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Hitlers Hofkünstler

Der Bildhauer und Architekt Arno Breker legte eine erstaunliche Karriere hin. Entdeckt von einem jüdischen Galeristen, wurde er zu einem der prominentesten Künstler des Dritten Reiches. Der Kunsthistoriker Jürgen Trimborn hat nun eine Lebensbilanz Brekers vorgelegt.

Von Iris Braun | 05.03.2012
    Paris, im Juni 1940. In den frühen Morgenstunden landet Adolf Hitler in der besetzten Stadt. An seiner Seite: der Bildhauer Arno Beker. Gemeinsam fahren sie im offenen Wagen durch die menschenleere Metropole.

    "Der folgende Teil der Rundfahrt war ganz dem Bildhauer Arno Breker gewidmet, denn Hitler hatte den Wunsch geäußert, dass dieser ihm "sein Paris" zeige, das Quartier, in dem er jahrelang gelebt und gearbeitet hatte."

    Arno Breker als Reiseleiter Hitlers im besetzten Paris - mit diesem Bild beginnt Jürgen Trimborn seine Biografie "Der Künstler und die Macht". Einen "Vorzeigekünstler der Nazis" wie er ihn nennt. Trimborn zeigt in dieser ersten umfassenden Biografie detailliert den Werdegang eines Mannes, der ab 1936 die arischen Schönheitsideale der Nazis in Stein meißelte - und so zu Ruhm und Reichtum kam. Und der Macht so nahe kam, dass er Adolf Hitler durch Paris führte. Und der sich nach dem Krieg trotzdem erfolgreich als unpolitischer Künstler darstellte. Ein Entnazifizierungsverfahren stufte ihn lediglich als Mitläufer ein. Breker konnte im Nachkriegsdeutschland abermals Karriere als Bildhauer machen.

    Der 1900 als Sohn eines Steinmetzes in Wuppertal geborene Breker war zunächst nur ein mäßig erfolgreicher Künstler. Nach Studium in Düsseldorf und Aufenthalten in Rom und Paris experimentierte er mit verschiedenen Stilen - und wartete auf seinen großen Durchbruch. Der kam 1936, als Breker Skulpturen für die Olympischen Spiele schuf – im antiken Stil. Danach ging es rasant aufwärts. Adolf Hitler wurde aufmerksam, machte ihn zum Professor und später zum Staats-Bildhauer. Der Kölner Kunsthistoriker Jürgen Trimborn macht keinen Hehl daraus, was er von diesem Aufstieg hält. Er schreibt:

    "Einen originären Stil vermochte Breker bezeichnenderweise erst Mitte der dreißiger Jahre zu kreieren, als er zum Staatskünstler des Dritten Reiches avancierte und Plastiken schuf, die den Kunstvorstellungen Adolf Hitlers auf ideale Weise entsprachen. Vermutlich machte ihn nicht zuletzt die Tatsache, dass er bislang keine künstlerische Heimat gefunden hatte und ihm mit keiner Stilrichtung, mit der er experimentiert hatte, der große Durchbruch gelungen war, in der Folgezeit zu einem willfährigen Produzenten brauner Gesinnungskunst."

    Und zu einem reichen Kunstproduzenten, wie Trimborn dokumentiert. Breker verdiente 1941 eine knappe Million Reichsmark und bekam von der obersten Parteispitze Villen, Landhäuser und große Ateliers zur Verfügung gestellt – oft handelt es sich dabei um arisierten Grundbesitz, wie der Autor belegt. Trimborn macht sich seitenlang die Mühe Breker in finanziellen Fragen hinterher zu recherchieren. So räumt er unter anderem mit der Legende Brekers auf, sein Anwesen Schloss Jäckelsbruch in Wriezen selbst bezahlt zu haben – in Wirklichkeit war es ein Geschenk Hitlers. Breker selbst hatte nach dem Krieg behauptet, nur das Lebensnotwendigste in dieser Zeit gehabt zu haben. Nach der Lektüre des Buches muss der Leser anderer Meinung sein. Allerdings verlässt sich Jürgen Trimborn nur ungern auf die Urteilskraft des Lesers. Oft holt er zu sehr persönlichen Urteilen über Breker aus. Das ist eigentlich nicht nötig, denn er stellt genug Fakten zur Verfügung, die man bisher zum Thema Breker vermisst Denn so genau wie Trimborn hat sich noch keiner mit dem Bildhauer beschäftigt. Da sind die Verweise auf Brekers schlechten Charakter eigentlich überflüssig. Ein Beispiel:

    "Dass Breker die Beschlagnahmung von Helena Rubinsteins Wohnung angeregt und damit nach der Rathenau-Villa im Grunewald, der Dahlemer Villa in der Kronprinzenallee sowie dem Grundstück am Teupitzsee bereits zum vierten Mal direkt von der Vertreibung der Juden und dem Rassewahn der Nazis profitierte, wirft ein bezeichnendes Licht auf seinen Charakter."

    Der Charakter Brekers, seine "fehlende moralische Integrität" wie Trimborn schreibt, bestimmt weite Teile des Buches. So auch den Teil, indem der Autor mit einer weiteren Legende Brekers aufräumt: Er habe selbstlos Verfolgten des Regimes geholfen. Tatsächlich hat Arno Breker einigen Verfolgten geholfen, ebenso wie er es bei anderen nicht getan hat. Für Autor Trimborn zeigt aber auch der gelungene Einsatz für Künstlerkollegen wie den Maler Julius Bretz vor allem eins – wie nah der Bildhauer der Macht gekommen war. Bretz soll über Breker vor einer drohenden Verhaftung durch die Gestapo gewarnt worden sein. Er verdanke dem Bildhauer sein Leben, sagt er nach Kriegsende. Breker selber hatte sich nach dem Krieg immer als unpolitischer Künstler mit Distanz zum Regime dargestellt. Sein Einsatz für Bedrängte wie den Maler wurde im späteren Entnazifizierungsverfahren positiv bewertet. Ebenso seine vorgebrachte "innere Distanz zum System". Daran kann aber angesichts seiner Möglichkeiten in diesem System gezweifelt werden – was Trimborn ausgiebig tut:

    "Im Nachhinein versuchte Breker mit den öffentlich gemachten Rettungsaktionen eine angebliche oppositionelle Gesinnung und innere Distanz zum NS-Regime zu behaupten, bestätigte und unterstrich damit letztlich jedoch unfreiwillig die Machtposition, die er vor 1945 innehatte. Alle Menschen, denen er geholfen haben will, waren schließlich überhaupt erst durch das Regime und den Mann, dem er selbst bereitwillig diente und er seine herausgehobene Stellung verdankte, in Schwierigkeiten und Bedrängnis geraten."

    Es scheint, als habe der Autor Arno Breker nicht zugestehen wollen, auch einfach selbstlos geholfen zu haben. Verständlich angesichts der vielen Belege für Brekers Verstrickungen im Dritten Reich. Und doch irritiert die Härte, mit der Trimborn den Künstler über 600 Seiten angeht. Und nicht nur den Künstler selber, sondern auch seine Verteidiger, die Trimborn nur "Breker-Apologeten" nennt. Dazu zählt Trimborn die Familie und Brekers Galeristen, die bei der Recherche zum Buch jegliche Zusammenarbeit mit dem Autor verweigert haben. Sein Buch entwertet das nicht. Aber es zeigt, wie emotional die Debatte über Künstler im Dritten Reich immer noch geführt wird. Lesenswert ist "Der Künstler und die Macht" auf jeden Fall – auch wenn weniger Polemik nicht geschadet hätte.


    Jürgen Trimborn: "Arno Breker. Der Künstler und die Macht. Die Biographie."
    Aufbau Verlag, 712 Seiten, 29,99 Euro
    ISBN: 978-3-351-02728-5