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Hitziges Duell

Julia Timoschenko und Viktor Janukowitsch haben sich einen erbitterten Wahlkampf geliefert, in dem sich beide gegenseitig mit Schmähungen überzogen. Bei der Stichwahl am Sonntag wird ein knappes Ergebnis erwartet.

Von Robert Baag | 05.02.2010
    Hitzig ist es zugegangen während der vergangenen Tage, kurz vor der entscheidenden Stichwahl am kommenden Sonntag in der Ukraine. Julia Timoschenko, amtierende Ministerpräsidentin, nach der ersten Runde Mitte Januar mit 25-Prozent-Stimmenanteil der Wähler die Zweitplatzierte hinter Viktor Janukovytsch, der 35 Prozent hatte verbuchen können, lässt keine Gelegenheit aus, den Rivalen öffentlich zu attackieren.

    Sie sei heute Abend gezwungen, auf einen leeren Stuhl blicken zu müssen und mit diesem leeren Stuhl zu reden, klagt sie mit gespielter Enttäuschung im ersten Fernsehkanal:

    "Und deshalb werden Sie, Viktor Fjodorovitsch, den Menschen nur mit politischer Reklame in Erinnerung bleiben. Aber alle wissen doch ganz genau, was diese Versprechen wert sind!"

    Tatsächlich hat der meist hölzern daher kommende Janukovytsch an diesem Abend gekniffen und eine öffentliche Live-Diskussion mit ihr vermieden. Er hat sich in ein anderes Fernsehstudio einladen lassen und versucht mit gleicher Münze zurückzuzahlen:

    "Ich habe mich davon überzeugt, dass die Menschen das alles schon satt haben. Sie glauben nicht mehr an diese Lügen von Timoschenko. Sie haben fünf Jahre diesem kostenlosen Spektakel von Juschtschenko und ihr, der Premierministerin, zugucken müssen, als die sich darum stritten, wer für ihre Wählerschaft die 'Nummer 1' sein soll."

    Timoschenko, unverdrossen:

    "Die Ukraine war und bleibt ein europäisches, demokratisches Land, in dem mehr als 60 Prozent seiner Wähler für Demokratie, für Gerechtigkeit, für eine europäische Ukraine gestimmt haben."

    Janukovytsch aber hält von seiner Machtbasis im ostukrainischen, überwiegend russischsprachigen Donezker Kohlerevier siegesgewiss dagegen:

    "Das ukrainische Volk", so Janukovytsch, "will den Wechsel. Und schon sehr bald wird eine neue Etappe im Leben unseres Landes beginnen."

    Beide politische Lager verdächtigen sich inzwischen lautstark, unsaubere Tricks zu planen, um sich den Sieg zu erschleichen. Vorläufiger Höhepunkt dann Mitte dieser Woche: Auf Initiative der Parlamentsfraktion von Janukovytschs "Partei der Regionen", ist kurz vor dem Urnengang am Sonntag wieder einmal das Wahlgesetz geändert worden. Danach soll es kein Quorum mehr für die Zahl der Wahlbeobachter geben, die von den Lagern der beiden Kandidaten zur Stimmauszählung in die Wahlkommissionen geschickt werden. - "Ein Freibrief für Manipulationen", faucht Timoschenko. - "So verhindern wir, dass Timoschenkos Leute die Stimmauszählungen boykottieren können", kontert kühl die Janukovytsch-Mannschaft. - Und so ist am Ende exakt das eingetreten, wovor die OSZE schon nach dem ersten Wahlgang gewarnt hatte. Zwar sei die erste Runde insgesamt demokratisch und fair verlaufen - aber, so damals schon die Vorahnung der OSZE-Delegationsleiterin, der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini:

    "Gesetzesnormen ändern zwischen zwei Wahlgängen ist nicht gut! Unsere allgemeine Empfehlung wird sein, dass man tatsächlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Wahlen hier in der Ukraine verbessert, dass man das Gesetz so schreibt, dass es klar ist und dass die Wahlkommissionen genau wissen, was sie tun müssen."

    Schon droht Julia Timoschenko, ihre Anhänger zu Straßenprotesten aufzurufen, sollte sie den Eindruck haben, dass es bei den Wahlen oder bei der Stimmauszählung zu Fälschungen gekommen sein könnte. Sollte der Stimmenabstand zwischen Sieger und Verlierer tatsächlich sehr knapp ausfallen - und das ist nicht auszuschließen - , dann dürften tatsächlich Gerichte bemüht werden, es könnte zu Protesten kommen - vor allen Dingen aber: Die ohnehin wirtschaftlich gebeutelte Ukraine stünde vor einer neuen politischen Hängepartie. Genau dies aber kann das ökonomisch und verfassungsrechtlich reformbedürftige Land jetzt am allerwenigsten gebrauchen.