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Hitzeperiode
"Wir erleben die Konsequenzen des Klimawandels sehr deutlich"

Einzelne Klimaereignisse könne man dem Klimawandel zuordnen, sagte Klimaforscherin Friederike Otto von der Universität Oxford im Dlf. Die Wahrscheinlichkeit solcher Hitzewellen sei durch den Klimawandel deutlich höher geworden.

Friederike Otto im Gespräch mit Lennart Pyritz | 31.07.2018
    Ein Mann wischt sich mit einem Stofftuch über den Kopf
    Es besteht ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und Hitze, sagt Expertin Otto (dpa / Sebastian Kahnert)
    Lennart Pyritz: Verdorrte Wiesen und Felder; Waldbrände; Ernteausfälle in der Landwirtschaft – die Folgen der aktuellen Hitzewelle sind in Deutschland überall sichtbar. Das wirft die Frage auf: Ist der Klimawandel für das Extremwetter-Ereignis verantwortlich? Antworten darauf hat uns Friederike Otto gegeben, Klimaforscherin an der Universität Oxford und Leiterin des internationalen Netzwerks World Weather Attribution, das sich eben solcher Fragen annimmt. Vor ein paar Tagen hat sie gemeinsam mit Kollegen eine Untersuchung präsentiert, in der es um den Zusammenhang zwischen der derzeitigen Hitzewelle in Nordeuropa und dem Klimawandel geht. Am Telefon habe ich sie zuerst gefragt, welche Daten sie und ihr Team dafür ausgewertet haben.
    Friederike Otto: Was wir in dieser Studie gemacht haben, und das ist die Methode, die wir immer bei der Extrem-Event-Attribution verwenden, wir definieren ein Ereignis, also in diesem Fall eine Hitzewelle in Nordeuropa, und dann fragen wir, was ist die Wahrscheinlichkeit für eine solche Hitzewelle in der Welt, in der wir leben. Und das berechnen wir mit Hilfe von Klimamodellen und mit Hilfe von Beobachtungsdaten. Dann fragen wir: Was ist die Wahrscheinlichkeit für eine solche Hitzewelle in einer Welt ohne Klimawandel. Da verwenden wir auch genau die gleichen Klimamodelle, verwenden Beobachtungsdaten vom Beginn des Jahrhunderts und fragen wieder, was ist die Wahrscheinlichkeit für eine solche Hitzewelle. Und dann vergleichen wir diese beiden Wahrscheinlichkeiten. Und wenn die Wahrscheinlichkeiten gleich sind, dann hat der Klimawandel keinen Einfluss. Aber wenn sich herausstellt, dass die Wahrscheinlichkeit in der Welt, in der wir leben, höher ist, wie es in diesem Fall passiert ist, dann kann man sagen, aufgrund des Klimawandels hat sich die Wahrscheinlichkeit für eine solche Hitzewelle erhöht.
    "Klimawandel in Kopenhagen fünfmal wahrscheinlicher"
    Pyritz: Was war denn das Ergebnis genau, also um wie viel ist die Wahrscheinlichkeit Ihren Berechnungen zufolge höher?
    Otto: Das hängt davon ab, wo genau man ist und wie genau man die Hitzewelle definiert. Wir haben in diesem Fall die Hitzewelle definiert als die drei aufeinanderfolgenden heißesten Tage des Jahres, und wir haben an verschiedenen Orten die Untersuchung gemacht. Zum Beispiel Kopenhagen, das ist wahrscheinlich das nächste an Deutschland, oder auch in De Bilt in den Niederlanden. In Kopenhagen haben wir herausgefunden, dass die Hitzewelle, wie sie bis letzte Woche stattfand, ungefähr alle acht Jahre zu erwarten ist in der Welt, in der wir leben. In einer Welt ohne Klimawandel ist die fünfmal weniger wahrscheinlich. Das heißt, der Klimawandel in Kopenhagen fünfmal wahrscheinlicher gemacht.
    Pyritz: Die Standardfrage an dieser Stelle, die man oft in den Medien liest, lautet dann, ist die jetzt stattfindende Hitzewelle also eine Folge des Klimawandels? Die wissenschaftliche Antwort ist immer, einzelne Wetterereignisse lassen sich nicht direkt zuordnen. Welche Rückschlüsse auf den Klimawandel lässt denn so ein Sommer wie jetzt in seriöser Weise zu, unter Berücksichtigung vergangener Klimadaten?
    Otto: Ich würde sagen, diese Aussage ist so nicht richtig. Man kann einzelne Klimaereignisse dem Klimawandel zuordnen. Natürlich nicht absolut, man kann nicht sagen, dieses Ereignis wurde vom Klimawandel ausgelöst und von sonst nichts anderem. Denn alle Wetterereignisse haben immer verschiedene Gründe. Aber genauso, wie man sagen kann, Rauchen verursacht Krebs, kann man eben auch sagen, dass der Klimawandel das Risiko für Hitzewellen erhöht. Und so wie jeder Krebs, der ausbricht, nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass eben vielleicht der Patient geraucht hat, sondern man kann auch Krebs kriegen ohne zu rauchen, genauso gibt es auch Hitzewellen ohne den Klimawandel, aber die Wahrscheinlichkeit, dass solche Hitzewellen, wie wir sie gerade erleben, auftreten, ist durch den Klimawandel deutlich erhöht. Und das kann man gerade für Hitzewellen sehr seriös sagen. Man kann es für extreme Regenfälle, wenn sie relativ großflächig sind, sehr seriös sagen. Man kann das für Dürren sehr seriös sagen.
    "Hitze tötet"
    Pyritz: Mitglieder des britischen Parlaments haben kürzlich davor gewarnt, dass sich die Zahl hitzebedingter Todesfälle bis zum Jahr 2050 verdreifachen könnte, wenn die Regierung nicht handelt. In Deutschland fordert jetzt gerade der Bauernverband wegen hitzebedingter Ernteausfälle staatliche Hilfen von einer Milliarde Euro. Hilft so ein im wahrsten Sinne des Wortes spürbares Extremwetterereignis dabei, Gesellschaft und Politik für den Klimawandel zu sensibilisieren?
    Otto: Ich denke, es hilft auf alle Fälle, zu sensibilisieren. Die Schwierigkeit ist natürlich, dass das dann auch weitergeht über das Einzelereignis hinaus. Im Moment erleben wir die Konsequenzen des Klimawandels gerade sehr deutlich und sehr unangenehm. Und Hitze ist natürlich auch nicht nur unangenehm, sondern Hitze tötet. Aber das Wichtige ist halt, dass auch, wenn die Menschen das nächste Mal wählen gehen, sie weiterhin daran denken, dass das wichtig ist. Denn man kann sich bis zu einem gewissen Grad natürlich an den Klimawandel anpassen. Aber es gibt Folgen des Klimawandels, an die man sich nicht anpassen kann, und da muss man halt das, was auch im Pariser Abkommen drinsteht, nämlich, dass wir netto null Emissionen haben müssen, um dem Klimawandel tatsächlich Einhalt zu gebieten. Und das muss konsequent umgesetzt werden, ansonsten steigen die Temperaturen weiter und das Risiko für Hitzewellen nimmt weiter zu.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.