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Historischer Tag für Brandenburg
Erste Synagoge seit 1945 in Cottbus eröffnet

Am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ist in Brandenburg die erste Synagoge seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eingeweiht worden. Dafür wurde eine evangelische Kirche umgewidmet. Bisher war Brandenburg das einzige Bundesland ohne eine Synagoge.

Von Vanja Budde |
    Viele Gäste kommen zur feierlichen Einweihung im Innenraum der neuen Synagog in Cottbus zusammen; im Vordergrund sind mehrere Männer mit Kippa auf dem Kopf von hinten zu sehen.
    Am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wurde in Brandenburg die erste Synagoge seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eingeweiht. (picture alliance / dpa/ Jörg Carstensen)
    Landesrabbiner Nachum Presman war nach Cottbus gekommen, um das neue jüdische Gotteshaus zusammen mit den 400 Gemeindemitgliedern einzuweihen. Mit der Thora unter einem Baldachin zogen sie durch die Innenstadt zur Synagoge.
    Die Freudentänze seiner Schäfchen gerieten noch etwas ungelenk: Cottbus ist die größte jüdische Gemeinde in Brandenburg, doch die Mitglieder kommen allesamt aus der früheren Sowjetunion. Sie hatten Jahrzehnte lang kaum Gelegenheit, ihren Glauben zu leben. Das soll nun anders werden. Nachum Presman:
    "Diese Synagoge ist die Hoffnung auf ein neues Kapitel in der Stadt Cottbus, in der Geschichte der Gemeinde. Ein großes Zeichen, dass Juden in ganz Brandenburg Platz haben, dass Juden in Brandenburg erwünscht sind. Wir wollen, dass es hier in Cottbus in 20 Jahren eine große jüdische Gemeinde gibt. Und das geht nur durch richtiges, schönes, religiöses Leben."
    Offen für alle CottbuserDen Kaufpreis der Kirche von knapp 600.000 Euro hat die Landesregierung übernommen. Gennadi Kuschnir, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Cottbus und des Landesverbandes Brandenburg, betonte, dass die frühere evangelische Kirche auch als Synagoge den Cottbusern nicht verschlossen sein werde:"Und natürlich möchte ich unsere Synagoge für alle Bürger öffnen. Wir haben jetzt eine gute Zukunft für Jugendliche, für Kinder."Es scheint, dass nicht wenige Cottbuser die Einladung ihrer jüdischen Mitbürger annehmen wollen: Am Tag der Befreiung von Auschwitz verfolgten etwa 1.000 Menschen die Eröffnung des Gotteshauses, viele mit Tränen in den Augen. Die historische Synagoge war auf Geheiß der Nationalsozialisten 1938 verbrannt worden.Seitdem hatte es wie in ganz Brandenburg auch in der 100.000-Einwohner-Stadt keine Synagoge mehr gegeben. Stadtsprecher Peter Lewandowski:"Wenn ich die Zahl richtig in Erinnerung habe, haben den Holocaust insgesamt zwölf Menschen überlebt. Die jüdische Gemeinde, die eine ganz große Rolle im gesellschaftlichen Leben der Stadt gespielt hat, die ist gänzlich ausgelöscht gewesen. An die Wiederbelebung jüdischen Lebens hat hier, glaube ich, in den Jahren niemand gedacht. Dass sich das so glücklich gefügt hat, ist eine Sache, über die wir in der Verwaltung froh und stolz sind."Kritische Stimmen schweigen am Tag der EinweihungEs hatte auch kontroverse Stimmen gegeben: Eine christliche Kirche müsse eine Kirche bleiben, meinten manche. Doch am Tag der Einweihung schwiegen die Kritiker.Eine junge Frau sagt: "Ich find's schön, das spricht dafür, dass sich hoffentlich die Kulturen doch annähern, dass man da so aufeinander zugeht."Ein älterer Mann meint: "Ganz toll. Ich finde das super, ich bin ja selbst in der Gemeinde hier groß geworden, in der Kirche hier groß geworden, ich habe auch vieles gemacht in der Kirche."In der kleinen ehemaligen Kirche aus dem 18. Jahrhundert im Zentrum der Stadt empfing ein eigens aus Israel eingeflogener Kantor die Gemeindemitglieder mit Gesang. Obwohl schwer erkältet, war Petra Pau von der Linken aus Berlin in die Lausitz gereist.Es sei ein wichtiges Zeichen, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder wachse und gedeihe, meinte die Vizepräsidentin des Bundestages, "und die erste Synagoge im Land Brandenburg nach 1938, nach den Ereignissen der Reichspogromnacht hier heute hier eingeweiht wird. Und ich gestehe: Ich fand es ein gutes Zeichen, dass so viele Cottbuser hier auf dem Platz vor der Synagoge waren, die Ankunft der Thorarolle mit gefeiert haben, sich mit den Jüdinnen und Juden, die heute hier ihr Haus beziehen, gefreut haben."
    Blick auf die ehemalige evangelische Schlosskirche in Cottbus, die jetzt eine Synagoge ist.
    Die ehemalige evangelische Schlosskirche in Cottbus wurde zur Synagoge umgewidmet. Die einstige Cottbuser Synagoge war in der Reichspogromnacht von den Nazis niedergebrannt worden. (picture alliance / dpa/ Patrick Pleul)