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"Hochschulen sollen sich selbst Ziele setzen"

Die Karrierechancen für Wissenschaftlerinnnen im deutschen Hochschulsystem sind nach Ansicht von Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), unzureichend. Mehr Frauenförderung verspricht man sich deshalb von forschungsorientierten Gleichstellungsstandards, die die einzelnen Hochschulen umsetzen sollen. Eine Quote lehnte Kleiner hingegen ab. Man wolle die Belange der einzelnen Disziplinen im Auge behalten.

Moderation: Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Was genau haben Sie den Hochschulen denn geschickt?

    Matthias Kleiner: Wir haben verschickt unseren Vorschlag, eine Tagesordnungsvorlage für die Mitgliederversammlung Anfang Juli, wo es um forschungsorientierte Gleichstellungsstandards geht. Ich glaube aber nicht, dass wir allzu viel Unruhe damit produziert haben oder produzieren. Denn die Hochschulrektorenkonferenz selbst hat schon im November 2006 eine Empfehlung, Frauen fördern, beschlossen und ebenso wie die Allianz der Wissenschaftsorganisation, der Wissenschaftsrat, die Bund-Länder-Kommission. All diese Organisationen zusammen mit der DFG, wir sind uns doch einig, dass wir im Bereich der Gleichstellung, der Verbesserung der Chancen für Wissenschaftlerinnen im Wissenschaftssystem noch einiges zu tun haben. Und wir legen mit den forschungsorientierten Gleichstellungsstandards nun eine Hilfestellung auf den Tisch für unsere Mitglieder, für die Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, hier konkreter zu werden.

    Himmelrath: Was steht drin in diesen Standards, was wollen die Hochschulen konkret ändern?

    Kleiner: Das geht zunächst mal darum, im Bereich der personellen Gleichstellungsmaßnahmen eine durchgehende personenbezogene Gleichstellung zu verwirklichen. Das heißt zum Beispiel, in manchen Nominierungsverfahren für Preise oder auch bei der Benennung von Wissenschaftlerinnen in Wettbewerben hier noch mal gezielt nachzufassen, gezielt Maßnahmen in den Hochschulen zu realisieren, dass dort hervorragende Wissenschaftlerinnen nicht schlicht weg vergessen werden. Es geht darum, eine größere Transparenz bei der personenbezogenen Entscheidungen herzustellen. Es geht um Personalentwicklung, die wettbewerbs- und zukunftsfähig sein muss, zum Beispiel die Bereitstellung von Vertretungsmitteln im Fall von Mutterschutz und Elternzeit. Maßnahmen, die im Übrigen die DFG in ihrem eigenen Haushalt seit Längerem schon praktiziert und wo wir auch im Rahmen unserer Forschungsförderung doch eine ganze Reihe von Möglichkeiten eröffnet haben, familienfreundliche Ausgestaltung der Stipendienförderung. Wir geben zusätzliche Gelder in Forschungsverbünde, um hier Maßnahmen zu finanzieren, zur Steuerung der Beteiligung von Wissenschaftlerinnen. Und all das wollen wir nun auch den Hochschulen vorschlagen im Bereich der personellen Gleichstellungsmaßnahmen.

    Himmelrath: Sie sagen, das soll eine Selbstverpflichtung sein der Hochschulen. Es hört sich ein bisschen so an, wie ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können. Denn Sie koppeln das ja an eine Aussage, dass Sie sagen, das könnte möglicherweise ein Kriterium werden bei der Bewilligung von Forschungsgeldern. Da sagen die Hochschulen vielleicht, das ist Erpressung, oder?

    Kleiner: Nein, das würde ich nicht so sehen. Wir haben ja schon seit geraumer Zeit, seit einigen Jahren eigentlich, solche Dinge im Blick, wenn wir Forschungsverbünde begutachten und bewilligen, Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen, Graduiertenkollegs, wo zunehmend auf Gleichstellungsaspekte auch geguckt wird. Es ist nicht das alleinige Kriterium, auf keinen Fall. Und es ist auch kein Kriterium, das sozusagen eine bessere oder schlechtere wissenschaftliche Qualität ausgleichen kann. Aber dort, wo es dann um Vergleiche geht, dann noch mal hinzuschauen, zu sagen, wie sind denn die Universitäten, die Hochschulen, die Forschungseinrichtungen in Sachen Gleichstellung aufgestellt, nutzen sie die Potenziale, die Wissenschaftlerinnen mit sich bringen, ausreichend. Das ist gängige Praxis mittlerweile. Wir haben gerade im Bereich der Exzellenzinitiative das sehr ausführlich doch gesehen, da haben uns die ausländischen Gutachter sehr massiv drauf hingewiesen. Und wir haben auch gesehen, dass die beantragenden Hochschulen dies von der ersten zur zweiten Runde auch zunehmend realisiert haben. Sie waren sensibilisiert. Insofern haben wir da viele Erfolge erringen können.

    Himmelrath: Sie haben gerade gesagt, die ausländischen Gutachter während der Exzellenzinitiative haben das Thema immer mal wieder angesprochen. Wie stehen die denn da im internationalen Vergleich in Deutschland?

    Kleiner: Na ja, wenn man sich den Anteil von Wissenschaftlerinnen über die Qualifizierungsstufen hinweg anguckt, dann stellen wir fest, dass wir zu Studienbeginn noch ein ausgewogenes Verhältnis haben, dass dann aber mit zunehmender Qualifizierung über Studienabschluss, Promotion, Habilitation bis hin zur Professur wir ein Absinken des Anteils von Wissenschaftlerinnen auf zehn Prozent bei den C4- respektive W3-Professuren haben. Und das liegt mindestens nur auf der Hälfte dessen, was international üblich ist. Wir haben im internationalen Bereich Anteile von 20, 30 Prozent, mindestens.

    Himmelrath: Wäre dann aber nicht eine klare Quotenregelung die bessere Lösung, statt hier auf Selbstverpflichtung der Hochschulen zu setzen, die Sie vielleicht gar nicht richtig wollen?

    Kleiner: Nein, wir werden mit diesen Standards keine Quoten einführen, keine fixen Quoten. Denn die sind nicht sensibel genug für die besonderen Belange der einzelnen Disziplinen, der Fächer, der Fakultäten, der einzelnen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Wir möchten unsere Mitglieder dazu bringen, dass sie sich selbst Ziele setzen, dass sie sich selbst sagen, wie können wir mit Blick auf die darunterliegende Qualifizierungsstufe einen höheren Anteil von Frauen auf der jeweils höheren Karrierestufe erreichen, dass sie sich solche Ziele, solche Prozentsätze der Steigerung selbst vornehmen und das darstellen und wir einfach Berichte sammeln, wie stark diese Zielerreichung erfolgreich war.

    Himmelrath: Wie schnell sollen die Hochschulen jetzt reagieren? Sie wollen ja Ende Juni auf der DFG-Jahresversammlung schon erste Beschlüsse fassen. Wie schnell soll das dann mit der Umsetzung gehen?

    Kleiner: Na ja, das ist ein Prozess, der mir schon sehr am Herzen liegt. Und wir haben das zügig bislang doch organisieren können. Wir haben am 2. Juli die Mitgliederversammlung. Wir haben nun die Unterlagen herausgeschickt, sodass es auch in den Mitgliedseinrichtungen eine umfassende Diskussion geben kann. Wir möchten dann ganz gerne zur nächsten Mitgliederversammlung im Frühjahr 2009 erste Stellungnahmen der Mitgliedseinrichtungen haben, sodass dann im Frühjahr 2011 Zwischenberichte vorliegen und 2013 abschließende Berichte über die Erfolge, die man mit diesen Gleichstellungsstandards, den forschungsorientierten Gleichstellungsstandards erreicht hat, sodass wir auf der Mitgliederversammlung 2013 überlegen können, ob wir die Standards anpassen müssen, oder ob es sonstige Maßnahmen, weiterführende Maßnahmen geben sollte, geben könnte. Aber ich glaube, bis dahin haben wir schon eine ganze Reihe von Erfolgen erzielen können. Ich bin da sehr optimistisch.

    Himmelrath: Fünf Jahre liegen vor uns, in denen sich die Frauenförderung im deutschen Wissenschaftssystem grundlegend ändern und verbessern wird, sagt Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ich danke Ihnen herzlich!

    Kleiner: Danke schön!