Wir müssen uns, will man dieser Satire Glauben schenken, an den Gedanken gewöhnen, die Deutschen hätten sich von einem Haufen als Künstler gescheiterter Perverser regieren lassen. Goebbels wollte ja ursprünglich zum Theater, als Dramaturg (oder als Richard III.), aber sie haben ihn in Krefeld nicht genommen. Und auch der Adolf wollte ja eigentlich Maler werden.
Nun sitzen sie in der Sommerfrische, mit dem (in der Darstellung von Susanne Weckerle) erstaunlich sympathischen blonden deutschen Fräulein Eva Braun als Hausdame. Der Joseph Goebbels des Matthias Hartmann ist ein verkrachter Musterschüler, eine klumpfüßig herumhoppelnde Versager-Kreatur. Göring: ein dumpfer Schwadroneur, der nur an die Jagd denkt. Daneben sitzt die schwangere Frau Bormann im Dirndl und strickt. Hitler tritt in dieser Inszenierung immer nur als peinliches Kunstwerk auf: entweder übt er Cäsaren-Posen, oder er schnarrt Ideologie. Am liebsten ist ihm sein Hund. Wenn der Keitel anruft, der Weltkriegs-General, dann sagen Sie ihm, ich bin im Hof, bei Blondie.
Es ist klar, dass dieses nazoide Muppet-Show-Gehabe, diese volkstheatralische Simpsons-Parodie zwar das Nebeneinander von Biederkeit und Sadismus schön ins Bild bringt; aber man kann nicht den ganzen Abend lang Sätze sagen wie: "Die Frau des Generalgouverneurs lädt die Damen zu einem Einkaufsbummel durchs Warschauer Ghetto ein". Reizend, ganz reizend. Nein, irgendwas muss nun passieren. Zollner lässt nun nicht, wie historisch verbürgt, Staatsmänner auf den Obersalzberg pilgern, sondern schickt zwei desorientierte KZ-Flüchtlinge aufs Plateau, die Hitlers Berghof für ein reiches Schweizer Bauernhaus halten. Die Nazi-High-Society wiederum hält die beiden zerlumpten Gestalten für zwei Wehrmachts-Offiziere, die zur Ritterkreuz-Verleihung zum Führer kommen sollten und auf dem Weg einen Unfall hatten.
So wird nun die übliche Vewechslungs- und Komödien-Mechanik in Gang gesetzt, und das bringt die Inszenierung endgültig in Schräglage. Einerseits werden schauspielerische Schwächen offenbar, denn das Leid der KZler ist nicht mehr so schmerbäuchig zu chargieren wie die Nazi-Kaspereien. Andererseits wird hier nun völlig absurdes Theater gespielt, der Führer wird zum Bergführer, und einer der KZ-Flüchtlinge verrät sich durch den Wunsch, nach dem Krieg einen Frisiersalon in Küssnacht zu eröffnen.
Das ist in seiner Überdrehtheit ein bisschen obszön, und einige Ältere im Publikum, denen der Obersalzberg noch aus ihrer Kindheit bekannt war, reagierten etwas pikiert auf dieses Lächerlichmachen einer einst realen Bedrohung.
Aber dann schiebt Autor Zollner das Rad noch eine Umdrehung weiter und lässt die beiden KZ-Flüchtlinge, ganz realistisch verzweifelt, in den Abgrund springen. Das ist die kalte Dusche zum Schluss - und die böse Pointe eines Stücks, dass den Faschismus zunächst nur als makabres Kaspertheater vorführte.
Link: mehr ...
1223.html