Es fängt scheinbar harmlos an: mit einer hölzernen Schatulle. Rechts eine Kurbel, links ein paar kleine Lippenpfeifen, im Innern des schlichten Kastens ein Blasebalg und eine drehbare Holzwalze. Kleine Eisennägel sind in die Walze geschlagen, Stifte und Brücken nennt sie der Fachmann und erklärt das Grundprinzip dieser Vogelorgel:
"Über dieser Walze sind die sogenannten Clavise, das sind also Hebel, die immer bewegt werden, wenn so ein Stift oder eine Brücke kommt und an diesem Clavis ist ein Gestänge. Und das geht zu den Ventilen und öffnet oder schließt."
Hans-Dieter Kollwig sammelt mechanische Musikinstrumente. Und das älteste Stück seiner Sammlung stammt aus der Händelzeit:
"So, wir hören uns das mal an, der Klang ist nicht mehr besonders gut. Und auch das Laufen stört hier enorm die Melodie."
Das war schon die ganze Melodie, das heißt, die Walze ist relativ klein im Umfang beziehungsweise Durchmesser. Und so ist der Zeitablauf relativ kurz. Ein "Jäger aus Kurpfalz" ertönte da. Ein scheinbar harmloses Liedchen von 1760, tatsächlich aber ein böses Lied mit männlich-derbem sexuellen Unterton. Und auch der Zweck dieser im 18. Jahrhundert weitverbreiteten Vogelorgeln war Herrschaft und Dressur: Man programmierte damit Käfigvögel wie Zeisig, Fink und Co.
"Diese Lieder hat man so lange vorgespielt, bis der Vogel das konnte und dann hat man das nächste Lied eingelegt und dann hat er das dritte und das vierte gelernt, sofern er denn intelligent genug war."
Man möge den Vögeln die Augen ausstechen, damit sie konzentrierter hörten – so steht es in zeitgenössischen Gebrauchsanweisungen. Das faszinierende Thema Musikautomaten hat immer auch eine schauerliche Seite. Als nach den Vogelorgeln die Flötenuhren und Drehorgeln aufkamen, schreckten sie die Musiker, weil sie sich plötzlich entwertet vorkamen. Präziser spielten die Maschinen, mit größerem Tonumfang und ganz ohne Übung. Das Prunkstück der Ausstellung "Das mechanische Herz" im Händelhaus Halle ist eine Uhr. Eine "Organ Clock", ausgeliehen aus Utrecht, hergestellt in London vor mehr als 250 Jahren. Damals kamen Spieluhren in Mode, belegt etwa durch einen Eintrag in der Zeitschrift "The Englishman's Journal" vom Mai 1738.
"Ich besuchte einen Freund. Er war mit einem genialen Mechaniker beschäftigt, der ein bestimmtes kleines Musikinstrument herstellt, das neuerdings alle humorvollen und vergnügungssüchtigen Männer in der Tasche durch die Stadt tragen. Da die Opern bankrott gehen, hatte er keinen Zweifel, dass Herr Händel persönlich für dieses Instrument komponieren wird."
Im Innern der Prachtuhr dreht eine Stiftwalze. Über eine Mechanik öffnet und schließt sie Ventile. Exakte Steuerung für ein Orgelwerk, das solcherart Melodien abspielt. Nicht irgendwelche, sondern von Händel höchstselbst komponierte. Einige Stücke von 1738 sind ausdrücklich als "Ten Tunes for Clay´s Musical Clock" tituliert – und diese Uhr aus der Werkstatt von Clays Nachfolger George Pyke konserviert mithin Händels Musik nicht in Noten, sondern in Tönen: ein echtes Pfund in Sachen historischer Aufführungspraxis.
Und noch eine Rarität kommt für die Schau nach Halle: Einer von zwei erhaltenen Trompeterautomaten, gebaut 1817. Die mannshohe Puppe trägt Uniform, hat eine Trompete am Mund und im Leib eine Mechanik, die den Zeitgenossen höchsten Respekt abforderte. Leihgeberin Anette Barth vom Museum Schloss Schwarzenberg:
"Der Trompeterautomat wird mit einer Kurbel aufgezogen und es wird dann eine Walze in Bewegung gesetzt und ein Blasebalg, der dann die Luft erzeugt die dann über die Mechanik in die Trompete geleitet wird und die dann die Töne entweichen können."
Carl Maria von Weber hat so einen Androiden in der "Allgemeinen Musikalischen Zeitung" euphorisch besprochen: Er lobt die Echtheit der Erscheinung, und mehr noch:
"Aber noch interessanter und an das Unbegreifliche grenzend ist das Hervorbringen von Doppeltönen in der gleichsten Stärke und Reinheit. Ich war sehr überrascht, als er nach einigen einstimmigen Sätzen auf einmal ein paar muntere Aufzüge in Oktaven, Terzen, Quinten etc. und einen sehr schönen Doppeltriller zu hören bekam."
Auch, wenn der Klang heute nur noch ahnen lässt, warum Carl Maria von Weber einst so begeistert war: Das Händelhaus Halle ergründet in der Ausstellung "Das mechanische Herz" einen bis heute spürbaren Reiz. Restaurator Roland Henschel pflegt die mechanischen Wunderwerke und kennt ihre Wirkung:
"Das ist ja eine Faszination, die wir heute noch erleben, obwohl es den mp3-Player gibt. Sowie eine Drehorgel spielt, hört man anders hin. Das hängt mit dieser doch natürlichen Tonerzeugung zusammen. Und eben nicht der elektronischen Musikerzeugung."