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Hitler und die Deutschen

Eine Hitler-Ausstellung in Deutschland ist immer noch eine Gratwanderung. Das Deutsche Historische Museum in Berlin hat die Aufgabe gut hinbekommen. Dennoch mehren sich die Stimmen der Kritik.

Von Frank Hessenland | 15.10.2010
    Sofern man die Maßstäbe Hans Ottomeyers, des Direktors des Deutschen Historischen Museums, ansetzt, darf man darf die Ausstellung als gelungen betrachten: denn sie ist inhaltlich distanziert, äußerlich gefällig, und eckt diskursiv nicht an:

    "Hitler darzustellen gilt als heikel. Darf man das, soll man das, kann man das? Diese Ausstellung ist ein wissenschaftliches Untersuchungsinstrument, was sicherlich nicht die falschen Leute anzieht. Und ich bin überzeugt, dass diese Ausstellung nicht missverstanden wird.”"

    Das Ausstellungsteam um den Historiker Hans-Ulrich Thamer, Simone Erpel und Klaus-Jürgen Sembach versammeln 600 Objekte in acht verschiedenen Räumen. Sie zeigen die Beziehung Hitlers zu den Deutschen vom ersten Weltkrieg bis zur Jetztzeit. Der Schwerpunkt liegt auf den zwölf Jahren Nazizeit, chronologisch unterteilt in die Phasen der Bewegung, der Machtergreifung, der Ausgrenzungspolitik und des Krieges. In einer Art Epilog schließt ein Raum über die Aufarbeitung der NS-Zeit seit Kriegsende die Ausstellung ab. Zur Illustration nutzt das DHM seine großen Bestände, sagt Mitkuratorin Simone Erpel.

    ""Wir haben zusammengetragen insgesamt 600 Exponate vom kleinen Abzeichen vom Winterhilfswerk bis zu großformatigen Gemälden "das kämpfende Volk” drei mal vier Meter. Zigaretten, Sammelalben, Abzeichen vom Winterhilfswerk und als besonderes Exponat auch der Wandbehang mit dem Vaterunser und mit Hakenkreuzen. Das haben die Kirchenfrauen in einer einjährigen Arbeit zusammengestellt."

    Die Präsentation der Dinge folgt dabei drei selbstauferlegten Notwendigkeiten. Zuerst soll die Hitler-Ausstellung keine Faszination auslösen. Daher werden zum Beispiel persönliche Gegenstände Hitlers nicht ausgestellt. Man fürchtete die Wirkung der Aura dieser Dinge. Andere NS-Reliquien werden mit einer Art Gegenbild vorgeführt: Neben einem Hakenkreuzgrabstein steht eine beschädigte Thorakrone, neben einer NS-Standarte ein Kaethe-Kollwitz-Bild, sodass didaktisch nach der NS-Glorie sofort die inhumane Konsequenz besichtigt werden kann. Die zweite Notwendigkeit der Ausstellung: Man wollte modern wirken und Farben einsetzen, statt dem üblichen Gedenkstätten-Vergangenheits-Grau-in-Grau. So hängen die Dokumente vor blauen, roten, weißen oder grünen Wänden - was allerdings ein wenig den beliebigen Charme eines begehbaren Fotobuchs ausstrahlt. Drittens: Die Ausstellung durfte offensichtlich international nicht anecken. Bezüge zur außenpolitischen Lage der Deutschen, der Krise der globalen Ökonomie, der Demokratie, der Menschenrechte insgesamt in den 30er-Jahren sind ausgeblendet. Hitler wird in der Ausstellung erklärt als jemand, der die Deutschen ins Desaster führen konnte, weil er mit modernen Medien gut umzugehen verstand. Simone Erpel:

    "Was hat jetzt diese Massenhysterie ausgemacht? Es geht ja auch um eine ganze Reihe von Angeboten, die das Regime gemacht hat. Es gab einfach diese Angebote der Teilhabe an einer neuen Zeit, irgendwie, die sind modern aufgetreten. Diese Inszenierung in diesen Uniformen, das .. hat einfach auch die Hoffnungen du Wünsche angesprochen."

    Dieser etwas schlichte, fast schon folkloristische Ansatz unterhält sein Publikum, reicht aber lange nicht aus, um nachzuvollziehen, wie ein hoch gebildetes Volk, mit einer wirtschaftlich-exportorientierten Elite und Bürokratie durch einen Führer in schöner Uniform quasi per Radiodurchsage zu Krieg und Mord getrieben werden konnte. Hans Ottomeyer meint dazu, wo die Irrationalität beginnt, kann auch die Forschung nichts mehr machen. Dabei vollzieht doch gerade die jüngere angelsächsische Geschichtswissenschaft die ökonomische und militärisch-industrielle Rationalität in Hitlers Vernichtungskrieg nach. Dies und die Ergebnisse der jüngeren deutschen Täterforschung hätten dem DHM den Anschluss an den gegenwärtigen Forschungsstand gesichert. Zugegeben wäre das Museum dann aber mitten in eine öffentliche Debatte geraten.