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Hitzefrei vom Job

Dass Hitzewellen zukünftig wohl stärker ausfallen und länger anhalten werden, ist eine Folge des Klimawandels. Wie eine Studie im Fachjournal "Nature Climate Change" jetzt prognostiziert, wird damit auch die Arbeitsleistung der Bevölkerung stark zurückgehen.

Von Volker Mrasek | 25.02.2013
    Fast zehn Jahre ist er jetzt her, der große Hitzesommer von 2003. In Deutschland forderte er fast 7000 Menschenleben; vor allem ältere Menschen starben infolge der anhaltend hohen Temperaturen. Es ist deshalb kein Wunder, dass sich die Wissenschaft anschließend vor allem mit dem Sterberisiko durch Hitzewellen befasste.

    Die neue Studie im Fachjournal "Nature Climate Change" jedoch rückt etwas anderes in den Blickpunkt: Hitzeperioden kosten die Gesellschaft auch jede Menge Arbeitsleistung. Ronald Stauffer, Meteorologe bei der NOAA, der Nationalen Fachbehörde für Ozean und Atmosphäre in den USA:

    "In dieser Studie betrachten wir, wie viel Arbeit man während der heißesten Monate des Jahres noch schaffen kann. Und wie viel Arbeitsleistung verloren geht, wenn infolge des Klimawandels Temperatur und Luftfeuchte im Sommer weiter ansteigen. Es ergibt sich, dass diese Verluste ziemlich groß sein werden, je weiter wir in die Zukunft blicken."

    Mit steigenden Treibhausgaskonzentrationen wird sich die Luft am Boden nicht nur weiter erwärmen. Auch ihr Wasserdampfgehalt nimmt zu. Es wird schwüler. Das bringt Menschen schneller an ihre physiologischen Leistungsgrenzen.

    "Der Körper kühlt sich bei Hitze, indem er schwitzt. Wenn die Luftfeuchte jedoch hoch ist, behindert das die Verdunstung des Schweißes. Menschen müssen ihren Körper im Kern auf 35 Grad Celsius herunterkühlen können. Das ist bei jedem von uns so. Wärmer darf der Körper nicht werden. Dann würden wir über unsere physiologischen Grenzen gehen."

    Im Klimamodell simulierten Stouffer und seine Kollegen, wie sich die sogenannte Feuchte- oder Feuchtthermometer-Temperatur global entwickelt, wenn es wärmer wird. In diese Größe fließt auch die Luftfeuchte mit ein - und außerdem so etwas wie ein regionaler Anpassungsfaktor. Denn die Bevölkerung in Indien ist zum Beispiel größere Hitze und Schwüle gewohnt als ein durchschnittlicher Mitteleuropäer. In absoluten Werten ist die Feuchtetemperatur um einige Grad Celsius niedriger als die tatsächliche Lufttemperatur.

    Im nächsten Schritt prüften die Forscher dann: Inwieweit überschreiten die künftigen Feuchtetemperaturen die physiologischen Grenzen von Werktätigen? Der Ozeanograf John Dunne, Hauptautor der neuen Studie und ebenfalls von der NOAA:

    "Wir hielten uns dabei an bestehende industrielle und militärische Richtlinien für Hitzestress in den USA. Und wir spannten eine Skala auf. Von 25 Grad Celsius, wo es noch keine Beschränkungen für die Aktivität gesunder Personen gibt, bis 32,2 Grad Celsius. Nach den Sicherheitsrichtlinien ist dann keinerlei Werktätigkeit mehr erlaubt."

    Die Ergebnisse sind aufschlussreich. Schon in den zurückliegenden Jahrzehnten, so die Forscher, sei die Arbeitsleistung während sommerlicher Hitzeperioden gesunken. Und zwar um zehn Prozent. Bis 2050 könnten es schon 20 sein. Und Ende des Jahrhunderts sogar 40 Prozent - falls der Treibhauseffekt weiter zunimmt. In Mitteleuropa könnte dann eine sommerliche Schwüle herrschen wie heute in Indien. Und in Großstädten wie New York und Washington ein Hitzestress wie zurzeit in Arabien, warnt Ronald Stouffer:

    "Es geht hier um Hitzephasen über einen längeren Zeitraum von Monaten oder der ganzen Sommersaison. Also nicht bloß um einzelne Tage. Wir haben die Simulationen nicht nur mit unserem Klimamodell durchgeführt, sondern auch mit anderen. Die Ergebnisse unterscheiden sich nicht großartig. Der Verlust von Arbeitsleistung wird am stärksten dadurch beeinflusst, wie viel fossile Energieträger wir in Zukunft noch verfeuern – viel oder wenig."

    Die Klimaerwärmung könnte also dazu führen, dass es in Zukunft öfter und länger Hitze-Feuchte-frei gibt. Und dass unserer Gesellschaft im Sommer für Wochen oder sogar Monate Arbeitskraft verloren geht.

    Was das für die Wirtschaft bedeutet, müssten nun Ökonomen klären, sagen die Klimaforscher. Ihre Studie könnte jetzt der Anstoß dazu sein.