölkerungsaustausch." Es war völkerrechtlich gesehen eine Massenvertreibung: Hunderttausende Menschen wurden um eines vermeintlich dauerhaften Friedens willen aus ihrer Heimat verjagt, wo sie zum Teil seit Jahrhumderten gelebt hatten.
Nach der Vertragsunterzeichnung begannen auch in Griechenland die Vertreibungen der Muslime. Allein aus Kreta wurden 30.000 Türken an der gegenüberliegenden Küste abgesetzt. Der beliebte türkische Badeort Side wurde von türkischen Flüchtlingen aus Kreta gegründet.
Umgekehrt mussten sich 34.000 türkische Griechen auf Kreta niederlassen. Westlich von Iraklion gründeten sie eine eigene Vorstadt, die mit ihrem Namen "Nea Alikarnassos" auf ihre alte Heimat verweist: Alikarnassos ist der griechische Name für die türkische Hafenstadt Bodrum.
Die Bilanz am Ende des Jahres 1923: Aus Griechenland waren knapp eine halbe Million Türken in die Türkei und von dort über eine Million Griechen nach Griechenland abgeschoben worden. Für Griechenland bedeutete das eine enorme Belastung, denn die Zuwanderer machten ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes aus.
Die Vertreibungen der Jahre 1922/23 belasten die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei bis heute. Und wann immer es zu Krisen im Verhältnis beider Staaten kommt, bekommen es zuerst die Minderheiten auf der jeweils anderen Seite zu spüren.
Streit zwischen den beiden formellen NATO-Partnern gab es in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur wegen der Behandlung der jeweiligen Minderheiten. Ankara warf einflußreichen Kreisen in Athen unverhohlene Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. Die griechische Regierung ihrerseits bezichtigte die Türken der systematischen Verletzung des Völkerrechts. Durch die Besetzung der Nordhälfte Zyperns 1974 und Gebietsansprüche in der Ägäis sei die Türkei eine Gefahr für den Frieden in der Region, lautete der griechische Vorwurf.
Bei dem Streit um die Nutzung der Ägäis geht es im Kern um die Frage, ob die Griechen neben den zahllosen Inseln auch Anspruch auf den - möglicherweise ölreichen - Kontinentalsockel haben. Außerdem will Athen die derzeitige 6-Meilenzone um ihre Inseln auf den international üblichen 12-Meilen-Radius ausweiten. Im Streit um einen unbewohnten Felsenarchipel namens Imia standen beide Länder vor vier Jahren fast vor einem Waffengang. Mit dem Argument, Ankara erhebe Gebietsansprüche an Griechenland, blockiert die Athener Regierung seit Jahren fest zugesagte EU-Finanzhilfen an die Türkei. Der türkische Außenminister Ismail Cem wies diese Befürchtungen im Juni 1999 zurück, betonte aber zugleich die Stärke seines Landes:
Ismail Cem: "Das ist eine von Griechenland seit jeher verfolgte negative Politik voller Komplexe. Die Griechen haben unbegründete Ängste vor der Türkei. Wir verfolgen eine ernsthafte und vorsichtige Politik, wie es eines sehr großen und sehr starken Landes würdig ist."
Der aus griechischer Sicht wundeste Punkt in den Beziehungen der beiden Länder ist der Zypernkonflikt. 1974 besetzten türkische Truppen den Norden des ehemaligen britischen Protektorats Zypern - vorgeblich zum Schutz der auf der Insel lebenden türkischstämmigen Bevölkerung. In Nikosia hatten zuvor Putschisten mit Hilfe der Athener Militärjunta die Macht übernommen. Ihr Ziel war der Anschluss an Griechenland - was die Inseltürken fürchteten und Ankara mit Waffengewalt verhindern wollte. Seitdem ist die Insel geteilt. Nikosia ist die letzte geteilte Hauptstadt dieser Welt. Die Pufferzone zwischen Nord und Süd wird von einer knapp 1200 Mann starken UN-Blauhelmtruppe überwacht. Die 1983 von den Türken ausgerufene "Türkische Republik Nordzypern" wird allein von der Türkei anerkannt.
Bei den Griechen machte sich spätestens jetzt das Gefühl breit, Opfer türkischer Großmachtpolitik zu sein. Darum fühlte man sich anderen - echten und vermeintlichen - Opfern türkischer Repression stets tief verbunden, insbesondere den Kurden. Die militante Kurdenpartei PKK, von den meisten EU-Partnern als "terroristisch" eingestuft, durfte sich lange Jahre unbehelligt in Griechenland betätigen und erfreute sich nicht nur publizistischer, sondern auch politischer Unterstützung höchster Kreise. So besuchte die jetzige Vizeaußenministerin Elisabeth Papazo-is den PKK-Chef Öcalan 1992 im damaligen PKK-Hauptquartier im Libanon.
Das Ausmaß der griechischen Sympathie für die PKK wurde offenbar, nachdem türkische Spezialeinheiten im Februar 1999 den flüchtigen Guerilla-Chef Abdullah Öcalan aus Nairobi entführten. In der dortigen Botschaft Griechenlands war Öcalan nach einem kurzen Aufenthalt in Athen von der griechischen Regierung in Sicherheit gebracht worden. Daraufhin musste Außenminister Theodoros Pangalos seinen Hut nehmen, am Bosporus kochte die öffentliche Empörung.
"Banditen und Vergewaltiger" tönte damals der ausscheidendende Außenminister Pangalos. - Ein "Fall für den Psychologen" seien die Griechen, riefen die Türken zurück. Über der Ägäis flogen griechische und türkische Kampfjets riskante Scheinattacken gegeneinander. Die beiden NATO-Partner standen wieder einmal kurz vor einem Krieg; eine Annäherung schien erneut in weiter Ferne.
In Juni des vergangenen Jahres kam es dann doch zu einem ersten Treffen zwischen dem neuen griechischen Außenminister Georgios Papandreou und seinem türkischen Gegenüber Ismail Cem. Papandreou ist im Gegensatz zu seinem hitzköpfigen Vorgänger Pangalos ein bedächtiger Diplomat, geprägt von seinem Politologiestudium in den USA. Der 45-jährige Sozialist hatte sich offenbar vorgenommen, das Erzfeind-Verhältnis zu den Türken zu entspannen. Erste vertrauensbildende Maßnahmen dienten dazu den Wandel einleiten.
Cem und Papandreou einigten sich darauf, Arbeitsgruppen aus beiden Ministerien einzurichten, die zunächst über weitgehend problemfreie Themen für eine mögliche Zusammenarbeit sprechen sollten: Genannt wurden die Bereiche Umwelt, Tourismus und Kriminalitätsbekämpfung. Ende Juli 1999 fand das erste Treffen in Ankara statt.
Kurz darauf, im August, wurde die Westtürkei durch ein verheerendes Erdbeben erschüttert. Mindestens 12.000 Menschen starben, hunderttausende wurden obdachlos. Zu den ersten ausländischen Rettungsteams, die sich in den Tagen nach dem Beben auf die Suche nach Überlebenden unter den Trümmern machten, waren Spezialisten und Sanitäter aus Griechenland. Die Bilder der zerstörten Städte und Dörfer und die Verzweifelung der Überlebenden hatten in Griechenland eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Tonnenweise wurden Zelte, Decken, Medikamente und Rettungsgerät in die Türkei gebracht; vor den Blutspendestellen des griechischen Roten Kreuzes standen die Menschen Schlange.
Bilder, die zeigten, wie griechische Helfer einen türkischen Jungen aus den Trümmern eines Wohnhauses bargen, trugen entscheidend dazu bei, das Eis des gegenseitigen Misstrauens schneller aufzutauen, als es alle diplomatischen Gespräche und alle Vermittlungsversuche bis dahin vermocht hatten.
Keine drei Wochen später konnten sich die Türken bereits für die Hilfsbereitschaft revanchieren. Denn am 7. September wurde ihrerseits die griechische Hauptstadt Athen von einem mittleren Beben überrascht. 139 Menschen starben. Und dieses Mal waren türkische Rettungskräfte als erste zur Stelle.
Dann folgte der nächste Meilenstein der griechisch-türkischen Annäherung: Der EU-Gipfel von Helsinki im Dezember vergangenen Jahres. Der EU-Ministerrat entschied sich auf diesem Treffen nach langem Hin und Her dafür, die Türkei in den Kreis der Anwärter auf eine EU-Mitgliedschaft aufzunehmen. Mit Hinweis auf die fortbestehenden Defizite in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Wirtschaft wurden der Türkei zwar keine Hoffnungen auf einen baldigen Beitritt gemacht - dennoch ging mit diesem Signal Europas ein sehnlicher Wunsch der Mehrheit der Türken in Erfüllung. Ankara weiß, dass es den Beschluss von Helsinki vor allem seinem griechischen Nachbarn zu verdanken haben. Die Regierung Simitis hat - gegen schwere innenpolitische Widerstände - ihre Blockadepolitik gegenüber der Türkei aufgegeben. Außenminister Georgios Papandreou begründete diesen Schritt hinterher so:
Georgios Papandreou: "Ich würde sagen, dies ist ein historischer Schritt. Ein neues Kapitel wurde aufgeschlagen und nun haben wir eine Chance, die wir nutzen sollten. Das gilt nicht nur für unsere beiden Länder, sondern auch für die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU insgesamt. Wir wollen zwischen Griechenland und der Türkei ein Verhältnis schaffen, das auf europäischen Prinzipien basiert, auf den Prinzipein des Rechts. Dadurch können wir neue Möglichkeiten schaffen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, im Bereich der Kultur und der Politik. Und vielleicht können wir so am Ende auch einige der besonders schwierigen Themen wie Zypern lösen."
Nach Helsinki folgten kurz hintereinander Besuche der beiden Außenminister in Ankara und Athen, bei denen sich Cem und Papandreou öffentlich als Freunde bezeichneten und auch stets so auftraten. Die türkisch-griechische Annäherung gewann immer mehr an Fahrt, immer neue vertrauensbildende Ideen wurden geboren: So bot Griechenland an, die Türkei könne das kulturelle Rahmenprogramm der Olympischen Spiele in Athen 2004 mitgestalten; die Türkei schlug im Gegenzug vor, sich doch gemeinsam um die Ausrichtung der nächsten Fußball-Europameisterschaft zu bewerben. Und im März dieses Jahres konnten schon die bilateralen Abkommen über die Zusammenarbeit in den Bereich Tourismus, Umwelt und Bekämpfung illegaler Einwanderung unterzeichnet werden.
Anfang Mai schließlich trafen sich die beiden Außenminister erneut. Dieses Mal in Washington auf Einladung der amerikanischen Regierung, der die Aussöhnung ihrer beiden Partner stets ein nachdrückliches Anliegen gewesen ist. Sowohl Cem als auch Papandreou warnten aber beide vor zu großer Eile und übertriebenen Hoffnungen. Sie konzentrierten sich stattdessen auf "confidence building measures", vertrauensbildende Maßnahmen also: So vereinbarten sie gemeinsame Manöver der beiden Streit-kräfte in der Ägäis und eine direkte Telefonverbindung zwischen den Küstenwachen beider Länder. Und in diesen Tagen beteiligen sich Griechenland und die Türkei sogar zum ersten Mal gemeinsam an einem Manöver der NATO, deren Mitglieder sie beide sind: Im Rahmen dieser Übung landeten 150 türkische Marine-Infanteristen als Manöver-Verbündete in der westgriechischen Hafenstadt Kyparissia - ein unübersehbares Entspannungs-Signal.
Als ein besonders großer Stolperstein blockiert aber immer noch das Zypernproblem den Weg zu einer wirklichen Aussöhnung beider Länder. Dennoch: Ermutigt durch die Annäherung der beiden früheren Erzfeinde geben sich derzeit auch wieder die internationalen Vermittler in Nord- und Süd-Nikosia die Klinke in die Hand. Ihre Zauberformel lautet: "Bi-zonale Konföderation".
Die Empfehlungen der Gesandten Europas, der UN und der USA basieren alle auf der Bildung zweier autonomer Regionen und der schrittweisen Entmilitarisierung der Insel. Doch die Zypern-Griechen, die 80 Prozent der Bevölkerung stellen, fordern von den Türken den ersten Schritt. Erst müsse die völkerrechtswidrig besetzte Nordhälfte geräumt werden. Die Inseltürken fürchten ihrerseits, ohne militärischen Schutz aus der Türkei ähnlich traktiert zu werden wie in den Jahren 1963-1974, als sie von den Griechen in eine Art "homelands" gedrängt wurden und zudem zahllose Türken das Land verlassen mussten. Doch allmählich kommt Bewegung in die Zypern-Frage. Nach zwei getrennten Verhandlungsrunden hat sich der starrköpfige türkische Volksgruppenführer Rauf Denktasch zu einem direkten Zusammentreffen mit seinem Gegenüber Glafkos Klerides bereit erklärt. An der Forderung, seine international nicht anerkannte "Türkische Republik Nord-Zypern" als gleichberechtigt zu akzeptieren, hält Denktasch gleichwohl fest. Und an diesem Punkt steht die türkische Regierung unter Ministerpräsident Ecevit - bislang zumindest und verbal - in Treue fest zu ihm.
Den USA schwebt für Zypern so etwas wie ein neues Camp-David- Abkommen vor. Ähnlich wie 1977 beim Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten will Washington einen historischen Durchbruch auch für die Mittelmeerinsel vermitteln - dabei spielen für die Demokraten die anstehenden Präsidentschaftswahlen im November eine wichtige Rolle. Denn Al Gore, Vizepräsident und demokratischer Präsidentschafts-Bewerber, möchte die einflußreiche Gemeinde der griechischstämmigen Amerikaner auf seine Seite ziehen.
Und so sieht der Plan aus: Washington schlägt eine bi-kommunale Föderation mit einer gemeinsamen Staatsführung vor. Der türkisch-zypriotische Paria-Staat würde dadurch zu einem gleichberechtigten Partner aufgewertet. Die beiden Volksgruppen blieben auch weiterhin territorial getrennt. Die Bereiche der Zusammenarbeit, etwa im Bereich der Wirtschaft und Kultur, würden jedoch zugleich klar festgelegt. Wegen der schweren Erkrankung des zyprischen Präsidenten Klerides haben sich die Hoffnungen auf einen schnellen Durchbruch zunächst aber erst einmal zerschlagen. Und so sind die ursprünglich für Ende Mai angesetzten direkten Gespräche zwischen Denktasch und Klerides wieder auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
80 Jahre nach der Vertreibung der Griechen aus der Türkei und der Türken aus Griechenland, nach Jahrzehnten eines Kalten Kriegs zwischen diesen beiden Staaten gibt es jetzt offenbar konkrete Hoffnung auf eine dauerhafte Aussöhnung von Griechen und Türken. Von allen diplomatischen Bemühungen abgesehen häufen sich inzwischen schon die Kontakte zwischen Jugendlichen, zwischen Geschäftsleuten und Kulturschaffenden beider Länder. Und in der Türkei drängen nun beispielsweise Intellektuelle darauf, die Geschichte der Minderheiten des Landes und ihrer Vertreibungen aufzuarbeiten: Der jüngste Roman etwa des Schriftstellers Yasar Kemal, "Sieh mal, im Euphrat fließt Blut", handelt vom Leben eines anatolischen Griechen vor seiner Vertreibung Anfang dieses Jahrhunderts. - Die erste Auflage war schon nach einem Tag ausverkauft.
Giorgos Okumusch: "Wenn Sie mich fragen, mich persönlich, so habe ich keinen Grund mich zu beschweren. Unsere Beziehungen waren immer gut. Ich kann sagen, dass wichtige Leute, Außenminister, Generäle in dieses Restaurant gekommen sind. Es ist wahr! Wenn Sie sich im Restaurant umschauen, all diese Zeitungsausschnitte und Fotos. Man schreibt sehr gute Sachen über uns.Ich kann sagen, dass uns das sehr geholfen hat. Gott sei Dank!"
Es ist verständlich, dass sich Mitglieder der griechischen Minderheit auch heute noch entweder gar nicht oder nur sehr vorsichtig über ihr Verhältnis zur türkischen Mehrheit äußern. Zu oft waren die Griechen in der Türkei, genauso wie die türkische Minderheit in Griechenland, Opfer des feindlichen Verhältnisses der beiden Nachbarländer geworden.
400 Jahre lang war das Gebiet des heutigen Griechenland Teil des Osmanischen Reiches - für die offizielle hellinistische Geschichtsschreibung bis heute eine finstere Zeit der Unterdrückung, obgleich die Sultane für die Freiheit der Sprache und Religion bürgten. 1829 wurde Griechenland am Ende eines verlustreichen Befreiungskampfes unabhängig - viele Türken fanden sich plötzlich als Minderheit in einem anderen Staat wieder.
Im Osmanischen Reich bekam das weitgehend friedliche Zusammenleben der Religionen und Völker schon vor der schweren Geburt der türkischen Republik erste Risse. Ermutigt von den Alliierten Siegern des Ersten Weltkrieges waren griechische Streitkräfte 1919 an der türkischen Küste gelandet und später bis weit ins anatolische Hinterland des am Boden liegenden Osmanischen Reiches vorgerückt. Eigentlich war den Griechen nur Izmir und die Ägäis-Küste versprochen worden. Doch der griechische Premierminister Elefterios Venizelos wollte ganz Kleinasien für Griechenland erobern - jene Gebiete, die griechisch-sprechende Völker drei Jahrtausende lang besiedelt hatten. Allen voran die Engländer hatten die Griechen ermutigt, sich so viel von Anatolien zu nehmen, wie sie wollten - sogar Istanbul war ihnen in Aussicht gestellt worden.
Aber eine Gruppe junger türkischer Offiziere, geführt von Mustafa Kemal, machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Von der Schwarzmeerküste aus organisierten sie den Widerstand gegen das Sultanat und die Aufteilung ihres Landes. Nach der siegreichen Gegenoffensive der türkischen Truppen fürchteten die im Land lebenden Griechen ein ähnliches Schicksal wie die Armenier, die 1919 zu Hunderttausenden von den Türken umgebracht oder in den Hungertod getrieben worden waren.
Während Atatürks Truppen am 9. September 1922 unter dem Jubel der türkischen Einwohner in Izmir einzogen, versuchten sich Griechen und Armenier verzweifelt zu den vor der Küste ankernden Schiffen der westlichen Alliierten hinüber zu retten. Unzählige Menschen ertranken in den Fluten. Izmir ging in einem Flammenmeer unter.
Sieger und Besiegte sahen sich Ende des Jahres 1922 am Genfer See wieder. Unter der Aufsicht der Alliierten verhandelten Türken und Griechen in Lausanne über einen Friedensvertrag. Zunächst ging es um eine endgültige Ziehung der Seegrenzen und über den Austausch von Kriegsgefangenen. Doch bald kam die Sprache auf die Minderheiten und das Flüchtlingsproblem. Endlose Flüchtlingstrecks zogen Ende des Jahres 1922 über den Bosporus Richtung Nord-Griechenland.
Beide Seiten wollten das Problem ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Und so setzten sie unter der Schirmherrschaft der westlichen Großmächte im Januar 1923 ihre Unterschriften unter das "Abkommen und Protokoll über den türkisch-griechischen Bevölkerungsaustausch." Es war völkerrechtlich gesehen eine Massenvertreibung: Hunderttausende Menschen wurden um eines vermeintlich dauerhaften Friedens willen aus ihrer Heimat verjagt, wo sie zum Teil seit Jahrhumderten gelebt hatten.
Nach der Vertragsunterzeichnung begannen auch in Griechenland die Vertreibungen der Muslime. Allein aus Kreta wurden 30.000 Türken an der gegenüberliegenden Küste abgesetzt. Der beliebte türkische Badeort Side wurde von türkischen Flüchtlingen aus Kreta gegründet.
Umgekehrt mussten sich 34.000 türkische Griechen auf Kreta niederlassen. Westlich von Iraklion gründeten sie eine eigene Vorstadt, die mit ihrem Namen "Nea Alikarnassos" auf ihre alte Heimat verweist: Alikarnassos ist der griechische Name für die türkische Hafenstadt Bodrum.
Die Bilanz am Ende des Jahres 1923: Aus Griechenland waren knapp eine halbe Million Türken in die Türkei und von dort über eine Million Griechen nach Griechenland abgeschoben worden. Für Griechenland bedeutete das eine enorme Belastung, denn die Zuwanderer machten ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes aus.
Die Vertreibungen der Jahre 1922/23 belasten die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei bis heute. Und wann immer es zu Krisen im Verhältnis beider Staaten kommt, bekommen es zuerst die Minderheiten auf der jeweils anderen Seite zu spüren.
Streit zwischen den beiden formellen NATO-Partnern gab es in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur wegen der Behandlung der jeweiligen Minderheiten. Ankara warf einflußreichen Kreisen in Athen unverhohlene Unterstützung der kurdischen Arbeiterpartei PKK vor. Die griechische Regierung ihrerseits bezichtigte die Türken der systematischen Verletzung des Völkerrechts. Durch die Besetzung der Nordhälfte Zyperns 1974 und Gebietsansprüche in der Ägäis sei die Türkei eine Gefahr für den Frieden in der Region, lautete der griechische Vorwurf.
Bei dem Streit um die Nutzung der Ägäis geht es im Kern um die Frage, ob die Griechen neben den zahllosen Inseln auch Anspruch auf den - möglicherweise ölreichen - Kontinentalsockel haben. Außerdem will Athen die derzeitige 6-Meilenzone um ihre Inseln auf den international üblichen 12-Meilen-Radius ausweiten. Im Streit um einen unbewohnten Felsenarchipel namens Imia standen beide Länder vor vier Jahren fast vor einem Waffengang. Mit dem Argument, Ankara erhebe Gebietsansprüche an Griechenland, blockiert die Athener Regierung seit Jahren fest zugesagte EU-Finanzhilfen an die Türkei. Der türkische Außenminister Ismail Cem wies diese Befürchtungen im Juni 1999 zurück, betonte aber zugleich die Stärke seines Landes:
Ismail Cem: "Das ist eine von Griechenland seit jeher verfolgte negative Politik voller Komplexe. Die Griechen haben unbegründete Ängste vor der Türkei. Wir verfolgen eine ernsthafte und vorsichtige Politik, wie es eines sehr großen und sehr starken Landes würdig ist."
Der aus griechischer Sicht wundeste Punkt in den Beziehungen der beiden Länder ist der Zypernkonflikt. 1974 besetzten türkische Truppen den Norden des ehemaligen britischen Protektorats Zypern - vorgeblich zum Schutz der auf der Insel lebenden türkischstämmigen Bevölkerung. In Nikosia hatten zuvor Putschisten mit Hilfe der Athener Militärjunta die Macht übernommen. Ihr Ziel war der Anschluss an Griechenland - was die Inseltürken fürchteten und Ankara mit Waffengewalt verhindern wollte. Seitdem ist die Insel geteilt. Nikosia ist die letzte geteilte Hauptstadt dieser Welt. Die Pufferzone zwischen Nord und Süd wird von einer knapp 1200 Mann starken UN-Blauhelmtruppe überwacht. Die 1983 von den Türken ausgerufene "Türkische Republik Nordzypern" wird allein von der Türkei anerkannt.
Bei den Griechen machte sich spätestens jetzt das Gefühl breit, Opfer türkischer Großmachtpolitik zu sein. Darum fühlte man sich anderen - echten und vermeintlichen - Opfern türkischer Repression stets tief verbunden, insbesondere den Kurden. Die militante Kurdenpartei PKK, von den meisten EU-Partnern als "terroristisch" eingestuft, durfte sich lange Jahre unbehelligt in Griechenland betätigen und erfreute sich nicht nur publizistischer, sondern auch politischer Unterstützung höchster Kreise. So besuchte die jetzige Vizeaußenministerin Elisabeth Papazo-is den PKK-Chef Öcalan 1992 im damaligen PKK-Hauptquartier im Libanon.
Das Ausmaß der griechischen Sympathie für die PKK wurde offenbar, nachdem türkische Spezialeinheiten im Februar 1999 den flüchtigen Guerilla-Chef Abdullah Öcalan aus Nairobi entführten. In der dortigen Botschaft Griechenlands war Öcalan nach einem kurzen Aufenthalt in Athen von der griechischen Regierung in Sicherheit gebracht worden. Daraufhin musste Außenminister Theodoros Pangalos seinen Hut nehmen, am Bosporus kochte die öffentliche Empörung.
"Banditen und Vergewaltiger" tönte damals der ausscheidendende Außenminister Pangalos. - Ein "Fall für den Psychologen" seien die Griechen, riefen die Türken zurück. Über der Ägäis flogen griechische und türkische Kampfjets riskante Scheinattacken gegeneinander. Die beiden NATO-Partner standen wieder einmal kurz vor einem Krieg; eine Annäherung schien erneut in weiter Ferne.
In Juni des vergangenen Jahres kam es dann doch zu einem ersten Treffen zwischen dem neuen griechischen Außenminister Georgios Papandreou und seinem türkischen Gegenüber Ismail Cem. Papandreou ist im Gegensatz zu seinem hitzköpfigen Vorgänger Pangalos ein bedächtiger Diplomat, geprägt von seinem Politologiestudium in den USA. Der 45-jährige Sozialist hatte sich offenbar vorgenommen, das Erzfeind-Verhältnis zu den Türken zu entspannen. Erste vertrauensbildende Maßnahmen dienten dazu den Wandel einleiten.
Cem und Papandreou einigten sich darauf, Arbeitsgruppen aus beiden Ministerien einzurichten, die zunächst über weitgehend problemfreie Themen für eine mögliche Zusammenarbeit sprechen sollten: Genannt wurden die Bereiche Umwelt, Tourismus und Kriminalitätsbekämpfung. Ende Juli 1999 fand das erste Treffen in Ankara statt.
Kurz darauf, im August, wurde die Westtürkei durch ein verheerendes Erdbeben erschüttert. Mindestens 12.000 Menschen starben, hunderttausende wurden obdachlos. Zu den ersten ausländischen Rettungsteams, die sich in den Tagen nach dem Beben auf die Suche nach Überlebenden unter den Trümmern machten, waren Spezialisten und Sanitäter aus Griechenland. Die Bilder der zerstörten Städte und Dörfer und die Verzweifelung der Überlebenden hatten in Griechenland eine beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Tonnenweise wurden Zelte, Decken, Medikamente und Rettungsgerät in die Türkei gebracht; vor den Blutspendestellen des griechischen Roten Kreuzes standen die Menschen Schlange.
Bilder, die zeigten, wie griechische Helfer einen türkischen Jungen aus den Trümmern eines Wohnhauses bargen, trugen entscheidend dazu bei, das Eis des gegenseitigen Misstrauens schneller aufzutauen, als es alle diplomatischen Gespräche und alle Vermittlungsversuche bis dahin vermocht hatten.
Keine drei Wochen später konnten sich die Türken bereits für die Hilfsbereitschaft revanchieren. Denn am 7. September wurde ihrerseits die griechische Hauptstadt Athen von einem mittleren Beben überrascht. 139 Menschen starben. Und dieses Mal waren türkische Rettungskräfte als erste zur Stelle.
Dann folgte der nächste Meilenstein der griechisch-türkischen Annäherung: Der EU-Gipfel von Helsinki im Dezember vergangenen Jahres. Der EU-Ministerrat entschied sich auf diesem Treffen nach langem Hin und Her dafür, die Türkei in den Kreis der Anwärter auf eine EU-Mitgliedschaft aufzunehmen. Mit Hinweis auf die fortbestehenden Defizite in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Wirtschaft wurden der Türkei zwar keine Hoffnungen auf einen baldigen Beitritt gemacht - dennoch ging mit diesem Signal Europas ein sehnlicher Wunsch der Mehrheit der Türken in Erfüllung. Ankara weiß, dass es den Beschluss von Helsinki vor allem seinem griechischen Nachbarn zu verdanken haben. Die Regierung Simitis hat - gegen schwere innenpolitische Widerstände - ihre Blockadepolitik gegenüber der Türkei aufgegeben. Außenminister Georgios Papandreou begründete diesen Schritt hinterher so:
Georgios Papandreou: "Ich würde sagen, dies ist ein historischer Schritt. Ein neues Kapitel wurde aufgeschlagen und nun haben wir eine Chance, die wir nutzen sollten. Das gilt nicht nur für unsere beiden Länder, sondern auch für die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU insgesamt. Wir wollen zwischen Griechenland und der Türkei ein Verhältnis schaffen, das auf europäischen Prinzipien basiert, auf den Prinzipein des Rechts. Dadurch können wir neue Möglichkeiten schaffen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, im Bereich der Kultur und der Politik. Und vielleicht können wir so am Ende auch einige der besonders schwierigen Themen wie Zypern lösen."
Nach Helsinki folgten kurz hintereinander Besuche der beiden Außenminister in Ankara und Athen, bei denen sich Cem und Papandreou öffentlich als Freunde bezeichneten und auch stets so auftraten. Die türkisch-griechische Annäherung gewann immer mehr an Fahrt, immer neue vertrauensbildende Ideen wurden geboren: So bot Griechenland an, die Türkei könne das kulturelle Rahmenprogramm der Olympischen Spiele in Athen 2004 mitgestalten; die Türkei schlug im Gegenzug vor, sich doch gemeinsam um die Ausrichtung der nächsten Fußball-Europameisterschaft zu bewerben. Und im März dieses Jahres konnten schon die bilateralen Abkommen über die Zusammenarbeit in den Bereich Tourismus, Umwelt und Bekämpfung illegaler Einwanderung unterzeichnet werden.
Anfang Mai schließlich trafen sich die beiden Außenminister erneut. Dieses Mal in Washington auf Einladung der amerikanischen Regierung, der die Aussöhnung ihrer beiden Partner stets ein nachdrückliches Anliegen gewesen ist. Sowohl Cem als auch Papandreou warnten aber beide vor zu großer Eile und übertriebenen Hoffnungen. Sie konzentrierten sich stattdessen auf "confidence building measures", vertrauensbildende Maßnahmen also: So vereinbarten sie gemeinsame Manöver der beiden Streit-kräfte in der Ägäis und eine direkte Telefonverbindung zwischen den Küstenwachen beider Länder. Und in diesen Tagen beteiligen sich Griechenland und die Türkei sogar zum ersten Mal gemeinsam an einem Manöver der NATO, deren Mitglieder sie beide sind: Im Rahmen dieser Übung landeten 150 türkische Marine-Infanteristen als Manöver-Verbündete in der westgriechischen Hafenstadt Kyparissia - ein unübersehbares Entspannungs-Signal.
Als ein besonders großer Stolperstein blockiert aber immer noch das Zypernproblem den Weg zu einer wirklichen Aussöhnung beider Länder. Dennoch: Ermutigt durch die Annäherung der beiden früheren Erzfeinde geben sich derzeit auch wieder die internationalen Vermittler in Nord- und Süd-Nikosia die Klinke in die Hand. Ihre Zauberformel lautet: "Bi-zonale Konföderation".
Die Empfehlungen der Gesandten Europas, der UN und der USA basieren alle auf der Bildung zweier autonomer Regionen und der schrittweisen Entmilitarisierung der Insel. Doch die Zypern-Griechen, die 80 Prozent der Bevölkerung stellen, fordern von den Türken den ersten Schritt. Erst müsse die völkerrechtswidrig besetzte Nordhälfte geräumt werden. Die Inseltürken fürchten ihrerseits, ohne militärischen Schutz aus der Türkei ähnlich traktiert zu werden wie in den Jahren 1963-1974, als sie von den Griechen in eine Art "homelands" gedrängt wurden und zudem zahllose Türken das Land verlassen mussten. Doch allmählich kommt Bewegung in die Zypern-Frage. Nach zwei getrennten Verhandlungsrunden hat sich der starrköpfige türkische Volksgruppenführer Rauf Denktasch zu einem direkten Zusammentreffen mit seinem Gegenüber Glafkos Klerides bereit erklärt. An der Forderung, seine international nicht anerkannte "Türkische Republik Nord-Zypern" als gleichberechtigt zu akzeptieren, hält Denktasch gleichwohl fest. Und an diesem Punkt steht die türkische Regierung unter Ministerpräsident Ecevit - bislang zumindest und verbal - in Treue fest zu ihm.
Den USA schwebt für Zypern so etwas wie ein neues Camp-David- Abkommen vor. Ähnlich wie 1977 beim Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten will Washington einen historischen Durchbruch auch für die Mittelmeerinsel vermitteln - dabei spielen für die Demokraten die anstehenden Präsidentschaftswahlen im November eine wichtige Rolle. Denn Al Gore, Vizepräsident und demokratischer Präsidentschafts-Bewerber, möchte die einflußreiche Gemeinde der griechischstämmigen Amerikaner auf seine Seite ziehen.
Und so sieht der Plan aus: Washington schlägt eine bi-kommunale Föderation mit einer gemeinsamen Staatsführung vor. Der türkisch-zypriotische Paria-Staat würde dadurch zu einem gleichberechtigten Partner aufgewertet. Die beiden Volksgruppen blieben auch weiterhin territorial getrennt. Die Bereiche der Zusammenarbeit, etwa im Bereich der Wirtschaft und Kultur, würden jedoch zugleich klar festgelegt. Wegen der schweren Erkrankung des zyprischen Präsidenten Klerides haben sich die Hoffnungen auf einen schnellen Durchbruch zunächst aber erst einmal zerschlagen. Und so sind die ursprünglich für Ende Mai angesetzten direkten Gespräche zwischen Denktasch und Klerides wieder auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
80 Jahre nach der Vertreibung der Griechen aus der Türkei und der Türken aus Griechenland, nach Jahrzehnten eines Kalten Kriegs zwischen diesen beiden Staaten gibt es jetzt offenbar konkrete Hoffnung auf eine dauerhafte Aussöhnung von Griechen und Türken. Von allen diplomatischen Bemühungen abgesehen häufen sich inzwischen schon die Kontakte zwischen Jugendlichen, zwischen Geschäftsleuten und Kulturschaffenden beider Länder. Und in der Türkei drängen nun beispielsweise Intellektuelle darauf, die Geschichte der Minderheiten des Landes und ihrer Vertreibungen aufzuarbeiten: Der jüngste Roman etwa des Schriftstellers Yasar Kemal, "Sieh mal, im Euphrat fließt Blut", handelt vom Leben eines anatolischen Griechen vor seiner Vertreibung Anfang dieses Jahrhunderts. - Die erste Auflage war schon nach einem Tag ausverkauft.