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Hochgiftige Bootsanstriche

Die Schiffsrümpfe müssen von Algen und Muscheln befreit werden, weil dieser Bewuchs die Seetüchtigkeit und die Geschwindigkeit beeinträchtigt. Deshalb werden die Schiffsrümpfe mit einem bestimmten Beschichtungsmittel gestrichen, das sich allerdings mit der Zeit abwäscht. Weil ein lange gängiges Mittel sich als hochgiftig erwies, wurde es verboten und ersetzt. Aber auch die Alternative erwies sich als Fehlgriff, wie das Umweltbundesamt nachwies.

Von Mario Dobovisek |
    Eine unscheinbare Werkshalle am südlichen Stadtrand Berlins. Zwischen metallenen Laufstegen stehen acht Versuchsbecken, mannshoch, fast sieben Meter lang. Hier untersuchen Forscher des Umweltbundesamts den Einfluss von chemischen Substanzen auf den Lebensraum Wasser. Einer von ihnen ist Ralf Schmidt, er leitet die Anlage in Berlin Marienfelde:

    "Was Sie hier sehen ist ein Teich. Da sind Sedimente und Wasserpflanzen. Die Wasserpflanzen wachsen üppig, so wie sich das in der Natur auch entwickelt. Wasserflöhe sind drin, Schnecken, Asseln. Alles, was so ein Öko-System bietet. Und wenn wir eben einen Teich weiter gehen, da sehen Sie hier, der ist klar. Sie können bis zum Grund gucken, weil es kein Plankton gibt, kaum noch Wasserpflanzen. Der Teich ist ganz einfach kahl. Man kann hier ganz einfach erkennen, welche schädigende Wirkung dieser Stoff hat."

    Die Substanz, die Schmidt und seine Kollegen gerade untersucht haben heißt Irgarol. Ein Wirkstoff, der in sogenannten Antifouling-Farben verwendet wird. Also in Anstrichen, die den Algenbewuchs auf Schiffs-Rümpfen hemmen sollen. Eine ähnliche Substanz, das Tributylzinn - oder kurz TBT - ist bereits 2003 von der Europäischen Union verboten worden. Zu stark war der Einfluss auf Lebewesen in Salz- und Süßwasser. Deshalb wird seit dem vor allem in der Sport- und Freizeit-Schifffahrt verstärkt auf Irgarol zurückgegriffen. Die Untersuchungen des Umwelt-Bundesamtes zeigen aber, dass auch Irgarol Schäden im Lebensraum Wasser verursacht: Algen und Krebse sterben, Muscheln können sich nicht fortpflanzen, weil ihr Hormonspiegel sich verändert.

    "Es gibt also mehrere Angriffspunkte auf Ökosysteme, die geschädigt werden, so dass ganze Lebensketten zusammenbrechen."

    Hohe Irgarol-Konzentrationen im Salzwasser haben bereits in einzelnen Ländern zu Anwendungs-Beschränkungen und Verboten geführt. Unter anderem dürfen in Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden keine Irgarol-haltigen Boots-Anstriche mehr verwendet werden - Zumindest nicht in Binnengewässern. In Deutschland ist das anders, die Belastung ist deshalb auch weiterhin hoch. Ralf Schmidt:

    "Überall wo Sport- und Freizeitschifffahrt eine Rolle spielt, haben wir Konzentrationen gefunden, die hier bei uns in unserem Modellversuchen Wirkungen verursachen. Also im Wannsee beispielsweise, in Berlin, haben wir Konzentrationen bis zu 50 Nanogramm pro Liter gemessen. Und Wirkkonzentration auf Schnecken sind zum Beispiel 32 Nanogramm, liegen also deutlich drunter. Das zeigt deutlich, im Wannsee ist mit nachteiligen Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften zu rechnen."

    Irgarol könne deshalb kein Ersatz für das bereits verbotene TBT sein, sagt Andreas Troge, Präsident des Umwelt-Bundesamtes. Auf europäischer Ebene wird gerade über eine endgültige Zulassung als Antifouling-Mittel diskutiert, Andreas Troge möchte das verhindern:

    " Wir werden bei der europäischen Prüfung dafür votieren, diesen Stoff nicht in die sogenannte Positiv-Liste aufzunehmen. Wir sind also gegen die Zulassung als Antifoulingmittel von Irgarol"

    Statt dessen sollten Freizeit-Kapitäne ihre Boote lieber von Hand säubern, fügt Troge hinzu. Mit Spatel und Besen die Algen und Muscheln abschaben. An Alternativen wird derzeit geforscht - so könnten Produkte aus der Nano-Technologie und Bionik vielleicht bald die chemische Keule ersetzen. Das ist notwendig, meint Troge, hat sich die Europäische Union doch mit der sogenannten "Wasser-Rahmen-Richtline" vorgenommen, die Binnengewässer bis 2015 chemisch und biologisch in einen guten Zustand zu versetzen.

    " Den biologisch guten Zustand können wir nur erreichen, wenn wir nicht vorsätzlich Stoffe in die Gewässer eintragen, die den Lebensraum der Gewässer schädigen. "