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Hochbarocker Lichtgott

Das Schloss Drottningholm bei Stockholm war vor vierzehn Jahren Schwedens erster Eintrag in das Unesco-Inventar des Weltkulturerbes. Alljährlich wird es während der Sommerwochen mit Opern, die in historischer Aufführungspraxis geboten werden, bespielt. Nur an der Erhöhung staatlicher Fördergelder mangelt es offenbar seit Jahren in Drottningholm, so ist jedenfalls auf der Webseite des Theaters zu lesen – zu wenig Geld ist auch ein Grund dafür, dass es nur eine Auftragsproduktion gibt. Nämlich die Barockoper: "Zoroastre" von Jean Philippe Rameau.

Von Daphne Springhorn | 03.08.2005
    Bereits in der Ouvertüre entfaltet die Oper ihr dramatisches Vokabular. Präzise gestalten Christophe Rousset und das Drottningholmer Theaterorchester auf historischen Instrumenten den aufwühlenden Streichereinsatz. In schwarzes Tuch gehüllt, erscheint Abramane, wütende Gestalt des Bösen. Um sich des Thrones zu bemächtigen, will er Amelite, die Thronfolgerin, in seine Gewalt bringen.

    Ein pastoral anmutendes Blockflötenlied beschreibt seinen Gegenspieler Zoroastre, auch bekannt als Zarathustra, Zauberer des Guten, der am Ende des fünften Aktes die Thronfolgerin retten und ehelichen wird. Ein Zweikampf zwischen Gut und Böse also. Stilisierte Gewalt, kunstvoll bis ins Detail inszeniert von Pierre Audi, dem Leiter der niederländischen Oper in Amsterdam. Der Libanese hatte zuletzt mit Aufführungen von Wagners "Ring" und Monteverdis Renaissance Opern international Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Audis Vorliebe zu Kontrasten, zeigt sich nicht nur in dessen Repertoire, auch in "Zoroastre" trennt, setzt er die Themen und Figuren scharf voneinander ab: Auf einer kargen Bühne, von barocker Üppigkeit Gewänder, die von dem japanischen Modeschöpfter Yohji Yamamato stammen könnten.

    In Weiß und in Schwarz gehüllt, gefrieren die Figuren immer wieder zu machtvollen Gemälden bis die Musik von Rameau sie weiterreist. Chor und Tänzern stehen dabei viel mehr als sonst üblich in Zentrum. Kongenial illustrieren sie die innere Dimension des Zweikampfs, der seinen Höhepunkt im vierten Akt findet, als die Mächte der Finsternis sich sammeln.

    "Zoroastre" von Rameau ist die einzige Eigenproduktion diese exklusiven Opernfestivals. Das war nicht immer so und schon gar nicht vor 230 Jahren. Gustav III., der berühmte Opernkönig, ließ nämlich in den Sommermonaten das Haus sogar zweimal täglich bespielen. Dazu Per-Erik Öhren, der künstlerische Leiter des Festivals:

    "Er war der erste der schwedische Opern machte, er bestellte von Dichtern und Musikern ständig neue Stücke. Er war wirklich so ein Innovateur."


    1922 wurde das Theater wieder entdeckt. Seit 1946 wird es regelmäßig bespielt. Gustavs Mutter, die Hohenzollernprinzessin Louisa Ulrika, ließ 1762 das Theater bauen. Ganz schlicht, doch wenn am Abend die Lichter, die aussehen wie Kerzen, brennen, wirkt die Magie. Das sieht man nicht, dass der italienische Marmor gemalt ist, die Konsolen aus Pappmachée sind. Die Bühnenkonstruktion ist jedoch einzigartig: ein Zauberkasten mit 15 Bühnenbildern, Wind- und Donnermaschine. Dreißig Bühnenarbeiter, verteilt auf Dachboden und Bühnenkeller können in wenigen Sekunden Stadt in Land, Himmel in Hölle verwandeln. Insbesondere für Regisseure ist die barocke Opernbühne mit ihrer authentisch anmutenden Beleuchtung eine Herausforderung:

    "Sie sind oft gewöhnt, sehr viel Regie mit dem Licht zu machen. Das kann man aber hier nicht machen. Man muss ein bisschen choreographisch, skulptural hier arbeiten."

    Eine Bühne, wie geschaffen für Pierre Audi, der bei seinen Operninszenierung auf technische Tricks oft ganz verzichtet. In "Zoroastre" ist es die Szenographie, die Licht und Schatten ersetzt - auf der Grundlage von Rameaus musikalischer Dramatik. Eine atemberaubende Neuinszenierung mit internationalen Sängern, die durch das authentische Ambiente des Drottningholmer Schlosstheaters nur gewonnen hat.

    Weitere Informationen zum Theaterfestival Schloss Drottningholm auch in englischer Sprache