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Hitzefrei für Pinguine

Klimaforschung. - Nicht nur in der Hurrikanzone treten jedes Jahr heftigere Wetterlagen auf: Wie Klimatologen auf der Internationalen Polarkonferenz berichten, müssen sich Pinguine am südlichen Ende der Welt gar mit einer ausgesprochenen Hitzewelle plagen.

Von Hartmut Schade |
    Heftige Stürme, Schneefälle noch im Frühjahr und Sommer, aber auch Hitzewellen und Dauerregen - die Polarforscher beobachten immer häufiger Wetterkapriolen in der Antarktis. Und die hinterlassen deutlich sichtbare Spuren in der Tier- und Pflanzenwelt. Als Dr. Hans-Ulrich Peter vom Institut für Ökologie der Universität Jena vor 20 Jahren zum ersten Mal in der Antarktis fuhr, untersuchte er die Verbreitung eines Grases, der antarktischen Schmiele, berichtet der Wissenschaftler anlässlich der Internationalen Polarkonferenz in Jena:

    "Wir haben das wiederholt vor zwei Jahren und konnten sehen, dass die antarktische Schmiele jetzt 15 Mal häufiger ist. Das ist also ein Symptom für Klimaveränderung und nicht nur verbunden mit Temperaturerhöhung, sondern auch mit höheren Niederschlägen, entweder Regen im Sommer oder Schnee in Frühling und Winter. Das wirkt sich auch auf Tierwelt aus. Zum Beispiel mehr Schnee kann bedeuten, dass Pinguine und Raubmöwen keinen Platz zum Brüten haben."

    Von den Witterungsunbilden sind alle Pinguinarten betroffen. Und doch gab es eine Art, die besonders rasch abnimmt: der Adelie-Pinguin. Mit seinen typischen weißen Augenringen ist er das Symboltier der Antarktisforscher.

    "Unsere amerikanischen Kollegen in der Umgebung der Station Palmer, die haben Angst, dass die Art dort – lokal zumindest – ganz verschwindet. "

    Doch warum gibt es immer weniger Adelie-Pinguine, während bei anderen Arten die Anzahl stabil bleibt? Es dauerte lange, bis die Polarforscher den entscheidenden Punkt fanden. Er liegt im Eis. Im schrumpfenden Packeisgürtel um die Antarktis. Hans-Ulrich Peter:

    "Dieses Eis ist aber nötig für die Kieselalgen, die an der Unterseite des Eises angeheftet sind. Diese Kieselalgen werden von Krill, einem kleinen Krebs gefressen, der möglicherweise einer der häufigsten Tiere auf der Erde überhaupt ist. Und dieser Krill ist nicht so zahlreich, wenn es weniger Eis gibt. Er hat aber eine zentrale Rolle im Nahrungsnetz der Antarktis. Wenn es weniger Krill gibt, gibt es weniger Nahrung im Winter für die Adelie-Pinguine. Das heißt, die gehen mit schlechter Konstitution in die nächste Brutzeit. Das bedeutet, die Zahlen gehen abwärts. "

    Während die Temperaturen aufwärts gehen. In Europa wurde es in den vergangenen 100 Jahren etwa ein Grad Celsius wärmer, in der Antarktis 2,5 Grad in den letzten 50 Jahren. Doch ist dies wirklich eine Folge des Treibhauseffektes? Die Bohrungen im ewigen Eis zeigen, dass es in der Vergangenheit immer wieder zu abrupten Temperaturänderungen kam. Dr. Dietrich Fritzsche vom Alfred Wegener-Institut in Potsdam:

    "Innerhalb von kürzester Zeit gab es zum Beispiel in Grönland eine ganz heftige Temperaturerhöhung am Ende der letzen Eiszeit. Das war für mich mein tiefstes wissenschaftliches Erlebnis überhaupt, dass ich sehen konnte, wie innerhalb von einem Meter Eiskern also weniger als zehn Jahren sich sämtliche Eiseigenschaften geändert haben, entsprechend einer Temperaturänderung von sieben bis zehn Grad. "

    Dagegen nehmen sich die zweieinhalb Grad Celsius der vergangenen 50 Jahre recht bescheiden aus. Die Eiskernbohrungen zeigen auch – es gab und gibt wohl immer regionale Temperaturschwankungen. In der Arktis herrschten vor 200 Jahren die tiefsten Temperaturen der gesamten letzten 2500 Jahre. Ebenso auf Spitzbergen. Seither sind dort die Temperaturen rascher angestiegen als beispielsweise in Mitteleuropa. Auch auf der anderen Erdseite verhält es sich ähnlich, die Temperatur steigt rascher als in den gemäßigten Zonen. Eines ist aber gleich - eine höhere Temperatur bedeutet weniger Eis, dafür mehr Stürme und häufigere Niederschläge. Keine guten Aussichten für Sturmschwalben, Raubmöwen und Adelie-Pinguine.