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Hochschulen
Debatte um private Unis in Griechenland

In Griechenland sind private Hochschulen durch die Verfassung verboten. Das möchte die konservative Opposition ändern, doch die linke Regierungspartei Syriza will davon nichts hören. Ihre Argumentation: Bildung soll staatlich und damit für alle zugänglich sein. Doch ist das überhaupt so?

Von Rodothea Seralidou | 18.02.2019
    Universitätsgebäude Athen.
    Artikel 16 der griechischen Verfassung sieht vor, dass die Hochschulen des Landes allein staatlich sein dürfen (picture alliance / Robert Geiss)
    Die 19-jährige Maria sitzt zusammen mit ihrer Freundin Giorgia auf der Marmortreppe des Syntagma-Platzes vor dem griechischen Parlament. Beide haben letztes Jahr die Schule beendet, wollten studieren. Doch obwohl sie ein gutes Abschlusszeugnis haben, waren sie in den schriftlichen Aufnahmeprüfungen, die für einen Platz an den öffentlichen Hochschulen des Landes vorgesehen sind, nicht gut genug, sagt Maria – so wie Tausende weitere Absolventen blieben sie ohne Studienplatz. Eine Alternative zur landesweiten Aufnahmeprüfung oder gar Wartesemester wie in Deutschland gibt es in Griechenland nicht. Der Zugang zu einem Hochschulstudium bleibt Maria für immer verwehrt.
    "Ich mache jetzt an einer privaten Berufsschule eine Ausbildung zur Friseurin. Ich arbeite als Kellnerin, um das zu finanzieren, und meine Eltern greifen mir auch unter die Arme. Ich war am überlegen, zum Studieren ins Ausland zu gehen, nach England, aber das wäre zu teuer und ich möchte auch nicht weit weg von meiner Familie sein."
    Mehr Wettbewerb durch private Unis?
    Dass Griechenland keine privaten Hochschulen hat, liegt an Artikel 16 der griechischen Verfassung: Dieser sieht vor, dass die griechischen Hochschulen staatlich sein müssen. Eine veraltete Regelung, die unbedingt abgeschafft werden muss, finden gleich mehrere Oppositionsparteien, allen voran die konservative Nea Dimokratia, die in der anstehenden Verfassungsreform dafür plädiert hat, den Artikel 16 zu ersetzen und somit die Gründung von privaten Universitäten zu ermöglichen.
    Niki Kerameos von der konservativen Nea Dimokratia Partei.
    Niki Kerameos von der konservativen Nea Dimokratia fordert private Hochschulen (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
    Niki Kerameos ist bildungspolitische Sprecherin der Nea Dimokratia. Griechenland sei das einzige Land Europas, in dem die Verfassung private Hochschulen verbietet, sagt die Parlamentsabgeordnete.
    "Wir müssen die Gründung von nicht-staatlichen Hochschulen erlauben, und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil durch den Wettbewerb, der dadurch entstehen würde, dies auch den staatlichen Hochschulen zugute kommen würde. Und zweitens, weil dadurch Griechenland ein internationales Zentrum in Sachen Bildung werden könnte, das Studierende aus anderen Ländern anlockt, statt seine eigenen Studierenden ins Ausland zu schicken."
    Laut einer Studie der Griechischen Nationalbank studieren rund 37.000 junge Griechinnen und Griechen im Ausland – die meisten, weil sie in Griechenland keinen oder nicht den gewünschten Studienplatz bekommen haben. Gäbe es private Hochschulen, könnten diese in Griechenland bleiben - ebenso die griechischen Professoren, die zu 60 Prozent an ausländischen Unis unterrichteten, sagt die konservative Abgeordnete.
    Debatte mit tiefer ideologischer Grundlage
    Die linke Regierungspartei Syriza hingegen will von nicht-staatlichen Hochschulen nichts wissen. Die Debatte rund um die Gründung von privaten Universitäten habe eine tiefe ideologische Grundlage, sagt Giorgos Chondros, Vorstandsmitglied der linken Syriza.
    "Für uns - Bildung, Gesundheit, öffentliche Dienste sind ein Gemeingut und sie sollen als solches geschützt und gefördert werden vom Staat. Die neoliberale Auffassung sagt genau das Gegenteil. Gesundheit, Bildung sollen normale Waren für die Privatwirtschaft sein, es soll dadurch Kapital gewonnen werden und da sind wir strikt dagegen."
    Viele Schulabgänger ohne Studienplatz
    Das Bestreben der Regierung sei es vielmehr, die öffentliche kostenlose Hochschulbildung zu verbessern und auszubauen, sodass mehr Studierende die Möglichkeit haben, an den staatlichen Universitäten des Landes zu studieren, sagt Syriza-Politiker Chondros. Deshalb hat er mit Freude wahrgenommen, dass der Vorschlag der Nea Dimokratia, in der kommenden Verfassungsreform auch Artikel 16 zu berücksichtigen, vom Parlament abgelehnt wurde.
    Giorgos Chondros von der Partei Syriza.
    Sieht Bildung als Gemeingut: Giorgos Chondros, Syriza (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
    Kerameos hingegen bedauert dies:
    "Das ist eine verpasste Chance für Griechenland. Bis zur nächsten Verfassungsänderung wird es wieder Jahre dauern, Jahre, in denen wir uns weiter international abschotten."
    Für junge Leute wie Maria und Giorgia, die keinen Studienplatz an einer öffentlichen Uni bekommen konnten, heißt das: Sie müssen weiterhin nach Alternativen suchen oder müssen sich mit Aushilfsjobs zufriedenstellen.
    "Ohne einen Studienabschluss findest du nirgends einen gescheiten Job. Hätten wir hier private Unis, könnten zumindest diejenigen studieren, die sich das leisten können. Und zwar das, was ihnen wirklich gefällt."